Der gesetzliche Rahmen für die Mobilität der Zukunft kann die technologische Entwicklung drosseln oder beschleunigen, den Wettbewerb behindern oder beflügeln, die gesellschaftliche Akzeptanz der neuen Technologien infrage stellen oder fördern. In ihrem Gesetzentwurf zum autonomen Fahren stellt die Bundesregierung viele Weichen richtig – aber lässt auch einige Lücken.
Erstens: Automobile Sicherheit ist nicht teilbar
Das Wichtigste zuerst: Niemand muss sich sorgen, dass er nach einem Unfall mit einem autonom fahrenden Auto schlechter wegkommt als bislang. Das geltende Recht hat eine einfache und klare Antwort auf die Frage, wer Unfallopfer entschädigt: Das macht die Kfz-Haftpflichtversicherung des Halters. Dieser bewährte Grundsatz soll nach dem Willen der Bundesregierung auch für autonome Autos gelten. Diese Entscheidung ist gut und richtig. Sie gewährt das höchste Maß an Opferschutz und wird daher auch ganz wesentlich zur gesellschaftlichen Akzeptanz autonomer Autos beitragen.
Zweitens: Unfallursachen müssen erkennbar sein
Für etwaige Unfallopfer ist also gesorgt. Aber ist dieser Schutz durch die Kfz-Versicherung dann ein Freibrief für Entwickler, Zulieferer und Hersteller autonomer Autos? Nein, das ist er natürlich nicht. Wer auch immer mangelhafte Systeme auf den Markt bringt, muss sich im Rahmen geltender Gesetze verantworten. Deshalb muss nach einem Unfall mit einem autonomen Auto feststellbar sein, wer oder was den Unfall verursacht hat. Heute ist das in aller Regel der Fahrer, bei Fahrzeugen mit autonomen Fahrfunktionen wird die Suche nach der Fehlerquelle komplexer: Hat der Fahrer einen Fehler gemacht? Der Halter? Der Hersteller? Ein IT-Dienstleister? Mobilfunkanbieter? Netzbetreiber? Kartenanbieter? Wo am Ende die Verantwortung liegt, wird beim autonomen Fahren nur anhand der Fahrzeugdaten erkennbar sein. Deswegen finden wir Versicherer auch richtig, dass die Betroffenen nach einem Unfall Zugang zu Betriebsdaten erhalten sollen.
Drittens: Die Daten gehören in die Hände der Autofahrer
Die zur Klärung einer Unfallursache nötigen Betriebsdaten sind aber nur ein winziger Teil der Daten, die vernetzte und automatisierte Fahrzeuge produzieren und speichern. Diese Daten sind ein wertvolles Gut. Sie bergen großes Potenzial für neue Dienstleistungen rund um das Auto. So sind Fahrdaten zum Beispiel die Grundlage für Telematik-Tarife der Kfz-Versicherer, bei denen unsere Kunden Rabatte für eine vorsichtige Fahrweise bekommen können.
Wie gut der Markt rund um die Autodaten in Zukunft funktionieren wird, hängt in erster Linie von der Frage ab, wer wann wie auf die Daten aus den Autos zugreifen und mit den Fahrern kommunizieren kann. Die Haltung der Versicherer in dieser Frage ist klar: Zum einen gehören die Daten nicht den Herstellern, sondern in die Hände der Verbraucher. Sie müssen frei entscheiden können, an wen sie ihre Fahrzeugdaten übermitteln. Zum anderen muss eine solche Übermittlung für alle Anbieter – für Hersteller, für Werkstätten, für Automobilclubs, für Versicherer – technisch problemlos möglich sein. Hier hätte der Gesetzentwurf die Rechte der Verbraucher deutlich stärken und ein klares Signal für einen freien und fairen Wettbewerb senden können.
Viertens: Wir vertrauen in Technik, aber Sicherheit geht vor
Dem Gesetzentwurf liegt ein grundsätzlich zu begrüßendes Vertrauen in die heute vorhandene Technik zugrunde. Wie berechtigt dieses Vertrauen tatsächlich ist, wird sich zeigen. Die wenigen veröffentlichten Ergebnisse von Testfahrten zeigen bisher noch nicht, dass die Technik fehlerfrei funktioniert. Bis dieser Beweis in einem transparenten und wissenschaftlich fundierten Verfahren gelungen ist, sollte das autonome Fahren Simulationen und professionellen Testfahrern vorbehalten bleiben – zu unser aller Sicherheit.
Heute um 11 Uhr diskutiert Jörg Asmussen mit VDA-Chefin Hildegard Müller hier im Livestream zum Thema „Automatisiert, vernetzt, versichert – Regeln für die Verkehrswende“.