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Verkehr & Smart Mobility

Standpunkte Vor der NMK: Die Nationale Hafenstrategie am Scheidepunkt

Daniel Hosseus, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Seehäfen (ZDS)
Daniel Hosseus, Geschäftsführer des Zentralverbands Deutscher Seehäfen (ZDS)

Während die Bundesregierung in dieser Woche ihre Nationale Maritime Konferenz abhält, herrscht in der Hafenwirtschaft Ernüchterung. Bei der mit vielen Worten angekündigten Nationalen Hafenstrategie liegt vieles im Unklaren. Dabei ist die Zeitenwende in vollem Gange.

von Daniel Hosseus

veröffentlicht am 13.09.2023

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In dieser Woche findet in Bremen die Nationale Maritime Konferenz der Bundesregierung statt. Ein wichtiger Termin, sowohl für die maritimen Branchen als auch für die Regierung selbst, sind doch zahlreiche große politische Themen eng mit dem Maritimen verknüpft. Aber gerade beim zentralen und konkretesten maritimen Vorhaben im Ampel-Koalitionsvertrag herrscht eher Ernüchterung statt Aufbruchsstimmung. Wenige Monate vor dem angestrebten Kabinettsbeschluss liegt bei der Nationalen Hafenstrategie vieles im Unklaren.

Dabei drängt die Zeit. Deutschland steht vor großen Herausforderungen. Der Klimaschutz muss forciert werden. Der demografische Wandel stellt veränderte Anforderungen an den Arbeitsmarkt. Die Möglichkeiten der Digitalisierung und Automatisierung stellen bisherige Geschäftsmodelle infrage, ermöglichen neue, und verändern die Arbeitswelt. Die Infrastrukturen für Verkehr und für Kommunikation müssen beständig angepasst, erhalten und erneuert werden. Der wirtschaftliche und insbesondere der geopolitisch-systemische Wettbewerb erfordert starke Antworten. Die Nationale Hafenstrategie sollte dem Ziel dienen, wesentliche Veränderungen schnellstmöglich anzustoßen und strategische Ziele so schnell als möglich und spätestens in fünf bis zehn Jahren erreicht zu haben.

Häfen sind von höchster strategischer Bedeutung für Deutschland. Hafenstädte und Häfen haben, durch Geschichte oder Lage zugewiesen, eine besondere Aufgabe, wie es etwa in der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg heißt. Sie tragen zur Deckung „des wirtschaftlichen Bedarfs aller“ bei, dabei gewahr, dass die natürlichen Lebensgrundlagen unter besonderem Schutz stehen. Die Häfen am Standort Deutschland versorgen Europa, ermöglichen den wichtigen Außenhandel und bilden eine unverzichtbare Grundlage für unseren Wohlstand. Der Bund und die 16 Länder sollten dem Erfolg der Häfen am Standort Deutschland dauerhaft höchste Priorität einräumen.

Erfolg der Häfen hängt von Verknüpfung ab

90 Prozent des weltweiten Gütertransports erfolgt über das Wasser. Häfen sind die Schnittstelle zwischen Wasser und Land. Häfen stellen die Verbindung her. Sie sind Teil von Bewegungs-, Transport- und Wertschöpfungsketten. Häfen sind dann erfolgreich, wenn die Verknüpfung gut gelingt, wenn sie zur Wertbildung an Land und zur See beitragen. Ihr eigener wirtschaftlicher Erfolg hängt zugleich davon ab, dass ihr Umfeld optimal ausgestaltet ist. Dem größtmöglichen Erfolg der deutschen Häfen als Bindeglied zwischen Land und Wasser sowie als wert bildender Wirtschaftszweig muss die Nationale Hafenstrategie 2030 gewidmet sein.

Mit rund 20 Seehafenstandorten an Nordsee und Ostsee, mit über 150 großen und kleinen Firmen, die dort den Umschlag von alldem erledigen, was wir brauchen, verbauen und verkaufen, haben wir einen starken und resilienten Unterbau für die deutsche und europäische Wirtschaft. Wir brauchen einen gesunden Wettbewerb der Standorte und Unternehmen, um Effizienz und Innovation zu gewährleisten. Leitmotive der Nationalen Hafenstrategie sind Wettbewerb und soziale Marktwirtschaft als Treiber für Nachhaltigkeit, Effizienz und Innovation.

Die Nationale Hafenstrategie muss Antworten und Lösungskonzepte für folgende Handlungsfelder finden:

• Häfen zu nachhaltigen Knotenpunkten der Energiewende entwickeln

• Wettbewerbsfähigkeit des Hafenstandorts Deutschland stärken

• Potenziale der Digitalisierung, Automatisierung und Innovationen ausschöpfen

• Ausbildung und Beschäftigung zukunftsfähig gestalten

• Verkehrs- und Kommunikationsinfrastruktur bedarfsgerecht erhalten und ausbauen

Wenig Ehrgeiz in den Ministerien

Für uns als ZDS ist das Ziel klar: In einem gesunden Wettbewerb der Standorte und Unternehmen werden die Seehäfen der Zukunft emissionsärmer, digitaler und leistungsfähiger sein. Unsere Seehafenbetriebe werden ihre Angebotspaletten vom Standort Deutschland aus verbreitern und vertiefen. Die Hafenwirtschaft wird neuartige Umschlags-, Transport- und Informationstechnologie einsetzen und zusätzliche Handelsrouten bedienen. Neue Berufsbilder werden entstehen. Mit Flankierung aus der Politik wird die Hafenlogistik Arbeitsplätze schaffen und es ermöglichen, dass Deutschland und Europa am langfristig wachsenden Welthandel teilhaben können.

Vor über einem Jahr fand in Berlin der öffentlichkeitswirksame Startschuss für die Erarbeitung der Nationalen Hafenstrategie statt. Seitdem haben verschiedene Arbeitskreise und -Gruppen getagt, Meinungen und Ideen wurden ausgetauscht. Heute, wenige Wochen vor dem geplanten Beschluss im Kabinett, liegt noch kein Entwurf auf dem Tisch. Eine Statuskonferenz in diesem Sommer brachte wenig neue Erkenntnisse und auch die bisherigen Ankündigungen im Vorfeld der Nationalen Maritimen Konferenz versprechen in dieser Hinsicht wenig. Während Kanzler und Vize-Kanzler nach Bremen kommen, sucht man den Bundesverkehrsminister im Programm für beide Tage vergeblich. Auch beim Panel zur Hafenstrategie ist die Hausspitze des BMDV nicht vertreten.

Wo ein Wille, da ein Weg

Neben politischer Aufmerksamkeit mangelt es bei der Hafenstrategie auch an Tatendrang und Ehrgeiz. Es gibt viele gute Ideen und Konzepte, doch wenig Verbindliches, geschweige denn konkrete Finanzierungszusagen. Nirgends zeigt sich das so deutlich wie bei den jährlichen Zahlungen des Bundes an die Küstenländer, die für die Hafeninfrastrukturen zuständig sind. Die bislang jährlichen 38 Millionen Euro muten angesichts der enormen Bedarfe bei Sanierung, Ausbau und Ertüchtigung lächerlich an.

Die von den Küstenländern und ZDS in der „Bremer Erklärung“ geforderte Verzehnfachung dieser Mittel für die Länder ist angesichts der Bedarfe in Milliardenhöhe ein Minimalziel, von dem übrigens die Seehafenbetriebe nur mittelbar profitieren. Selbst bei diesem Minimalziel sieht es bislang sehr schlecht aus. Im Haushaltsentwurf für kommendes Jahr ist nichts davon zusehen, bislang bleibt es bei Lippenbekenntnissen und Verweisen auf formelle Bedenken. Wo ein Wille, da ein Weg, davon ist hier nichts zu spüren.

Der im Koalitionsvertrag abgesprungene Tiger befindet sich noch im Flug, ist aber noch nicht ganz als Bettvorleger gelandet. Angesichts der Bedeutung für Industrie, Volkswirtschaft, Arbeitsplätze, Versorgungssicherheit, Exporte und Energiewende wäre ein Scheitern der Nationalen Hafenstrategie fatal. Die Nationale Maritime Konferenz ist vielleicht die letzte Möglichkeit, die Nationale Hafenstrategie bis zum Jahresende noch ins richtige Fahrwasser zu bringen. 

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