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Standpunkte Wasserstoff, Ammoniak oder Methanol – was ist am besten?

Marc Sens
Marc Sens, Fachbereichsleiter Research & Technology bei IAV Foto: IAV

Selbst wenn wir davon ausgehen, dass bis 2035 ein Viertel der weltweiten Fahrzeugflotte elektrisch betrieben wird und der Strom dafür vollständig erneuerbar ist, bleibt der Bedarf an Energie in Molekülform enorm. Eine Studie des Entwicklungsdienstleisters IAV, die heute auf dem Wiener Motoren-Symposium vorgestellt wird, vergleicht grünen Wasserstoff, Ammoniak und Methanol.

von Marc Sens

veröffentlicht am 16.05.2025

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In der heutigen Zeit, in der der Klimawandel eine der größten Herausforderungen darstellt, ist die Reduktion von Treibhausgasemissionen von entscheidender Bedeutung. Dabei fällt dem Transportsektor und hier insbesondere dem Straßenverkehr eine entscheidende Rolle zu. Viele Optionen stehen zur Verfügung, doch Europa konzentriert sich seit Jahren auf nur eine einzelne technische Lösung.

Kein Zweifel: Solange sich die CO2-Intensität unserer Stromproduktion reduziert, hat die Elektromobilität aufgrund der hohen Antriebseffizienzen und des dann sauberen Stroms ein großes Potenzial, den Energieverbrauch sowie die Treibhausgasemissionen erheblich zu reduzieren. Das kann aber nur funktionieren, solange die auf den Straßen fahrende Fahrzeugflotte über eine große Durchdringung mit batterieelektrischen Antrieben verfügt. Und genau hier liegt ein Problem der Fokussierung auf eine einzelne Technologie.

Selbst wenn wir optimistisch davon ausgehen, dass bis 2035 ein Viertel der weltweiten Fahrzeugflotte elektrisch betrieben und angenommen wird, dass der dafür benötigte Strom vollständig erneuerbar ist, bleibt der Bedarf an fossilen Energien enorm. Werden öffentlich verfügbare Daten seriöser Institutionen wie der Internationalen Energieagentur (IEA), der Weltbank und anderer ausgewertet und mit Prognosen zur Entwicklung des Straßenverkehrs übereinandergelegt, wird deutlich, dass auch bei einer Durchdringung mit 25 Prozent batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) immer noch etwa 26.000 Terawattstunden (TWh) Energie aus fossilen Quellen benötigt werden.

Entscheidend ist der Wirkungsgrad der Gesamtkette

Dies ist gegenüber einem prognostizierten Gesamtbedarf im Straßenverkehr von rund 29.000 TWh ein erheblicher Anteil. Und wie können diese 26.000 TWh nun regenerativ in den Verkehr eingebracht werden, nur mit Hilfe regenerativer Kraftstoffe synthetischen oder biologischen Ursprungs?

Neben biologischen Kraftstoffen sowie synthetischem Diesel und Benzin, die uneingeschränkt in fossile Kraftstoffe eingemischt werden oder diese auch substituieren können, sind Wasserstoff, Methanol und Ammoniak drei vielversprechende erneuerbare Kraftstoffe, die in der Diskussion um die Zukunft des Straßenverkehrs und des Transportsektors allgemein eine zentrale Rolle spielen. Doch welcher dieser Kraftstoffe ist besonders vielversprechend?

Kriterien sind dabei vor allem deren Eigenschaften bei der Verbrennung in einem Verbrennungsmotor, also Emissions- und Wirkungsgradniveau, Speicher- und Transportfähigkeit, Energieaufwand bei der Herstellung sowie deren Kosten. Von entscheidender Bedeutung ist dabei aber der Wirkungsgrad der Gesamtkette, von der Bereitstellung des erneuerbaren Stroms bis zur Umsetzung des erzeugten synthetischen Energieträgers im Verbrennungsmotor.

Eine Studie von IAV (Entwicklungsdienstleister im Automobil- und Energiesektor), heute vorgestellt auf dem 46. Wiener Motoren-Symposium, hat den Lebenszyklus dieser Kraftstoffe untersucht. Ziel ist es, den Wirkungsgrad von der Energieerzeugung bis zur Nutzung im Fahrzeug zwischen Wasserstoff, Methanol und Ammoniak vergleichen sowie anhand dieser Daten den gesamten Produktionsprozess und deren Nutzung optimieren zu können. Darüber hinaus können die so gewonnenen Daten auch eine Entscheidungsfindung für die Festlegung auf einen dieser Energieträger unterstützen.

Grundlage der Studie ist ein physico-chemischer digitaler Zwilling der Produktionsprozesse aller drei Kraftstoffe, der dafür bei IAV entwickelt wurde. Neben jedem einzelnen Produktionsschritt, von der Wasserstoffherstellung mit verschiedenen Elektrolyseverfahren, der Stickstoffabscheidung für die Herstellung von Ammoniak über die Syntheseverfahren zur Produktion von Ammoniak und Methanol, werden auch unterschiedliche Kohlenstoffabscheideverfahren sowie Transportoptionen und Speichertechnologien detailliert analysiert.

Um auch die Nutzungsphase der Kraftstoffe bewerten und optimieren zu können, wurden spezifische phänomenologische Verbrennungsmodelle für die drei vorgenannten Kraftstoffe bei IAV entwickelt. Mit deren Hilfe ist es möglich, optimale Konfigurationen der Verbrennungsmotoren zu definieren, wodurch der Energieinhalt der Kraftstoffe so effizient wie möglich in mechanische Energie am Rad gewandelt werden kann.

Ammoniak liegt vorn

Die Studie zeigt, dass ein mit Ammoniak betriebener Motor im Vergleich zu solchen mit Methanol und Wasserstoff betriebenen einen deutlich höheren Wirkungsgrad erreicht. Dies ist in den spezifischen Kraftstoffeigenschaften begründet. Mit Ammoniak erreicht der Motor einen maximalen effektiven Spitzen-Wirkungsgrad von etwa 48 Prozent, was über dem Niveau von Dieselmotoren liegt.

Bei Betrieb mit Methanol werden im gleichen Sechszylinder-Nutzfahrzeugmotor mit zwölf Liter Hubraum etwa 47 Prozent erreicht. Trotz vieler wirkungsgradsteigernder Eigenschaften, wie zum Beispiel der hohen laminaren Flammengeschwindigkeit, kann mit Wasserstoff in einem Motor mit Direkteinblasung und vorgemischter Verbrennung nur ein Wirkungsgrad von rund 41 Prozent erreicht werden.

Die drei sehr unterschiedlichen Wirkungsgradpotenziale werfen nun die Frage auf, ob der Kraftstoff, der bei seiner Nutzung die höchsten Wirkungsgrade erreichen lässt, auch mit dem geringsten Aufwand zu produzieren sowie zu transportieren und verteilen ist.

Wird von einer Produktion und auch Nutzung der drei Kraftstoffe in Deutschland, zum Beispiel Berlin, ausgegangen, so zeigt sich, dass die Herstellung von Wasserstoff aus erneuerbarem Strom bis zur Bereitstellung an der Tankstelle mit der höchsten Effizienz erfolgt. Bei optimiertem Gesamtprozess wird ein Wirkungsgrad von 52 Prozent erreicht, während Ammoniak mit circa 44 Prozent und Methanol mit circa 43 Prozent Wirkungsgrad produziert werden können. Werden die motorischen Wirkungsgrade inkludiert, dann erreichen Wasserstoff und Ammoniak jeweils circa 21 Prozent Gesamteffizienz und Methanol rund 20 Prozent.

Da in Deutschland absehbar nicht genügend regenerative Stromproduktion erfolgen wird, sind Energieimporte aus Regionen mit hohem regenerativen Strompotenzial unausweichlich.

Verflüssigung von Wasserstoff kostet viel Energie

Wird insofern nun der Produktionsstandort, bei gleichem Nutzungsstandort, von Berlin nach Agadir in Marokko verlegt, so ergibt sich ein völlig anderes Ranking als bei lokaler Produktion. Wasserstoff kann nur noch mit einer Effizienz von circa 17 Prozent produziert und genutzt werden, während Ammoniak und Methanol jeweils noch um rund einen Prozentpunkt zulegen können.

Zurückzuführen ist das auf die hohe Energiemenge, die für die Verflüssigung von Wasserstoff nötig ist. Immer wenn keine Pipelineverbindung vorhanden ist, muss für den Schiffstransport diese Verflüssigung gewählt werden. Es zeigen sich also je nach Produktionsstandort große Unterschiede, und das gilt auch zum Beispiel für den Einsatz verschiedener Elektrolyse- oder Kohlenstoffabscheideverfahren. Detaillierte Ergebnisse können in der Veröffentlichung von IAV nachgelesen werden.

Auch wenn die aufgezeigten Differenzen klein erscheinen, so bedeuten sie aber einen großen Unterschied in der Anzahl errichteter Anlagen zur Produktion grünen Stroms. Da diese bei ihrer Errichtung ein erhebliches CO2e-Potenzial mit sich bringen, ist der Produktionsstandort von entscheidender Bedeutung. Da die sogenannten Kapazitätsfaktoren von Anlagen zur Produktion erneuerbarer Energie in Regionen mit hohem regenerativem Energiepotenzial circa zwei- bis dreimal höher als in Mitteleuropa sind, ist mit der Hälfte beziehungsweise einem Drittel der Anlagenanzahl die gleiche Menge Energie beziehungsweise Kraftstoffe produzierbar.

Das somit aufgrund geringerer Anlagenbauten vorhandene CO2e-Reduktionspotenzial bedeutet einen immensen Geschwindigkeitsvorteil in der Transformation hin zur Nutzung erneuerbarer Energien im Transportsektor. Aufgrund solcher Schlussfolgerungen sollen und müssen Ergebnisse wie diese aus der IAV-Studie genutzt werden, um Entscheidungen über die zukünftige Energieversorgung des Transportsektors zu treffen.

Fazit: Für die schnellste Reduktion der Treibhausgasemissionen im Verkehrssektor, auch und insbesondere im Straßenverkehr, werden synthetische Kraftstoffe umfassend und umgehend benötigt.

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