Die Mobilitätswende nimmt an Fahrt auf. In den kommenden Jahren werden wir immer mehr Fahrzeuge mit Batteriebetrieb auf den Straßen sehen. Die Entscheidung scheint gefallen: Bei den Personenkraftwagen hat sich der Akku durchgesetzt – das Wasserstoff-betriebene Auto bleibt beim Pkw ein Nischenprodukt und kommt höchstens beim Lkw stärker zum Einsatz. Ganz anders in der Bahnindustrie: Hier kann man es sich gar nicht leisten, auf eine der neuen Technologien zu verzichten. Die Bahnindustrie denkt anders – und ist damit vielleicht etwas weitsichtiger unterwegs.
Nach der Energieerzeugung und der Industrie ist der Verkehrssektor mit 20 Prozent in Deutschland die Nummer drei in Sachen CO2-Ausstoß. Und auch die ansonsten als recht umweltfreundliche gewertete Eisenbahn ist – mit Ausnahme der Schweiz – noch ein Stück vom Idealzustand entfernt. Immer noch fährt beinahe jeder vierte Zug in Deutschland mit fossilem Diesel. Der Zugverkehr verursacht rund ein Fünftel der Feinstaubemissionen in Deutschland. Hintergrund: Da in Deutschland nur rund 60 Prozent der Strecken elektrifiziert sind, werden auch Dieselfahrzeuge eingesetzt.
Genau diese Lücke muss geschlossen werden, um die Verkehrswende zu schaffen und um den Klimawandel effektiv zu bekämpfen. Die Bundesregierung will deshalb bis 2030 rund 75 Prozent der Strecken elektrifizieren. Und der Rest? Da stellt sich nach einer möglichen weiteren Elektrifizierung die Frage: Wasserstoff- oder Batteriezüge. Was ist die bessere Lösung?
Auf der Schiene braucht es beide Antriebsarten
Anders als im Automobilsektor lautet die klare Antwort: Es braucht beide Antriebsarten, denn beide haben auf der Schiene ihre Vor- und Nachteile. Batteriezüge haben mit aktuell 80 bis 150 Kilometern eine geringere Reichweite als Wasserstoff-Fahrzeuge. Allerdings fahren sie im Regelfall einen guten Teil ihres Fahrplans auf elektrifizierten Streckenabschnitten und nutzen dort die Oberleitung, um gleichzeitig ihre Batterien zu laden. Damit sind sie klassische elektrische Züge, die nur dort, wo die Oberleitung endet, batterieelektrisch weiterfahren. Zusätzlich können Sie an stationären Ladestationen wie zum Beispiel Endbahnhöfen laden.
Wasserstoffzüge hingegen haben mit 600 bis 1000 Kilometern eine deutlich größere Reichweite, dennoch muss für sie erst eine Tankinfrastruktur aufgebaut werden. In der Regel wird der Wasserstoff mit Diesel-Lkw zu diesen Tankstellen transportiert. Bei der Betrachtung der Energieeffizienz liegt im Schienenverkehr die Batterie vorn. Von 100 Prozent verfügbarer Primärenergie bleiben beim Oberleitungsbetrieb rund 75 Prozent für die Leistung am Rad, im Batteriebetrieb sind es knapp 70 Prozent, nach Elektrolyse, Kompression und Rückumwandlung stehen beim Wasserstoffzug noch 25 Prozent der Primärenergie für den Antrieb zur Verfügung.
Es kann also gar nicht um die Frage gehen, was besser oder schlechter ist. Denn es kommt schlichtweg auf Netz und Strecke an, also auf den genauen Bedarf. Natürlich wäre es ideal, wenn wie in der Schweiz – da am umweltfreundlichsten – alle Strecken elektrifiziert würden. Doch dieser Investitionsaufwand ist kaum auf die Schnelle zu stemmen, kostet es durchschnittlich rund eine Million Euro, einen Kilometer Eisenbahnstrecke zu elektrifizieren. In Ländern wie den USA, wo bisher weniger als ein Prozent der Eisenbahnlinien eine Oberleitung haben, liegt deshalb aktuell Wasserstoff auf der Schiene vorn.
Keine Möglichkeit für klimafreundlichere Antriebe liegen lassen
Dass beide Möglichkeiten ihre natürliche Einsatznotwendigkeit haben, hat die Bahnindustrie übrigens früh erkannt. Daher hat sie auch die Entwicklung beider Antriebsarten mit Erfolg vorangetrieben. Mit den beiden Technologiepfaden sind dem Verkehrssektor zwei innovative Instrumente an die Hand gegeben, die uns die Möglichkeit verschaffen dem Klimawandel entgegenzutreten und die Verkehrswende zu beschleunigen.
Wenn wir in Deutschland einen nachhaltigen und ökologischen Verkehrsbereich schaffen wollen, dann ist es notwendig, alle technischen Ressourcen und das „Knowhow“ unserer Ingenieure zu bündeln und effizient, je nach den örtlichen Gegebenheiten, einzusetzen. Auch die staatliche Förderpolitik sollte dieses Ziel verfolgen. Ein exklusiver Ansatz für nur eine alternative Antriebsform führt uns schnell an Grenzen. Das ist nicht zielführend. Wir sollten vielmehr alle Technologien im Auge behalten, die die Menschheit weiterbringen können.