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Standpunkte Zu viel Geld für zu wenig Wirkung

Carolin Schenuit
Carolin Schenuit
Matthias Runkel
Matthias Runkel
Carolin Schenuit, geschäftsführende Vorständin, und Matthias Runkel, Leiter für Verkehrs- und Finanzpolitik beim Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft Foto: promo

Die Bundesregierung will mit steuerlichen Anreizen den Markthochlauf der Elektromobilität fördern. Dafür verändert sie die Dienstwagenbesteuerung sowie Abschreibungsregeln für E-Autos. Beide Instrumente könnten zu mehr Klimaschutz im Verkehr beitragen. Die geplanten Änderungen nutzen dieses Potenzial jedoch nicht und sind viel teurer als nötig. Wirksame Förderpolitik geht anders, wie zahlreiche Beispiele aus unseren Nachbarländern zeigen.

von Carolin Schenuit & Matthias Runkel

veröffentlicht am 04.07.2025

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Die Pläne der neuen Bundesregierung für die E-Mobilität klingen bisher wenig kreativ: Die steuerliche Förderung für elektrische Dienstwagen wird auf Fahrzeuge mit bis zu 100.000 Euro Bruttolistenpreis ausgeweitet (zuvor: 70.000 Euro). Warum der Absatz derart teurer Fahrzeuge steuerlich befördert werden muss, bleibt unklar. Hier steht offenbar weniger der Nutzen für die Allgemeinheit im Zentrum als die Passgenauigkeit zur Angebotspalette deutscher Hersteller.

Bei der üblichen Haltedauer von drei Jahren bringt die Änderung bis zu 12.000 Euro pro Fahrzeug mehr Steuervorteil als die Dienstwagenbesteuerung für Verbrenner. Dienstwagen bekommen vor allem Personen aus den einkommensstärksten drei Prozent der Bevölkerung. Mit der neuen Regelung wird also noch mehr als zuvor von unten nach oben umverteilt. Dabei sind schon heute viele E-Autos günstiger, wenn man alle Kosten berücksichtigt. Die Maßnahmen werden also vor allem zu hohen Mitnahmeeffekten bei Herstellern und Nutzern führen.

Zusätzlich wird eine Sonderabschreibung von 75 Prozent im Anschaffungsjahr eingeführt. Profitable Unternehmen können damit ihre Steuerlast senken, allerdings nur beim Kauf eines E-Autos, nicht beim Leasing. 80 Prozent der gewerblichen E-Autos werden aktuell aber geleast. Warum und mit welcher Wirkung man an dieser Stelle umsteuern möchte, bleibt ebenfalls unklar. Eine passende Rahmensetzung für die Sonderabschreibung könnte dabei helfen, erschwingliche E-Autos in die Nutzung und dann in den Gebrauchtwagenmarkt zu bringen, zum Beispiel durch eine Preisobergrenze.

Kosten und Nutzen genauer bilanzieren

Mit klareren Maßnahmen und mehr Mut auch zu Push-Maßnahmen könnte die Bundesregierung zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: E-Autos endlich in die Breite bringen und die deutschen Hersteller dabei unterstützen, ein zukunftsfähiges Produktportfolio bereitzustellen. Dabei sollte sie sich an den eigenen subventionspolitischen Leitlinien orientieren.

Kosten-Nutzen-Aspekte müssen berücksichtigt und die Maßnahmen regelmäßig evaluiert werden; neue Subventionen sollten vor allem als Finanzhilfen und nicht als Steuervergünstigungen gewährt werden; und sie sollten von Vornherein gegenfinanziert sein. Zudem sollte die Förderung an klaren Bedarfen (zum Beispiel Klimaschutzwirkung, Verteilungswirkung) gestaltet sein und nicht exklusiv für Dienstwagen und Unternehmensflotten gelten.

Kosten-Nutzen-Bilanz verbessern: Besonders viel Effekt hätte es, wenn endlich die Förderung von Plugin-Hybriden (PHEV) gestrichen würde. Das würde die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 mehr als halbieren und die Subventionskosten für Dienstwagen stark reduzieren. Derzeit beträgt das Subventionsvolumen cirka 3,5 bis 5,5 Milliarden Euro pro Jahr für Verbrenner-Dienstwagen und 1,5 Milliarden Euro für E- und PHEV-Dienstwagen (darunter rund 40 Prozent für PHEV).

Ohne zusätzliche Kosten: Die Elektro-Subvention könnte gerechter gegenfinanziert werden, indem innerhalb der Dienstwagenbesteuerung nach CO2-Wert gewichtet würde. Dann fallen für Verbrenner-Dienstwagen höhere Steuern an und die Vergünstigung für E-Autos kann von Vornherein geringer ausfallen. Gleiches gilt für die Abschreibungen: Neben der Pull-Maßnahme hin zum E-Auto braucht es auch einen Push weg vom Verbrenner. Dazu könnten die Abschreibungsmöglichkeiten sukzessive eingeschränkt werden, zum Beispiel in Abhängigkeit des CO2-Werts des Fahrzeugs.

Fehlende Evaluation: Die Kfz-Steuerbefreiung für E-Autos bis 2030 hat wenig Effekt, wird aber noch viel kosten: 0,15 Milliarden Euro im Jahr 2024, mit steigender Tendenz, je schneller die Elektrifizierung voranschreitet. Die im Koalitionsvertrag noch geplante Verlängerung bis 2035 und die Senkung der Stromsteuer werden wohl mangels Finanzierung nicht kommen. Für eine klare und gezielte Förderpolitik sind diese Steuervergünstigungen auch nicht nötig.

Kein Push in Sicht: Was im deutschen Policy Mix auch noch komplett fehlt, ist eine CO2-basierte Neuzulassungssteuer. Das Instrument entfaltet einen klaren Anreiz weg vom Verbrenner. Gleichzeitig schafft es die Gegenfinanzierungsspielräume für sinnvolle und nötige Finanzhilfen, zum Beispiel temporärer Kauf- oder Leasing-Zuschüssen für Neu- und Gebrauchtwagen und besonders für Menschen mit weniger Einkommen. Mit klugen fahrzeug- und personenbezogenen Förderkriterien kann deutlich zielgenauer, bedarfsorientierter und kosteneffizienter subventioniert werden.

Blick ins Ausland: Es geht besser

Der Blick ins Ausland zeigt, dass all das möglich ist. Als in Deutschland 2024 mit dem Ende der Kaufprämie der Anteil von E-Autos an den Neuzulassungen von 18 Prozent auf 14 Prozent fiel, stieg er in Belgien von 20 Prozent auf 28 Prozent. Das lag unter anderem an einer Reform von Dienstwagenbesteuerung und Abschreibungsregeln.

Im starken Kontrast zur Reform in Deutschland, wurde dort aber vor allem der Push erhöht: Die CO2-Komponente bei der Berechnung des geldwerten Vorteils wurde verschärft und der Arbeitgeber zahlt eine zusätzliche Abgabe in Abhängigkeit vom CO2-Wert. Abschreibungen für Verbrenner-Pkw und PHEV sind ab 2026 gar nicht mehr möglich.

Auch eine Neuzulassungssteuer existiert in fast allen EU-Ländern. Besonders großen Reformwillen bewiesen die Niederlande. Dort wurde die Neuzulassungssteuer in den letzten 15 Jahren in Abhängigkeit vom CO2-Wert sukzessive stark erhöht. Das Ergebnis: CO2-intensive Verbrenner werden dort kaum noch gekauft. Der Anteil der Neuzulassungen mit einem CO2-Ausstoß von über 160g/km lag 2023 bei 1,6 Prozent. In Deutschland waren es 16 Prozent.

Politikanreize und zielgenauer Förderrahmen

Und auch für Finanzhilfen mit bedarfsorientierten fahrzeug- und personenbezogenen Förderkriterien gibt es Beispiele. Frankreich hat eine Zulassungssteuer, die dezidiert Kaufprämien für E-Autos finanziert (Bonus-Malus-System). Für die untere Einkommenshälfte gibt es Zuschüsse zum E-Auto-Leasing.

Italien hat eine Kaufprämie für E-Autos, deren Höhe vom Einkommen abhängt. Die Niederlande bezuschussen Kauf und Leasing. In Spanien gibt es Zuschüsse für Menschen mit eingeschränkter Mobilität und in Abhängigkeit vom Wohnort (als Indikator für die Verfügbarkeit des ÖPNV). In Schottland gibt es zinslose Darlehen für gebrauchte E-Autos in Abhängigkeit von Einkommen, Größe des Wohnorts und Fahrzeugpreis.

Man sieht: Klare Politikanreize und ein zielgenauer Förderrahmen sind möglich, auch in Ländern mit deutlich kleineren fiskalischen Spielräumen als Deutschland.

Die aktuelle E-Mobilitätsförderung der Bundesregierung begünstigt vor allem Wohlhabende und Unternehmen, während klare Lenkungsimpulse für den Massenmarkt fehlen. Statt vor allem teure Dienstwagen zu subventionieren, braucht es gezielte, sozial gerechte Anreize für klimafreundliche Mobilität, inklusive Push-Maßnahmen weg vom Verbrenner. Ein Blick ins Ausland zeigt: Es geht wirksamer, fairer und effizienter – auch mit weniger Geld.

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