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Digitalisierung & KI

Standpunkte An Weiterbildung kommen wir nicht vorbei

Diana Blaum vom internationalen Weiterbildungsinstitut Ironhack
Diana Blaum vom internationalen Weiterbildungsinstitut Ironhack Foto: Ironhack

Der IT-Fachkräftemangel ist ein riesiger Bremsklotz für den digitalen Fortschritt in Deutschland, meint Diana Blaum. Doch um den Mangel zu beheben dürfe man nicht nur auf Zuwanderung und klassische Bildungswege setzen. Vielmehr müsse das vielfältige Weiterbildungsangebot aufgewertet und als Ansatz verstanden werden, Arbeitskräfte schnell und flexibel zu qualifizieren. Dafür trage nicht nur die Politik Verantwortung, sondern auch die Wirtschaft.

von Diana Blaum

veröffentlicht am 06.02.2023

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Made in Germany gilt als Gütesiegel. Noch. Die deutsche Wirtschaft ist bekannt für ihr produzierendes Gewerbe, für ihre Autobauer und deren Zulieferer. Beim Blick auf die Digitalwirtschaft hält sich die Begeisterung hingegen in Grenzen. Schließlich gehört es fast schon zum guten Ton, sich über den Stand der Digitalisierung in Deutschland zu amüsieren. Vergleichsindikatoren wie der DESI-Index bestätigen die allgemeine Wahrnehmung und belegen, dass sich Deutschland in Sachen Digitalisierung europaweit bestenfalls im Mittelfeld bewegt.

Ein großer Bremsklotz für den digitalen Fortschritt ist hierzulande der IT-Fachkräftemangel. Selbst wenn die deutsche Wirtschaft in Zukunft einen Digital-First-Ansatz verfolgen sollte, fehlen dafür qualifizierte Arbeitskräfte. Neben dem Abbau von Hürden für den Zuzug von Fachkräften aus dem Ausland müssen sich Politik und Wirtschaft deshalb vor allem einer Aufgabe annehmen: der Reform unseres (Weiter-)Bildungssystems.

Weiterbildung für die Wirtschaft und den Arbeitsmarkt von morgen

Denn das derzeitige System ist auf die Wirtschaft von gestern zugeschnitten. Wir bewegen uns starr und analog zwischen Studium und Berufsausbildungen und wollen so für eine digitale und dynamische Zukunft ausbilden. Ein berufsqualifizierender Abschluss erscheint mittlerweile nicht mehr als ein Sprungbrett ins Arbeitsleben, sondern eher als Selbstzweck nach dem Motto: Hauptsache studiert, hauptsache eine abgeschlossene Ausbildung. Praxisbezug: Fehlanzeige.

Die Digitalisierung hat bereits viele Lebensbereiche völlig verändert, in der Bildung ist diese Veränderung allerdings kaum angekommen. Um das zu ändern, brauchen Bildungsangebote jenseits des klassischen Studiums oder der Berufsausbildung einen besseren Ruf. Weiterbildungen sollten als Ansatz verstanden werden, um schnell und flexibel Arbeitskräfte zu qualifizieren. Die Angebote sind vielfältig, gemein ist ihnen jedoch: Beim Blick in den Lebenslauf werden sie häufig belächelt und im Vergleich mit Studium oder Ausbildung als unbedeutend abgetan. Der Vergleich hinkt. So sollen etwa Weiterbildungen in der IT-Branche eben nicht denselben Wissensstand wie ein Informatik-Studium aufbauen, sondern pragmatisch die praktischen Fähigkeiten vermitteln, die für eine Beschäftigten in der Digitalwirtschaft nötig sind.

Eine höhere Wertschätzung für Weiterbildungen führt auch zu mehr Gerechtigkeit auf dem Arbeitsmarkt. Denn insbesondere niederschwellige Formate jenseits des klassischen Bildungswegs eröffnen Wege für Bevölkerungsgruppen, die in der IT-Branche bislang kaum Fuß fassen konnten. Dazu gehören körperlich eingeschränkte Menschen, Personen mit weiblich gelesenen Namen, mit Migrationshintergrund oder solche, die nicht aus einem Akademikerhaushalt stammen. Anders gesagt: Weiterbildungen eröffnen den Zugang zu den Fachkräften der Zukunft.

Politik und Wirtschaft in der Verantwortung

Es braucht also eine Reform des (Weiter-)Bildungssystems und die Verantwortung dafür trägt nicht allein die Politik. Die Reaktionen auf den Vorstoß von Arbeitsminister Hubertus Heil, eine teilweise vergütete Bildungszeit ähnlich der Bildungskarenz in Österreich einzuführen, die Beschäftigte bis zu einem Jahr in Anspruch nehmen können, zeigen, dass sich auch in der Wirtschaft was tun muss. Denn Gegenwind kommt nicht nur aus dem Finanzministerium, sondern auch von den Wirtschafts- und Handwerksverbänden, die unter anderem den bürokratischen Aufwand und die Benachteiligung von Geringverdienenden kritisieren.

Scheitern die Ambitionen der Politik also an der Realität in der Wirtschaft? Nicht notwendigerweise. Ein Konsens von Wirtschaft und Politik bei der Anerkennung und der Finanzierung von Weiterbildungsmaßnahmen ist möglich und nötig.

Bei der Anerkennung geht es etwa um die Akkreditierung unterschiedlicher Anbieter und Formate: Welche Bewertungsmaßstäbe werden angelegt – die Dauer, das Curriculum, der Praxisbezug? Zudem geht es um die Vergleichbarkeit mit regulären Abschlüssen, für die insbesondere HR- und Fachabteilungen in Unternehmen sensibilisiert werden müssen. Bei der Finanzierung steht die Politik vor der Frage, woher das Geld für eine anteilige Entgeltfortzahlung kommen soll. Zwischen Beschäftigten und Arbeitgebern ist offen, wer die Kosten der Weiterbildung trägt und wie für Geringverdiener:innen der Verdienstausfall kompensiert werden soll.

Kritische Stimmen fragen jetzt vielleicht: Lohnt sich der Aufwand überhaupt? Die Antwort ist simpel, er muss sich lohnen. Ein „Weiter so“ kann es nicht geben, denn der Fachkräftemangel spitzt sich insbesondere in der IT-Branche seit Jahren unaufhörlich zu. Darauf gibt es keine einfache Antwort, sonst hätten wir sie schon gefunden. Weiterbildung sollte aber ein Teil der Antwort sein – und dazu müssen Politik und Wirtschaft an einem Strang ziehen.

Diana Blaum ist seit Ende 2020 als Growth Lead bei dem internationalen Weiterbildungsinstitut Ironhack tätig und verantwortet in dieser Funktion die Steigerung des unternehmerischen Wachstums.

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