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Digitalisierung & KI

Standpunkte Das digitale Rathaus für Zuhause

Patrick Burghardt (Foto: Salome Roessler)
Patrick Burghardt (Foto: Salome Roessler) Foto: Salome Roessler

Behördengänge bequem mit Handy oder Laptop erledigen: Bis 2022 soll das mit dem OZG möglich sein. Doch dafür müssen Bund, Länder und Kommunen an einem Strang ziehen, sagt Patrick Burghardt, CIO von Hessen.

von Patrick Burghardt

veröffentlicht am 23.07.2019

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Schlange stehen „auf dem Amt“ – in Zeiten, wo gefühlt fast alles über das Internet erledigt werden kann, ein nicht mehr akzeptabler Zustand. Um künftig – unabhängig von Zeit und Ort – zum Beispiel einen neuen Ausweis oder einen Anwohnerparkausweis online beantragen zu können, wird auf allen föderalen Ebenen mit Hochdruck an der Digitalisierung der Verwaltung gearbeitet. Die Digitalisierung wird nicht nur die Gesellschaft fundamental verändern, sondern die deutsche Verwaltung, geprägt von Föderalismus und kommunaler Selbstverwaltung mit mehr als 200 Jahren, epochal neu aufgestellt – zum Nutzen der Bürgerinnen und Bürger. 

Mangel an E-Government-Angeboten

Ziel der gemeinsamen Anstrengungen ist es, quasi das digitale Rathaus nach Hause zu bringen. „Behördengänge“ sollen einfach und bequem rund um die Uhr vom heimischen Computer oder gar mobil vom Handy aus erledigt werden können. Denn nach einer aktuellen Auswertung des Statistischen Bundesamtes haben im vergangenen Jahr 50 Prozent der Deutschen das Internet für E-Government-Angebote genutzt. Dabei suchten sie vor allem Informationen zu Verwaltungsdienstleistungen. Deutlich Luft nach oben ist jedoch beim Herunterladen von Formularen, was 30 Prozent der Befragten machten, und vor allem bei Zurücksenden von ausgefüllten Formularen, was nur von 16 Prozent genutzt wurde. Eine viel zu niedrige Quote. Doch die Gründe, warum diese Zahl so gering ist, sind nachvollziehbar: Zum einen Sicherheitsrisiken, wenn persönliche Daten online übermittelt werden. Zum anderen aber die schlicht fehlende Möglichkeit seitens der Behörden, Formulare per Internet zurückzusenden. 

Mit dem Onlinezugangsgesetz (OZG) sollen sich Komfort und Service für Bürgerinnen und Bürger und auch Unternehmen deutlich verbessern. Künftig sollen Antragsverfahren einfach, medienbruchfrei, sicher und digital genutzt werden können. Und dies sogar auf einer einheitlichen Plattform, unabhängig von der zuständigen Behörde oder dem jeweiligen Bundesland. Denn eine der wesentlichen Vorgaben des OZG ist die Schaffung eines Portalverbunds bis 2022 für Bund, Länder und Kommunen. Damit sollen das nervige Merken unzähliger Passwörter sowie die Suche nach der zuständigen Verwaltungsstelle entfallen. Stattdessen wird es nur eine einmalige Registrierung für ein Nutzerkonto geben, das dann auf allen föderalen Ebenen gültig ist. 

Hessen als Digital-Vorreiter

Die Digitalisierung ist in Hessen schon frühzeitig mit weitreichenden Entscheidungen vorangetrieben worden. So wurde unter anderem 2003 die erste große E-Government-Strategie begonnen sowie in Folge ein Leitbild „Digitales Hessen“ entwickelt und seitdem kontinuierlich fortgeschrieben. Im gleichen Jahr wurde die Position eines Chief Information Officer (CIO) erstmals in der Bundesrepublik geschaffen. Mit der erstmaligen Berufung einer Ministerin für Digitale Strategie und Entwicklung im Januar 2019 setzt die Hessische Landesregierung einen noch stärkeren Akzent auf die staatlichen und gesellschaftlichen Herausforderungen der Digitalisierung. Erstmals werden alle Digitalaktivitäten, bisher in verschiedenen Ministerien verortet, gebündelt und von einer Stelle aus gesteuert und koordiniert, so dass die Digitalisierung, nicht nur der Verwaltung, zielgerichteter und effizienter vorangetrieben werden kann. Hessen will damit dieses wichtige Thema weiter forcieren und seine bundesweite Vorreiterrolle halten. 

Die Bedeutung der Digitalisierung insgesamt, aber auch die der Verwaltung im Speziellen, kann nicht hoch genug eingeschätzt werden. Bürgerinnen und Bürger haben inzwischen eine Erwartungshaltung, sich zunehmend als Kundinnen und Kunden von Behördendienstleistungen zu verstehen und entsprechend die Verwaltung als Dienstleister. Gerade unternehmens- und bürgernahe Dienstleistungen sind ein entscheidender Erfolgsfaktor, weil darüber die Verwaltung als ein moderner und effizienter Dienstleister – oder eben nicht – wahrgenommen wird. Die Möglichkeit, vieles von zu Hause zu erledigen und nicht mehr Urlaub nehmen zu müssen, um persönlich bei einer Behörde vorstellig werden zu müssen, erfüllt diese Erwartungshaltung. Daher ist es umso wichtiger, dass alle gemeinsam – Bund, Land und Kommunen – ihre Kraft auf ein möglichst rasches Vorankommen konzentrieren. 

FITKO: Bund und Länder ziehen an einem Strang

Die Digitalisierung der Leistungen ist eine große Herausforderung. Denn blickt man beispielsweise auf Hessen, sind es knapp 2.000 Dienstleistungen aller drei Ebenen, die künftig digital verfügbar sein sollen. Daher ist es eine richtige Entscheidung gewesen, dass seit 2010 Bund und Länder alle Fragen des E-Governments im IT-Planungsrat gemeinsam bearbeiten. Um noch effektiver und schneller zu werden und die großen Aufgaben zu bündeln und zu steuern, soll ab 1. Januar 2020 die Föderale IT-Kooperation (FITKO) als zentrale Anlaufstelle geschaffen werden. Mit dieser Anstalt öffentlichen Rechts, die ihren Sitz in Frankfurt am Main haben wird, sollen IT-Projekte bedarfsorientiert, strategisch und stringent vorangetrieben werden. Wenn wir das große Ziel 2022 erreichen wollen, müssen wir jetzt sehr stringent an dem Thema arbeiten. Es gibt nicht wenige Stimmen, die meinen, wir schaffen das nicht. 

Um die Ziele des Onlinezugangsgesetzes zu erreichen, haben sich Bund und Länder zudem die Bearbeitung der unterschiedlichen Themenfelder aufgeteilt. Nur durch diese konstruktive Zusammenarbeit ist es möglich, die Vielzahl, Heterogenität und Komplexität der Verwaltungsleistungen zu bewältigen. Aber nicht nur im bundesweiten Kontext ist eine Kooperation sinnvoll und notwendig. Sondern ebenso im Verhältnis zwischen Land und Kommunen. Daher plant und entwickelt das Land Hessen zentrale Bausteine und stellt diese den Kommunen zur Verfügung. Auf service.hessen.de als einem Baustein für den Portalverbund von Bund und Ländern gibt es zum Beispiel gebündelte Informationen zu allen möglichen Themen, ob zum Studienzugang, zum Hausbau, zu Erbschaften oder zum Fischereischein. Und der „Hessenfinder“ gibt einen Überblick über die zuständigen Stellen – von der Abbruchgenehmigung bis zur Zweitwohnungssteuer. Künftig sollen aber nicht nur Informationen abrufbar sein, sondern Leistungen komplett digital erledigt werden können – unabhängig von Ort, Uhrzeit oder zuständiger Behörde. 

Patrick Burghardt ist Staatssekretär für Digitale Strategie und Entwicklung sowie Chief Information Officer in Hessen. 

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