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Digitalisierung & KI

Standpunkte Digitale Bildung: Eine zukunftsweisende Perspektive

Rainer Busch, Initiator von „Schulen ans Netz“
Rainer Busch, Initiator von „Schulen ans Netz“ Foto: privat

Das Bildungswesen ist auch 2023 noch überwiegend analog. Ohne Informatik als Pflichtfach und digitalen Unterricht wird es in Deutschland keine digitale Zukunftsperspektive geben, schreibt Rainer Busch, Initiator von „Schulen ans Netz“.

von Rainer Busch

veröffentlicht am 09.01.2023

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Die Corona-Pandemie hat Wirtschaft und Bildungswesen auf den Prüfstand gestellt und dabei schonungslos Versäumnisse und Defizite aufgezeigt. Überall wurde der Mangel an digitalen Kompetenzen sichtbar und es reifte die bittere Erkenntnis, dass die Digitalisierung unverantwortlich vernachlässigt wurde. Dabei verändern beispielsweise 3D-Drucker oder Roboter wirtschaftliche Strukturen radikal. In diesem Umbruch sind digitale Kompetenzen der Schlüssel zum Erfolg. Das entsprechende Fachwissen ist entscheidend für zukünftige Innovationen.

Informatik als Schlüsselkompetenz

Mit der digitalen Neugestaltung von Unternehmen wird die zentrale Grundlage für die Wettbewerbsfähigkeit gelegt. Ein zukünftiges „Made in Germany“ erfordert Produkte, die auf informationstechnischer Basis höchsten Ansprüchen genügen. Doch in allen Bereichen der Privatwirtschaft und der öffentlichen Verwaltung fehlt es an Mitarbeitern mit umfassenden Informatikkenntnissen – und damit an einer digitalen Zukunftsperspektive. Insbesondere, damit in kleinen und mittelständischen Unternehmen digitale Kompetenzen verfügbar gemacht werden, ist eine breite informatische Bildung erforderlich. Die Einführung des Schulfachs Informatik ist deshalb flächendeckend dringend geboten.

Ein Blick in die Vergangenheit zeigt: Vor etwa 140 Jahren wurde mit der Einführung der Schulfächer Mathematik, Physik und Chemie die Basis für das Verständnis und die Gestaltung einer neuen Welt gelegt. Formal analytisches Denken und formale Modellbildung waren die Kernziele der damaligen Bildungsreform. Es war die Grundlage eines zukunftsorientierten Bildungssystems und die Basis für die Ingenieurwissenschaften. Entsprechend bildeten Kreativität, Innovationen und eine Schwemme von Patenten und Firmengründungen die Kennzeichen der aufsteigenden Wirtschaftsnation Deutschland. Im 21. Jahrhundert ist Informatik zur Schlüsselkompetenz geworden. Denn heute hängt die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unseres Landes von einer umfassenden Nutzung der Informationstechnik ab.

Bislang beschränkt sich der Einsatz digitaler Medien im Bildungswesen jedoch überwiegend auf das Surfen im Internet und den Einsatz des Office-Paketes. Der 2019 beschlossene Digitalpakt Schule ändert daran wenig. Ebenso reicht ein Schulfach „Programmieren“ sowohl fachlich als auch bildungspolitisch nicht weit genug.

Was sind also die Kernelemente eines Schulfaches Informatik?

Zu vermitteln, wie anspruchsvolle Probleme, Phänomene der Realität, für eine informationstechnische Verarbeitung aufbereitet werden können, ist oberstes Ziel im Sinne eines didaktisch-methodischen Leitmotives. Kernpunkte sind dabei eine systematische Problemanalyse sowie der Entwurf und die Gestaltung der Prozesse und Daten.

Als Einstieg sollte die Begriffswelt dargelegt und ein Verständnis dafür entwickelt werden, wie ein Computer, wie digitale Medien und Netzwerke aufgebaut sind und funktionieren. Danach sollten Prozesse und Daten in den Fokus rücken. Die zu entwickelnden Algorithmen fördern das Denken in logischen Kausalketten („wenn-dann“) – einem Grundbaustein der Künstlichen Intelligenz. Anschließend (!) können Programme erstellt werden. Zusätzlich zu den Algorithmen und Prozessen sind die Struktur und die Modellierung von Daten, ihre Organisation in Datenbanken sowie ihre Veränderungen in ablaufenden Prozessen zu vermitteln.

Ein pädagogisches Konzept, das Denken in Kausalketten und das Verständnis eines vernetzten Systems vermittelt, hilft den Menschen, sich in der digitalen Welt zu positionieren. Es befähigt sie, diese aktiv mitzugestalten.

Bildungsniveau und -vielfalt steigern

Doch einzig mit der flächendeckenden Einführung eines Schulfaches Informatik als Pflichtfach ist es nicht getan. Im gesamten Fächerkanon muss der Unterricht neu geformt werden. Neue Medien sind sowohl als Gestaltungselemente, als auch als lernunterstützende Hilfsmittel zu entdecken. Lernplattformen können hierbei wertvolle Dienste leisten. Gegenüber dem konventionellen Unterricht kann den Schülern etwa mehr Raum für Lernprozesse und Übungen angeboten und somit nachhaltig Wissen konditioniert werden.

Für ein ausdifferenziertes Bildungssystem ist es nützlich, verstärkt auf neue Medien zu setzen. Nur so können trotz Lehrkräftemangel das Bildungsniveau und die Bildungsvielfalt gesteigert werden. Nutzen wir daher die neuen Medien zur Modernisierung des Unterrichts: Das bedeutet nicht, den Unterricht zu technisieren oder authentisches Lernen durch virtuelles Lernen zu ersetzen. Denn allein durch den Einsatz von Technik wird Bildung nicht besser. Nur auf der Grundlage eines pädagogischen Konzeptes ist der Erfolg möglich.

Mit diesem Gesamtpaket, mit einem Schulfach Informatik und einem gezielten, anspruchsvollen Einsatz neuer Medien kann eine aktive Gestaltung der digitalen Welt gelingen. Nur wenn Menschen über eine grundlegende informatische Bildung verfügen, werden sie in der Lage sein, die digitale Welt nach ihren Vorstellungen und Bedürfnissen mitzugestalten. Wer über Wissen und Fertigkeiten verfügt, wie man eine digitale Welt gestalten kann, wird die Digitalisierung nicht als Bedrohung empfinden.

Doch bis dahin, ist es noch ein Stück zu gehen. Dabei gab es durchaus Möglichkeiten, ein modernes Bildungssystem zu etablieren: Die Chance, Informatikunterricht für alle Jahrgangsstufen einzuführen, wurde bei der Umstellung der Gymnasien von G8 auf G9 schon einmal verpasst. Und die 1996 gestartete Initiative „Schulen ans Netz“ mutierte zu einer Werbeveranstaltung der Telekom AG, statt dass ein zukunftsweisendes Bildungssystem aufgebaut worden wäre. Noch immer wirkt Digitales wie ein Fremdkörper.

Ein länderübergreifendes Gesamtkonzept

Dabei hat sich die Bildungspolitik mittlerweile zu ihrer Verantwortung bekannt. Die Ständige Wissenschaftliche Kommission der Kultusministerkonferenz (SWK) hat die Einrichtung von Zentren für digitale Bildung (ZdB) gefordert, die Schulen bei der Digitalisierung helfen sollen. Doch das sind Einzelfalllösungen. Die Zentren können kaum auf die komplexen Anforderungen einer sich dynamisch entwickelnden Informatik angemessen reagieren.

Zentrale Organisationsformen können das Problem nicht lösen. Um die Informatikangebote an den Schulen schnell auszubauen, müssen althergebrachte und träge Strukturen durch ein modernes Denken in vernetzten Elementen abgelöst werden. So ist es nicht mehr zeitgemäß, in den Bundesländern eigenständig und gesondert die Digitalisierung im Bildungswesen zu betreiben. Unnötige Parallelarbeiten, Aufwand und Kosten sowie lange Entwicklungszeiten lassen sich nicht rechtfertigen. Hingegen könnte ein bundesweit verteiltes System mit kleinen, dynamischen Einheiten ein koordiniertes Problemlösungsverhalten generieren.

Diese kleinen, dynamischen Einheiten können kurzfristig ohne bürokratischen Aufwand sukzessiv implementiert werden. In dieser vernetzten Konzeption kann der Bund das Management übernehmen. Ein Höchstmaß an Flexibilität und Synergie ist möglich. Mit dieser Struktur der bundesweit verteilten, vernetzten Aufgaben kann ein Schulfach Informatik in wenigen Jahren mit allen Facetten etabliert sein und stets auf aktuellem Niveau gehalten werden.

Rainer Busch war Vorsitzender des Ausschusses „Forschung und Lehre in Informatik“ der Europäischen Kommission in Brüssel sowie Vizepräsident der Gesellschaft für Informatik e.V. (GI), Herausgeber der Zeitschrift „Wirtschaftsinformatik“ und Leiter des Bundeswettbewerbs Informatik. Er ist der Initiator von „Schulen ans Netz“.

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