Ob Online-Shopping oder persönliche Assistenten wie Alexa, Siri & Co. – die neue digitale Welt ist praktisch. Doch wir bezahlen nach dem Kauf noch einmal, mit unseren Daten. Denn die sind für Internetgiganten wie Google, Amazon, Apple, Facebook und Co. Gold wert. Monopole wie Google machen einen enormen Profit dank der Daten, die wir ihnen kostenlos überlassen. Das Groteske daran: Wir können meist nicht selbst entscheiden, wer Zugang erhält und wer profitiert. Die Konzerne haben die Hoheit über die Daten und das jeweilige Geschäftsmodell. Hier zeigt sich die Dialektik der Digitalisierung: Ihre technischen Potentiale können schnell in soziale Zumutungen umschlagen, wenn sich an den Verhältnissen nichts ändert.
Wenige Profiteure der Digitalisierung
Profitieren tun von den aktuellen Verhältnissen nur einige wenige. Etwa Jeff Bezos, Chef von Amazon und reichster Mann der Welt. Jede Stunde wächst sein Vermögen um fast 4,5 Millionen Dollar.
Facebook denkt unterdessen darüber nach, seine eigene Währung auszugeben und einen eigenen Gerichtshof zur Schlichtung von Streitigkeiten auf seiner Plattform aufzubauen. Völlig unklar dabei: Wer kontrolliert hier wen und nach welchen Maßstäben? Schon jetzt verletzt Facebook das Prinzip der Netzneutralität, indem das Unternehmen etwa mit der App Free Basics ein Zwei-Klassen-Internet schafft, mit dem arme Menschen zwar kostenlos online gehen können, dafür aber nur auf ausgewählte Seiten.
Neuer Autoritarismus
„Private Governance“ der digitalen Konzerne ist eine euphemistische Formulierung für die faktische Übernahme politischer Macht durch eine kleine Schicht Superreicher mit Hilfe digitaler Technik. Nicht auszudenken, was passiert, wenn sich der digitale Autoritarismus von Marc Zuckerberg und Co. mit dem staatlichen Autoritarismus der Gaulands und Weidels verbindet. Die Wahl von Donald Trump hat gezeigt, wie sich die Monopolisierung der digitalen Infrastruktur und der Rechtsruck im politischen System bereits gegenseitig verstärken. Das zeigt: Wir dürfen uns die falsche Wahl zwischen vermeintlich progressivem Neoliberalismus und rechtem Autoritarismus nicht aufzwingen lassen.
Interoperabilität und Daten-Portabilität
Zur Datensouveränität gehört auch die Möglichkeit, dass Nutzerinnen und Nutzer das Recht hätten, ihre Daten und Beziehungen von einem sozialen Netzwerk zu einem anderen „mitzunehmen“. Es gibt Alternativen zu Facebook. Doch wenn ein Netzwerk eine marktbeherrschende Stellung hat, hat es jede noch so gute Alternative schwer. Solange alle meine alten Schulfreundinnen bei Facebook sind und ich in einem neuen Netzwerk nicht mit ihnen kommunizieren kann, sind die Kosten für einen Umzug für den Einzelnen zu hoch. Das kann die Politik ändern, durch die Verpflichtung auf Interoperabilität und Daten-Portabilität.
Wenn wir unseren Handyvertrag wechseln, ist das bereits über die Mitnahme unserer Handynummer möglich. Warum sollte das nicht auch für Soziale Netze und unsere dort gesammelten Daten gelten? Dadurch stünde es Nutzerinnen und Nutzern frei, sich auf einem anderen, womöglich gemeinwohlorientierten Netzwerk anzumelden, ohne von all den Kontakten abgeschnitten zu sein, die sie über Facebook geknüpft haben.
Kartell- und Steuerrecht auf Höhe der Zeit
Aber es geht längst um mehr als Datenschutz: Internetgiganten, die sich als Monopole etablieren, Anwendungen und Innovationsgeschwindigkeiten bestimmen, müssen zum Fall für das Kartellamt werden. Das heißt, wir brauchen ein Kartellrecht und Kartellämter auf der technischen Höhe der Zeit.
Außerdem ist unhaltbar, dass Internet-Giganten auf ihre Gewinne kaum Steuern bezahlen. Jeder Bäcker muss die verkauften Brötchen versteuern, jede Pflegekraft zahlt Lohnsteuer auf ihren Lohn. Aber dort, wo mit unseren Daten Milliardengewinne gemacht werden, drückt man sich vor der Finanzierung des Gemeinwesens.
Um nur einen Trick zu nennen: Wenn Unternehmen wie Apple hierzulande Gewinn machen, rechnen sie diesen Gewinn klein, indem sie eine enorme Lizenzgebühr an eine Tochterfirma in Irland zahlen. Die firmeninterne Lizenzgebühr fällt so hoch aus, dass angeblich kaum Gewinn hierzulande anfällt. In Irland gilt nun ein besonders niedriger Steuersatz. Dieser Trick könnte unterbunden werden, wenn die Höhe der abrechenbaren Lizenzgebühr einfach begrenzt wird.
Gemeinwohlorientierte Alternativen stärken
Eine ordentliche Besteuerung von Internetgiganten ist nicht nur möglich, sondern auch nötig. Schließlich brauchen wir die Steuerinnahmen um mehr in Bildung zu investieren. Ein Teil davon sollte zudem in öffentliche Förderfonds für kooperative Eigentumsformen und Techniken fließen.
Ein Beispiel hierfür wäre die gemeinwohlorientierte und genossenschaftlich organisierte Wohnraumtauschbörse FAIRbnb. Im Gegensatz zu Airbnb wird Wohnraum über diese Plattform tatsächlich nur zum Teilen angeboten, ohne dabei selbst reich zu werden. FAIRbnb investiert fünfzig Prozent seiner Provision in lokale Non-Profit-Projekte, Genossenschaften oder Verbände und zahlt seine Steuern vor Ort. Bisher gibt es FAIRbnb nur in den Pilotstädten Barcelona, Valencia, Amsterdam, Bologna und Genua. So etwas wäre jedoch auch für Deutschland denkbar. Auch hier könnten Geldanteile pro Vermietung in umliegende Kieze und Nachbarschaften fließen. Das wäre gelebte Solidarität im digitalen Zeitalter, die soziale Beziehungen stark macht und nicht unregulierte Internetkonzerne.
Einfache AGBs
Deshalb brauchen wir digitale Demokratie statt Dauerüberwachung und Kommerz. Wir müssen die Hoheit über unsere Privatsphäre zurückerlangen. Das meint zum Beispiel die Verpflichtung zu verständlichen AGBs. Hier könnten die Internetgiganten per Gesetz verpflichtet werden, nur das abzufordern, was nachweislich nötig ist. Zum Beispiel müsste es möglich sein, der Weiterverarbeitung unserer Daten schnell und einfach, teilweise oder auch ganz zu widersprechen (Opt-out Optionen). Das mag kleinteilig klingen, hätte aber enorme Auswirkungen auf die Möglichkeit, die eigenen Daten zu schützen. Wir hätten die Chance, die Ware Daten wieder zurückzuerobern.
Und unsere Phantasie sollte hier nicht enden. Die sozialen Netzwerke und Plattformen existieren schließlich nur durch unser aller Interaktion – und sie gehören damit eher den vielen, anstatt einigen Internetgiganten.
Katja Kipping ist seit 2012 gemeinsam mit Bernd Riexinger Vorsitzende der Partei Die Linke. Seit 2005 ist die Dresdenerin Mitglied des Deutschen Bundestags.