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Digitalisierung & KI

Standpunkte Digitalpolitik muss „data-driven“ sein

Foto: smartsteuer (Björn Waide)

Die Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ verfehlt in ihrem vergangene Woche vorgestellten Bericht in Sachen Digitalpolitik einen wichtigen Aspekt, sagt Björn Walde von Smartsteuer. Er fordert die Bundesregierung auf, einen einfacheren Zugang zu Daten zu ermöglichen.

von Björn Waide

veröffentlicht am 17.07.2019

aktualisiert am 19.07.2019

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Die Bundesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag darauf verständigt, den Ursachen für die wachsende Kluft zwischen Stadt und Land, Ost und West, arm und reich auf den Grund zu gehen und Handlungsempfehlungen auszusprechen. Unter dem Vorsitz von Innenminister Horst Seehofer (CSU), der gemeinsam mit seinen Kabinettskolleginnen und Co-Vorsitzenden der Kommission Ernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) und Familienministerin Franziska Giffey (SPD) den Bericht vorstellte, wurde nun auch ein Maßnahmenkatalog erstellt. 

Die Maßnahmen zielen unter anderem darauf ab, „den Wegzug aus vielen Regionen und den Druck auf die Ballungsräume zu dämpfen“. So ist etwa die Rede von finanzieller Förderung, dem Schaffen von Jobs in strukturschwachen Räumen, dem Ausbau von Breitband und Mobilfunk sowie der Optimierung von Verkehrsinfrastruktur. Das klingt vertraut, aber inhaltsleer. Von den Fragen der Finanzierung einmal ganz abgesehen. 

Tatsächlich findet sich auch der Begriff „Digitalisierung“ mehrfach im Bericht. So wird in dem Zusammenhang beispielsweise auch noch von der „Dezentralisierung der öffentlichen Verwaltung“ gesprochen. Oder eingesehen: „Die Digitalisierungspotentiale in Arbeit und Verwaltung werden bis dato nur unzureichend genutzt.“ Man ahnt: Digitalpolitisch betrachtet, ist das Ergebnis der Kommissionsarbeit insgesamt mehr als dürftig. Außer der Aufzählung bekannter Baustellen und Probleme gibt es keine neuen Einsichten.

Digitale Infrastruktur allein reicht nicht 

Ja, wir brauchen Investitionen in die digitale Infrastruktur. Ja, wir brauchen meinetwegen auch vernetzte Behörden, damit wir nicht auf der Suche nach Passierschein A38 verzweifeln. Aber das sind doch genau die Hausaufgaben, die der Staat schon seit Jahren zu erledigen hat! Da braucht es keine Kommission, um das herauszufinden. Politiker, die sich dem Thema Digitalisierung ernsthaft annehmen wollen, brauchen meiner Meinung nach eine neue Denkweise hinsichtlich des Rohstoffs, mit dem die digitale Transformation gemacht wird: Daten. 

Wie Christoph Bornschein, Gründer der Agentur TLGG, immer wieder predigt, beschreibt der Begriff „Digitalisierung“ den Wandel, den wir erfahren (und gestalten), nicht so treffend wie der der „Software-isierung“. Und damit Software sinnvoll arbeiten kann, braucht sie Daten. 

Meiner Meinung nach sollte die Bundesregierung sich dafür einsetzen, dass nicht nur Behörden untereinander Daten einfacher austauschen beziehungsweise besser erheben können, sondern dass auch privatwirtschaftliche Nutzer – beispielsweise Start-ups im Govtech-Bereich – einfacheren Zugang dazu erhalten, um moderne Angebote zu schaffen. Schließlich muss der Staat selbst nicht der größte Innovator sein, sondern allein die Rahmenbedingungen für Innovationen schaffen. 

Im Bericht der Kommission „Gleichwertige Lebensverhältnisse“ wird richtig erkannt: „Die durch die öffentliche Hand gesammelten Daten stehen vielfach noch nicht in geeigneter Form für die Raumbeobachtung, die räumliche Planung oder die Forschung zur Verfügung. Zu den Gründen zählen die fehlende Vergleichbarkeit dezentral erhobener Daten, fehlende Schnittstellen, vertragliche Regelungen zum Eigentum der Daten, der Datenschutz oder unzureichend aufbereitete Daten.“ 

Nur die Schlussfolgerung geht nicht weit genug: Es reicht eben nicht, wenn nur Behörden und Verwaltungen mit ihren Daten hantieren. Um wirklich voranzukommen, braucht es Schnittstellen zu diesen Daten, mit denen Unternehmer arbeiten und neue Serviceangebote schaffen können. Ein Beispiel dafür ist die staatliche Steuer-Plattform ELSTER, mit der über Schnittstellen ein Datenaustausch mit privaten Anbietern ermöglicht wird. Zwar gibt es hier noch Optimierungspotenzial, aber wenigstens wurde erkannt, welche Gestaltungsmöglichkeiten eine Öffnung in Richtung Marktwirtschaft bietet. Schließlich ist das Marktsegment mit vielen innovativen Playern belebt und wächst stetig. 

Digitalpolitik braucht modernen Umgang mit Daten

Ein kleiner Lichtblick hinsichtlich der breiten Nutzung von Daten ist folgender Absatz zum Thema Mobilität: „Es wird empfohlen, dass alle Verkehrsanbieter ihre digitalen Fahrplan- und Haltestellendaten in einem einheitlichen Datenformat veröffentlichen. Ziel sollte die Integration aller digitalen Fahrplandaten in einen einheitlichen, öffentlich zugänglichen Datenpool sein.“ Datenpools. Öffentlich zugänglich. Heureka! Aber was der Staat von (teil-)privaten Anbietern fordert, sollte er auch von sich fordern. 

Eine Idee könnte sein, dass bei neuen Digitalisierungs-Projekten „per default“ immer eine technische Schnittstelle geschaffen und geöffnet wird, über die Dritte mit öffentlichen wie behördlichen Daten arbeiten können. Das ist vergleichbar mit der Anforderung, bei Bauanträgen immer auch Umweltschutzmaßnahmen zu planen. 

Wer also digitalpolitisch gestalten will, sollte meiner Ansicht nach künftig Antworten auf die weitsichtigeren Fragen, als die nach dem Aus- und Aufbau digitaler Infrastrukturen, finden: Wie ermöglichen wir den (verantwortungsbewussten, legalen) Umgang mit öffentlichen Daten? Wer darf zugreifen? Welche Services sind wirklich sinnvoll? 

Der Informatiker Björn Waide ist Geschäftsführer von Smartsteuer, einem Online-Anbieter für Steuererklärungen.

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