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Standpunkte Mehr staatliche Initiative für die Raumfahrtindustrie

Andreas Lenz, Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei Heuking
Andreas Lenz, Rechtsanwalt bei der Wirtschaftskanzlei Heuking Foto: PR

Das im Herbst von der Bundesregierung vorgelegte Eckpunktepapier für ein Weltraumgesetz soll darauf einzahlen, die Raumfahrtindustrie zu stärken und wettbewerbsfähiger zu machen. Doch der Entwurf geht nicht weit genug und bringt neue Regulierungen mit sich. Stattdessen braucht es mehr staatliche Initiative.

von Andreas Lenz

veröffentlicht am 04.12.2024

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Die noch amtierende Bundesregierung hat im September 2024 Eckpunkte für ein deutsches Weltraumgesetz veröffentlicht. Das erklärte Ziel der Gesetzgebung, die „… Raumfahrtindustrie zu stärken und wettbewerbsfähiger zu machen …“, wird damit allein allerdings nicht erreicht werden. Raumfahrt ist Treiber für Innovation in vielen wichtigen Bereichen. Es kann bei einer gesetzgeberischen Initiative daher nicht nur um Gefahrenabwehr und Ordnung gehen. Auch wenn es in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs gewagt zu sein scheint, nun auch aus der „Blase“ Weltraum nach mehr staatlicher Initiative zu rufen: Genau dies ist notwendig und lohnend. Es müssen ja nicht immer nur Geschenke sein.

Die Initiative der Bundesregierung wird begründet mit bisher nicht erfüllten Regelungspflichten, Notwendigkeiten der Gefahrenabwehr und dem Fehlen eines Haftungsrückgriffes des Staates, für von deutschen Akteuren oder von deutschem Territorium aus verursachten Schäden. Darin angesprochen werden Genehmigungsvoraussetzungen, Haftungsregress und Deckungsvorsorge für Schäden, Überwachungs- und Anforderungsrechte sowie Registrierungspflichten sowie Umsetzungs- beziehungsweise Zuständigkeitsthemen.

„Strategische, technologische und wirtschaftlicher Zukunftsfähigkeit“

Eine ganze Anzahl von Studien hat die Bedeutung von Raumfahrt und Weltraumtechnologie für die Bekämpfung der Folgen des Klimawandels, die Technologieentwicklung und viele Wirtschafts- und Forschungsbereiche seit Jahren eindrucksvoll beschrieben.

Daneben ist spätestens seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine die erhebliche strategische Bedeutung von Weltraum-Kapazitäten deutlich geworden. Angesichts der antizipierten politischen Entwicklungen in den USA ist es für Europa und Deutschland noch drängender, Unabhängigkeit hinsichtlich der Fähigkeiten im Weltraum und der Entwicklung entsprechender Technologien zu erreichen.

Weltraumtechnologie ist insgesamt als wichtige Voraussetzung der strategischen, technologischen und wirtschaftlichen Zukunftsfähigkeit Deutschlands und Europas anzusehen. Hieran muss sich ein künftiges Weltraumgesetz und jede diesbezügliche Initiative einer künftigen Bundesregierung messen lassen.

„Europa und Deutschland drohen zurückzufallen“

Deutschland hat in vielen Bereichen sehr gute Entwicklungsvoraussetzungen. Es gibt herausragende Forschungseinrichtungen, international anerkannte technische Hochschulen und starkes Studierenden-Interesse für relevante Studienfächer. Deutsche Unternehmen wirken seit Jahrzehnten erfolgreich in zentraler Funktion bei internationalen Raumfahrt-Projekten mit. Eine Vielzahl kleiner und mittlerer Unternehmen entwickelt neue Technologien oder ist bereits wirtschaftlich erfolgreich tätig.

Dennoch, Europa und Deutschland fallen aus Sicht von Raumfahrtakteuren gegenüber anderen Regionen und Ländern stetig zurück. Auch innerhalb von Europa gibt es, zum Beispiel in Frankreich, Großbritannien und Italien, deutlich ambitioniertere, jedenfalls scheinbar konkretere Strategien als die in der Raumfahrtstrategie der Bundesregierung aus 2023 unmittelbar erkennbaren.

Es fehlt nach der Wahrnehmung von Raumfahrtakteuren vor allem an einem ausreichenden strategischen Engagement des Staates als Auftraggeber. Dazu passt, dass in den Budgetplanungen der derzeitigen Bundesregierung für 2025 sowohl das nationale Raumfahrtbudget als auch der ESA-Beitrag sinken. Es mangelt in Deutschland aus Sicht vieler Raumfahrtakteure zudem an einem wettbewerbsfähigen Umfeld für privates Investitionskapital. Gefürchtet wird schließlich die deutsche Detail-Bürokratie.

„Besondere Relevanz des Genehmigungsverfahrens“

Das Eckpunktepapier lässt für sich genommen nicht erkennen, wie die beschriebenen Herausforderungen – zumindest begleitend – angegangen werden sollen.

Zwar fehlt es in dem Eckpunktepapier nicht an Überlegungen. Zumindest kleine Unternehmen werden bei den Maximalbeträgen für den international üblichen Haftungsregress und der erforderlichen Deckungsvorsorge geschont. Die Absicht, Genehmigungsverfahren schnell abzuschließen sowie die Möglichkeit, Innovationsvorteilen im Rahmen von Genehmigungsentscheidungen unter Umständen Vorrang zu gewähren, sind positiv zu bewerten. Diese und weitere Punkte wirken jedoch nur als Linderung der durch ein Weltraumgesetz selbst erst verursachten, neuen „Schmerzen“.

Wie erheblich diese Schmerzen ausfallen, wird sich vor allem anhand der Details des vorgesehenen Genehmigungsprozesses entscheiden. Weltraumaktivitäten sind nach dem Eckpunktepapier grundsätzlich genehmigungsbedürftig. Es soll offenbar nicht von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, eine Genehmigung nach Ablauf der für eine Entscheidung vorgesehenen Frist zu fingieren, um für eine tatsächliche Beschleunigung zu sorgen.

Maßgeblich für die Genehmigungsfähigkeit sind im Übrigen zum Teil schwer planbare Begriffe wie die „…nach dem Stand der Wissenschaft und Technik erforderliche Vorsorge … für Nachhaltigkeitsbelange im Weltraum und Umweltbelange auf der Erde …“. Die Einzelheiten sollen Gegenstand von detaillierteren Rechtsverordnungen werden. Ein hinsichtlich Komplexität und Umfang (negatives) Beispiel für solche Detailregelungen bietet momentan Frankreich.

Für die Deatils der Regelung und die Einzel-Entscheidung selbst sollen offenbar alle situativ interessiertenRessorts einbezogen werden. Eine das Gesamtverfahren potenziell verkürzende, umfassende Konzentration der Genehmigungswirkung ist bisher allerdings nicht vorgesehen. Genehmigungserfordernisse aus anderen Gesetzen sollen grundsätzlich ergänzend gelten, was nicht nur den Aufwand, sondern auch das Risiko von Wertungswidersprüchen erhöht. Die Anforderungen sollen im Übrigen in der Regel zusätzlich zu den Genehmigungsanforderungen anderer Länder stehen, wenn die geplanten Aktivitäten von deutschen Unternehmen aus anderen Ländern heraus imitiert werden.

„Weltraumgesetz als Teil eines umfassenden Maßnahmen-Paketes“

Nicht alles lässt sich vollständig übertragen. Erfahrungen anderer Staaten sollten dennoch nutzbar gemacht werden. Als Beispiele könnten die Konsultationen und Anpassungs-Diskussionen in Großbritannien oder den USA dienen, die sich mit der Konzentration von Zuständigkeiten und der Vereinfachung von Verfahren beschäftigen. Auch die Auswirkungen der umfangreichen Detailregelungen in Frankreich sollten einbezogen werden. Inwieweit Anreizsysteme statt „harter“ Pflichten oder Verbote besser zu sich schnell entwickelnden Technologien passen, sollte ebenfalls überlegt werden. Die Nutzung von positiven Anreizen an Stelle von Verboten wird zum Beispiel für ein künftiges EU-Weltraumgesetz diskutiert.

Ein deutsche Weltraumgesetz sollte, wenn die Raumfahrtindustrie tatsächlich gestärkt werden soll, vor allem jedoch nicht alleinstehen. Es sollte, wie zum Beispiel in Italien angekündigt, zumindest Teil eines Maßnahmen-Paketes sein, welches die oben beschriebenen Anforderungen an eine Stärkung der Raumfahrtindustrie umfassender aufnimmt.

Wichtig ist vor allem ein stärkeres Engagement staatlicher Stellen als (Anker)Kunde, um den Markt für Weltraumtechnologien zu stärken. Der Bedarf besteht. Notwendig ist zudem ein Abbau der im Technologiebereich insgesamt beklagten Wettbewerbsnachteile für die Einwerbung privaten Investitionskapitals, für Mitarbeiterbeteiligungen und für die Anwerbung von ausländischer Expertise.

„Technologische Zukunftsfähigkeit sichern“

Es ist nicht besonders innovativ, nach Unterstützung durch den Staat zu rufen. Falls jedoch die Raumfahrt als strategisch wichtig und Weltraumtechnologie als Innovationstreiber eingeordnet werden, dann kann es mit einer rein beschränkenden Gesetzgebung nicht getan sein. Gerade in Zeiten des wirtschaftlichen Umbruchs erscheint ein deutlich stärkeres, gezieltes staatliches Engagement ergänzend notwendig, um Schlüsseltechnologien wie die Raumfahrt tatsächlich zu stärken.

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