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Digitalisierung & KI

Standpunkte Stationärer Handel: Mehr Erfolg mit KI

Gerrit Heinemann (Foto: Philipp Jochum)
Gerrit Heinemann (Foto: Philipp Jochum) Foto: Philipp Jochum (Gerrit Heinemann)

Die Digitalisierung muss nicht das Ende des stationären Handels bedeuten: Mithilfe von KI und Online-Schnittstellen kann auch der Laden um die Ecke neue Nischen entdecken, erklärt Gerrit Heinemann von der Hochschule Niederrhein.

von Gerrit Heinemann

veröffentlicht am 18.07.2019

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Im Handel fehlt mitunter noch das Bewusstsein, dass Digitalisierung alternativlos ist. Vor allem aber fehlt es hier häufig an Risikobereitschaft. Der Grund liegt auf der Hand: Ein Handelskonzern muss viel Geld in die Hand nehmen, wenn das Management beschließt, die Digitalisierung mit Vollgas voranzutreiben. Dabei müssen Händler nicht nur die zunehmenden Probleme in stationären Kerngeschäft lösen, sondern sich zugleich auch nach den Regeln der erfolgreichen Online Pure Plays, der Fokus auf ein bestimmtes Produkt oder eine Dienstleistung, neu erfinden. Dabei kann KI helfen.

Die Entwicklungen der vergangenen Jahre haben die Rolle des stationären Handels dramatisch verändert. Vor allem die innovativen Online-Händler setzen die Traditionshändler immer mehr unter Druck. Sie leiten eine digitale Disruption ein, die eine bestehende Technologie, ein existierendes Produkt oder auch ein bewährtes Geschäftsmodell verdrängen kann. Für die etablierten Anbieter entstehen die neuen Märkte nicht selten unerwartet. Zweifelsohne hat der deutsche Einzelhandel inzwischen realisiert, zu welch einer Bedrohung sich Innovatoren wie Amazon oder Zalando entwickeln können. Aktuelle Zahlen zeigen, dass gerade kleine und mittelständische Einzelhandelsgeschäfte in Zeiten des boomenden Online-Einkaufs mit rückläufigen Kundenzahlen und stagnierenden Umsätzen zu kämpfen haben. Diese Entwicklung ist nicht nur für die traditionellen Einzelhandelsunternehmen bedrohlich, sie hat auch unmittelbar Auswirkungen auf die Lebensqualität in unseren Städten. Die Handelsunternehmen sind sich allerdings unsicher, welche Schritte sie im Rahmen der gebotenen Digitalisierung einleiten sollen.

Von der Erkenntnis zur Adoption

Hier liefert die Innovationstheorie wertvolle Hinweise: So sollte nach der Erkenntnisphase eine zukunftsfähige Adoption vorgenommen werden, gefolgt von einer umfassenden Institutionalisierung. Zur digitalen Adoption gehören dabei vor allem die Entwicklung und Verabschiedung einer wettbewerbsfähigen Digitalstrategie, die bestehende Geschäftsmodelle auf den Prüfstein stellt. Dabei sollte die eigene Messlatte auf das Niveau der disruptiven Pure Plays gelegt werden. Nur so kann sich eine digitale Transformation durchsetzen. Dazu müssen sich die Händler neu erfinden. Aktuell sehen sie sich massiv mit den veränderten Kundenerwartungen und dem Trend zum Online-Einkauf konfrontiert. Getrieben durch die Web-User führt die Digitalisierung zu einer Neuausrichtung der Wertschöpfungsstufen. Auch die Wettbewerbsregeln, die bisher vor allem die Internetgiganten aus den USA und China begünstigen, ordnen sich neu.

Apps auch für den Offline-Handel

Der Handel der Zukunft wird sich vielfältig ausgestalten und die „Schöpfung von Mehrwert“ in neuen Märkten ermöglichen. So werden bisher verborgene Marktnischen besetzt oder neue Geschäftsideen geboren. Die Art und Weise, wie dabei Geschäftsmodelle und -systeme genutzt werden, eröffnet im Zuge der digitalen Revolution neue Möglichkeiten der Wertschöpfung. Dies gilt vor allem auch für stationäre Händler und damit ganze Shopping-Center und Innenstädte, die sich neu erfinden müssen. Der Online-Handel legt weiterhin zu und entwickelt sich zum Wachstumstreiber für die gesamte Einzelhandelsbranche. Vor diesem Hintergrund sind neue Lösungen gefordert, zumal die Kunden heutzutage auch zunehmend vor Ort im Geschäft digitale Angebote erwarten, beispielsweise Apps für ihre Smartphones mit aktuellen Infos oder Rabattaktionen des Händlers. Die modernen Kunden nutzen viele Kanäle gleichzeitig und wünschen sich aufeinander abgestimmte Produktinformationen „aus einem Guss“. Oft genug fehlt es allerdings im Handel noch an synchronisierten Übergängen zwischen der On- und Offline-Welt des Händlers.

Kundendialog mit KI verbessern

Um diese Situation zu ändern, den Einzelhandel im Wettbewerb mit Amazon und Co. zu stärken und die Attraktivität und Vielfalt der Innenstädte zu erhalten, fördern das nordrhein-westfälische Wirtschaftsministerium und der Europäische Fonds für regionale Entwicklung der EU (EFRE) das Verbundprojekt ON4OFF. Dieses ist eines von zehn IT-Projekten im Rahmen des Leitmarktwettbewerbs IKT.NRW. Dieser adressiert die zentralen Entwicklungsfelder mit dem größten Wachstumspotenzial für die Branche, die für die zukünftige Entwicklung der Informations- und Kommunikationswirtschaft maßgeblich sein werden. Schwerpunktthemen sind Cyber Physical Systems, Industrie 4.0, IT-Sicherheit, Künstliche Intelligenz und Maschinelles Lernen. Im Mittelpunkt des im Januar gestarteten Projekts ON4OFF stehen Konzepte und Anwendungen der Künstlichen Intelligenz und des Maschinellen Lernens im stationären Einzelhandel, um den Dialog mit Kunden zu verbessern, die bevorzugt Läden in ihrer Region zum Einkaufen nutzen. Das dem Projekt zugrunde liegende Konzept setzt auf die intelligente Verzahnung von stationärem und Online-Handel durch den gezielten Einsatz von KI-Methoden und -Anwendungen. Damit soll der Einzelhandel vor Ort wieder gestärkt und die Idee moderner „Smart Cities“ in Nordrhein-Westfalen exemplarisch umgesetzt werden. 

Gerrit Heinemann ist Gründer und Leiter des eWeb Research Centers der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach. Dort forscht er zu E-Commerce und der Zukunft des Handels. Die Hochschule Niederrhein ist im NRW-Förderprojekt ON4OFF als Konsortialpartner tätig, das eWeb Research Center unterstützt die Erprobung des ON4OFF-Systems. Erste Ergebnisse werden Mitte 2020 erwartet. 

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