Grundsätzlich ist es natürlich positiv, wenn durch Initiativen wie das Robotics Institute Germany (RIG) die Aufmerksamkeit für das Thema Robotik in Politik und Medien steigt. Damit wird zumindest ein gewisser Impuls gesetzt.
Der Kontext, in dem dies geschieht, ist jedoch wieder einmal der, dass ein technologischer Trend in den wichtigen Industrienationen mit Höchstgeschwindigkeit voranschreitet. Hierzulande schaut man dem zunächst zu, wundert sich, ist zum einen Teil beeindruckt, zum anderen Teil gepeinigt – weil man das ja alles vor Jahren auch schon in Europa in der Forschung gekonnt hat. Dann merkt man irgendwann, dass die Entwicklung ernst ist – und ruft nach „der Politik“, die der Wirtschaft dringend helfen soll, nun doch schnell Lücken zu schließen oder auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, bevor der Wettbewerb am Horizont verschwindet.
Die Politik tut dann einmal mehr genau das, was nötig ist, um das Thema zumindest kurzfristig abzuräumen und einen sichtbaren Erfolg zu erzielen: Man gründet einen Arbeitskreis beziehungsweise eine Organisation, stellt ein Gebäude auf die grüne Wiese und hat damit Tatkraft bewiesen. Relevante Auswirkungen auf die Wirtschaft hat dies jedoch – abgesehen von ein paar Beraterverträgen und dem Umsatz einiger Bauunternehmen – meist keinen. Parallel dazu laufen womöglich gerade noch Debatten über die Vier-Tage-Woche oder ähnliche Themen, die dem Individuum für die optimale Gestaltung seiner Lebenszeit wichtig sind.
Während in Asien und den USA die Post abgeht. Wenn man sich umschaut, welche Unternehmen und deren Belegschaften wirklich versuchen, neue Dinge auszuprobieren und hochgesteckten Zielen mit viel Einsatz hinterherjagen, dann sind die Unterschiede zwischen Mitteleuropa und den USA sowie China, Taiwan und Co. nicht zu übersehen.
In den Laboren und Kellern vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR), Fraunhofer-Instituten, der ETH Zürich, der TU München, dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT), dem spanischen Tecnalia und vielen weiteren Einrichtungen stehen fantastische Ideen, Prototypen, Einzelstücke und Testaufbauten. Daraus aber dann marktreife Serienprodukte zu entwickeln, die sich an den Bedürfnissen und Budgets der Kunden orientieren, das überlassen wir den internationalen Wettbewerbern. Dies ist ein branchenübergreifend bekanntes europäisches Muster. Es ist oft sehr frustrierend zu sehen, wie lange es hier dauert, bis aus einer Idee ein Produkt wird – aufgrund der Arbeitsgeschwindigkeit an sich und der zu geringen Investitions- beziehungsweise Risikobereitschaft bei Geldgebern als auch bei Unternehmen: Man setzt schlichtweg lieber weiterhin auf die Cash Cows und gibt neuen Lösungen keine Chance.
Chinesischer Wettbewerb als Vorbild
Dass dies in den USA anders und oft sehr erfolgreich ist, daran haben wir uns gewissermaßen gewöhnt. Der Erfolg vieler chinesischer Hersteller, insbesondere auch im Robotikbereich, wird dagegen gern lapidar abgetan. Da heißt es meist: „Die werden ja eh nur vom Staat subventioniert, kein Wunder, dass sie erfolgreich sind.“ Was aber passiert denn tatsächlich?
Wenn man genau hinsieht, sind es keine Subventionen, die chinesische Marktführer schaffen, sondern rein der Wettbewerb in China selbst: Der Wettbewerb zwischen den vielen Unternehmen, zwischen den zahlreichen Investoren, der zwischen den unzähligen Lokalregierungen, welche die Unternehmen gewinnen wollen, und zwischen den vielen ambitionierten Mitarbeitern. Was Länder wie China im Aufbau einer Industrie für Robotik stark und groß macht, ist am Ende ausschließlich: seine Ambition.
Und hier gilt es anzusetzen. Solange Unternehmen nur von ihrem Status quo zehren und höchstens danach streben, nach klassischer deutscher Ingenieurskultur oder mit bester Datenschutzkonformität clevere Speziallösungen zu erfinden, für die es eh keine globale Konkurrenz gibt (weil auch der Markt dafür meist nicht global ist), wird sich an unserer abnehmenden Relevanz auf der Weltwirtschaftsbühne nichts ändern.
Wir brauchen wieder mehr Unternehmer, die davon träumen, mit Spitzenprodukten die Weltmärkte anzuführen und sich trauen, die dafür notwendigen Schritte zu unternehmen. Sich selbst laufend mit neuer Technik auseinandersetzen und gleichzeitig starke Ambitionen für ihr Unternehmen haben. Und sich nicht hinter nicht-idealen politischen Rahmenbedingungen verstecken.
Was das Zentrum wirklich leisten muss
Initiativen wie das RIG können erfolgreich sein, aber nur dann, wenn sichergestellt ist, dass hier kein weiteres böhmisches Dorf gebaut wird. Die Ergebnisse von Spitzenforschung und Entwicklung und deren Autoren müssen jeweils so schnell wie möglich sowohl von Konzernen, Mittelständlern als auch Start-ups gleichermaßen aufgegriffen werden. Am Thema interessierte Investoren müssen nah dran sein, um solche Technologie- und Talenttransfers zu begleiten. Menschen und Inhalte müssen an wenigen Orten, oder im Idealfall an einem, zusammengebracht werden – dabei ist jedoch keine Zeit und kein Bedarf für neue Gebäude.
Ein Beispiel sollte man sich dabei weniger an anderen Verbänden oder Institutionen nehmen, sondern gern an Orten wie dem Y Combinator oder dem UnternehmerTUM orientieren. Wenn dies gelingt, dann ist der Zug in Sachen Robotik in Deutschland und Europa noch nicht abgefahren. Entpuppt sich das RIG jedoch ebenfalls als Schaufensterprojekt, dann wird aus dem Startschuss schnell wieder ein Schuss in den Ofen.
Nikolai Ensslen ist Gründer und CEO des Robotik-Lieferanten Synapticon mit Hauptsitz in Schönaich (Baden-Württemberg). Synapticon hat zuletzt mit Synapticon Intelligence eine Beratung für KI in der Robotik in Stuttgart ins Leben gerufen.