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Standpunkte Wie geht Zukunft? Mit Robotik!

Horst Heinol-Heikkinen, Vorstandsmitglied VDMA Robotik und Automation
Horst Heinol-Heikkinen, Vorstandsmitglied VDMA Robotik und Automation Foto: Asentics

Deutschlands Ausgangsposition im „global robotics race“ ist hervorragend, aber ohne politische Anstrengungen wird die Bundesrepublik immer weiter zurückfallen, schreibt Horst Heinol-Heikkinen vom VDMA Robotik und Automation. Wie die neue Bundesregierung das verhindern kann.

von Horst Heinol-Heikkinen

veröffentlicht am 13.03.2025

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Es sind bewegte Zeiten, mit großen Herausforderungen für Deutschland und Europa. Im globalen Technologie- und Standortwettbewerb haben wir an Wettbewerbsfähigkeit verloren. Der demografische Wandel wird bald zur ernsthaften Wachstumsbremse. Hinzu kommt die Herkulesaufgabe, die Transformation zur Klimaneutralität nicht nur technologisch, sondern auch wirtschaftlich zu stemmen. Eine hohe Abhängigkeit von internationalen Lieferketten birgt – angesichts der geopolitischen Verwerfungen – zusätzliche Risiken.

Ich bin der festen Überzeugung, es ist höchste Zeit, einen besonders vielseitigen Problemlöser verstärkt ins Visier zu nehmen: Robotik und Automation. Mit KI gestärkt hat sie das Zeug, uns voranzubringen –allen Herausforderungen zum Trotz! Wie das geht und was wir dafür tun müssen, haben wir in unserem Aktionsplan für die Robotik in Europa zusammengetragen: „Leveraging Robotics and Automation for a Resilient and Competitive Europe“.

Unsere Ausgangsposition im „global robotics race“ ist hervorragend. Sowohl Deutschland als auch Europa sind in der Robotik, in der Bildverarbeitung (Stichwort „sehende Maschinen“) und in der Industrieautomation spitze. Flankiert wird dies durch eine einzigartige Forschungslandschaft.

Roboter: Es hapert bei der breiten Anwendung

Also alles Bestens? Leider nicht ganz. Der Anteil Europas an den jährlichen globalen Installationen von Industrierobotern sank nach Angaben des Weltroboterverbandes IFR in den letzten 10 Jahren von 24 Prozent auf 17 Prozent. Bei der Roboterdichte – einem guten Maß für den Automatisierungsgrad von Volkswirtschaften – wurde Deutschland bereits 2023 von China überholt. Während in deutschen Fabriken 429 Roboter pro 10.000 Beschäftigten fleißig ihren Dienst tun, sind dies in China bereits 470. China ist also stärker automatisiert als Deutschland und doppelt so stark wie die EU im Schnitt.

Im Zukunftsfeld der professionellen Servicerobotik, also bei den Robotern im Baumarkt, im Labor oder in der Landwirtschaft, bieten sowohl Deutschland als auch Europa höchst innovative Lösungen, doch bei der breiteren Anwendung hapert es bislang. Roboter auf Beinen, also humanoide Roboter, werden hierzulande noch oft belächelt und in die Science-Fiction-Schublade gesteckt.

In den USA hingegen fließen gewaltige Summen an Wagniskapital in entsprechende Start-ups (da kann eine einzige Finanzierungsrunde die Größenordnung der EU-Robotik-Forschungsförderung für 7 Jahre erreichen). China – wen wundert es – hat einen ziemlich genauen Plan für die Roboter mit zwei Beinen, zwei Armen und einem Kopf. Dort geht man schon in die Serienfertigung und bereitet die Bevölkerung auf die maschinellen Mitmenschen vor: In der Silvester-Gala des chinesischen Staatsfernsehens tanzten und jonglierten kürzlich 16 Humanoide lustig mit dem Fernsehballet. Auf den ersten Blick nicht nutzbringend, aber wichtig für die Akzeptanz von Technologie.

Was die neue Bundesregierung tun muss

Wir halten fest: Die Konkurrenz schläft nicht und wir müssen im globalen Wettrennen um Robotik, KI und Automation einen Gang hochschalten. Dazu machen wir der Politik in unserem Strategiepapier konkrete Vorschläge. Hier einige Beispiele:

  • Mehr Risikokapital für Europas Start-ups: Dringend benötigtes zusätzliches Risikokapital muss durch eine Reform des regulatorischen Rahmens für institutionelle Anleger mobilisiert werden. Die französische Tibi-Initiative hat gezeigt, wie Kapital erfolgreich für Innovationen nutzbar gemacht werden kann – Europa sollte diesem Beispiel folgen. Wir unterstützen daher ausdrücklich die in Deutschland über die KfW aufgesetzte Wagnis- und Innovationskapital Initiative (WIN).
  • Roadmap für Wettbewerbsfähigkeit aufstellen: Europas Fortschritte in den Bereichen Robotik und Künstliche Intelligenz müssen systematisch und permanent einer Benchmarking-Analyse mit den Entwicklungen in Asien und Nordamerika unterzogen werden. Es braucht konkrete nationale und europaweite Technologie-Fahrpläne.
  • Scale, baby scale! Am Ende zählt der Erfolg am Markt. China zeigt, wie Ideen konsequent in die industrielle Massenproduktion überführt werden können. Politische Entscheidungsträger in Europa müssen ein Umfeld schaffen, das Innovationen nicht nur hervorbringt, sondern auch in die Serienfertigung und breite Anwendung transferiert.
  • Humanoide Robotik-Strategie für Deutschland und Europa: Hier werden revolutionäre Ansätze für das Roboterlernen, Roboter-Grundfähigkeiten und Mensch-Roboter-Interaktion entwickelt. Wir brauchen in diesem Bereich Spitzenforschung, aber auch Einsatzmöglichkeiten, Skalen und die Serienfertigung.
  • Innovationsfreundliche Regulatorik: Europa ist mit dem Regulierungswahn in eine Sackgasse gelaufen. Gebraucht wird smarte Regulierung, die Innovationen fördert, nicht behindert. Einen guten Dienst können hier Reallabore leisten, also Testumgebungen, in denen Technologien im echten Leben unter befristeten Ausnahmen von Regulierungen erprobt werden können.

Was stimmt mich optimistisch, dass wir im globalen Robotik-Wettlauf auch langfristig ganz vorne dabei sind? Unter anderem, dass die Politik die Bedeutung der Robotik und Automation erkannt hat. Seit gut zwei Jahren haben wir mit unserem VDMA-Fachverband Robotik und Automation einen nie dagewesenen Dialog mit der Bundesregierung etabliert.

Aus dem von Bundeskanzler Olaf Scholz berufenem Zukunftsrat heraus wurde das Leuchtturmprojekt RoX für die KI-basierte Robotik in Deutschland lanciert – unter Beteiligung vieler Industrieanwender und des VDMA -R+A. Darüber hinaus kommen die groß angelegte Cloud-Edge-Initiative der EU, die ganz Europa mit neuartiger Cloud-Edge-Technologie verbindet sowie in Europa entwickelte Datenräume, wie sie aktuell in großen Projekten wie Manufacturing-X und Factory-X vorangetrieben werden, zum Tragen.

Das vom BMBF initiierte Robotics Institute Germany (RIG) bündelt nun die Kräfte der Robotik- und KI-Forschung in Deutschland, die exzellent, aber sehr dezentral und zergliedert sind, unter einem Dach mit starker Außenwirkung.

Unser Wunsch an die neue Bundesregierung ist daher, die Robotik und Automation als das zu erkennen, was sie ist: Die Ermöglicher-Technologie schlechthin. Sie verdient einen prioritären Platz auf der politischen Agenda!

Horst Heinol-Heikkinen ist Gründer und Geschäftsführer der Asentics GmbH, die Bildverarbeitungssysteme entwickelt. Zudem ist er Vorstandsmitglied beim VDMA Robotik und Automation.

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