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Digitalisierung & KI

Standpunkte Was es für die KI-Wende braucht

François Delattre, Botschafter Frankreichs in Deutschland
François Delattre, Botschafter Frankreichs in Deutschland Foto: Französische Botschaft

Frankreich wird 2025 Gastgeber des KI-Aktionsgipfels. Mit Blick auf den Gipfel fordert der französische Botschafter François Delattre eine klare Vision und mutige Vorschläge im Dienste der europäischen Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit.

von François Delattre

veröffentlicht am 06.01.2025

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Künstliche Intelligenz (KI) ist mehr als eine industrielle und technologische Revolution. Sie verfügt über das Potenzial für einen tiefgreifenden Paradigmenwechsel unserer Gesellschaften in unseren Beziehungen zu Wissen, Arbeit, Informationen, Kultur und sogar Sprache. In dieser Hinsicht ist KI keine neutrale Technologie, sondern eine Herausforderung für Politik und Bürgerinnen und Bürger, die einen intensiven internationalen Dialog unter Beteiligung der Regierenden, Forschenden, Unternehmen und der Zivilgesellschaft erfordert. Daher hat sich Frankreich bereit erklärt, am 10. und 11. Februar 2025 Gastgeber des KI-Aktionsgipfels zu sein. Dafür kommen in Paris knapp 100 Staats- und Regierungschefs und 1000 Akteure der Zivilgesellschaft aus rund 100 Ländern zusammen.

Die Frage, die sich allen stellt – sowohl KI-Nutzerinnen und -Nutzern weltweit als auch Start-ups und Großkonzernen, Medien und Urheberinnen und Urhebern von kulturellen Inhalten, Forschenden und Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern, ist im Grunde ganz einfach: Wie schaffen wir die KI-Wende? Die Herausforderung ist gewaltig. Es muss dafür Sorge getragen werden, dass die KI-Technologien ihrem ursprünglichen Versprechen von Fortschritt und Emanzipation in einem gemeinsamen Rahmen des Vertrauens gerecht wird, der es ermöglicht, die mit der technologischen Entwicklung verbundenen Risiken einzudämmen. Im Hinblick auf den Gipfel und seine Folgen konzentriert sich unser Handeln vorrangig auf drei konkrete Ziele.

Das Gemeinwohl im Fokus

In erster Linie ist es von wesentlicher Bedeutung, einem größtmöglichen Bevölkerungskreis Zugang zu KI zu gewährleisten, damit jede und jeder Einzelne weltweit davon profitieren und neue Ideen entwickeln kann, um das volle Potenzial der Technologie auszuschöpfen. Mit dem Ziel, die wachsende digitale Kluft zu verringern und der übermäßigen Konzentration des KI-Marktes Einhalt zu gebieten, werden wir eine umfassende Initiative für KI im Dienste des Gemeinwohls auf den Weg bringen. So wollen wir die Entwicklung und die Teilhabe an der Rechenleistung, an strukturierten Datensätzen, offenen Tools und Bildungsmöglichkeiten für Talente von morgen fördern. Dieses Vorhaben wird sowohl von öffentlichen als auch privaten Akteuren unterstützt.

Zweitens ist es unerlässlich, dass wir die beiden großen Transformationsbereiche unserer Zeit gemeinsam denken: Umwelt und Technologie. KI soll im Kampf gegen die Klimaerwärmung und beim Schutz der Ökosysteme einen entscheidenden Beitrag leisten. Momentan befindet die sich energiepolitisch jedoch auf einem unhaltbaren Kurs. Die jüngsten Prognosen gehen davon aus, dass der Energiebedarf für den KI-Sektor im Vergleich zu 2023 im Jahr 2026 zehnmal höher sein wird. Diese Perspektive ist nicht erstrebenswert. Als Reaktion darauf werden wir im Rahmen des Gipfels unter Beteiligung aller Stakeholder eine internationale Koalition für nachhaltige KI begründen. So wollen wir die Forschung zu den Umweltkosten von KI vertiefen, die Modelle in diesem Licht bewerten, neue Standards festlegen und die grünen Investitionen auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette erhöhen.

Alle Akteure an einen Tisch holen

Unser drittes Ziel besteht darin, gemeinsam ein wirkungsvolles und inklusives System der KI-Governance aufzubauen, das sich nicht auf Fragen der Ethik und der Sicherheit beschränkt. Weitere Aspekte sind entscheidend. Wir müssen über sämtliche Themen diskutieren, so etwa über den Schutz der Grundfreiheiten, das geistige Eigentum, die verwandten Schutzrechte, die Bekämpfung der Marktkonzentration oder den Zugang zu Daten. Wir müssen außerdem alle an einen Tisch holen, um über Fragen wie die globale KI-Governance zu diskutieren. Weltweit sind heute lediglich sieben Länder an den wichtigsten internationalen KI-Initiativen beteiligt, während 119 Länder dabei komplett fehlen. Darüber hinaus müssen auch private Akteure und die Zivilgesellschaft miteinbezogen werden, damit eine gemeinsame Architektur für die internationale KI-Governance geschaffen werden kann.

Frankreich ist auf dem Weg zu diesem Gipfel nicht allein. Mehr als 700 sowohl öffentliche als auch private Partner, Forschende und NGOs von fünf Kontinenten leisten bereits seit mehreren Monaten ihren Beitrag zur Vorbereitung. Alle Themen werden behandelt: von der Zukunft der Arbeit bis hin zu frugaler KI (auch genügsame KI genannt), von der Sicherheit der Modelle bis hin zu Innovationsökosystemen und von der notwendigen sprachlichen und kulturellen Vielfalt bis hin zum Schutz von personenbezogenen Daten. Wir zählen auf Ihre Mithilfe: Sie alle sind eingeladen, uns auf dem Weg zum KI-Aktionsgipfel zu begleiten, damit wir gemeinsam in einem Rahmen des Vertrauens am Aufbau der KI im Dienste aller für eine offenere und inklusivere Welt in Wohlstand arbeiten können.

Der KI-Aktionsgipfel wird ein Höhepunkt für Europa sein, das auf der internationalen KI-Bühne eine führende Rolle einnehmen muss. Europa ist nicht nur Vorreiter bei der Regulierung, insbesondere seit dem Inkrafttreten der Verordnung über künstliche Intelligenz am 1. August 2024, sondern auch eine Innovationsmacht im digitalen Bereich. Vergessen wir nicht: Europa ist die Wiege von Bluetooth, ASML, Linux und den TCP/IP-Protokollen, ohne die das Internet nicht funktionieren würde, und hat zudem große KI-Akteure wie Mistral, Aleph Alpha oder Helsing hervorgebracht.

Deutschland und Frankreich kommt bei der Umsetzung einer europäischen KI-Politik eine besondere Rolle zu. Unsere beiden Länder haben KI zu einem der Hauptschwerpunkte ihrer Zusammenarbeit gemacht, in erster Linie durch die Vernetzung ihrer Forschungs-, Kreativ-, Innovations- und Industrieakteure. Diese Dynamik muss sich weiter verstärken, damit im Hinblick auf den KI-Aktionsgipfel eine klare Vision und mutige Vorschläge im Dienste der europäischen Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit formuliert werden können.

Vor diesem Hintergrund hat der französische Staatspräsident Emmanuel Macron an zwei Gesprächsrunden mit französischen und deutschen Schlüsselakteuren im KI-Bereich teilgenommen, in Dresden am 27. Mai während seines Staatsbesuchs in Deutschland und am 2. Oktober im Rahmen des Berlin Global Dialogue. Diese gemeinsame Arbeit in Forschung und Wirtschaft soll auch alle weiteren Bereiche berühren, für die KI zu einem Versprechen und zugleich bei bestimmten Aspekten zu einer Herausforderung geworden ist, etwa Kultur, Medien oder öffentliches Handeln. Im Februar werden die KI-Ökosysteme Frankreichs, Deutschlands und Europas sowie ihre Talente gewürdigt: Die 27 EU-Mitgliedstaaten sind ebenso eingeladen wie die Europäische Kommission, die aktiv zur Vorbereitung des Gipfels beiträgt.

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