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Digitalisierung & KI

Standpunkte Wie der Digitalpakt II endlich zum großen Wurf werden könnte

Amanda Maiwald, Co-Founder & CEO des digitalen Bildungsangebots Complori
Amanda Maiwald, Co-Founder & CEO des digitalen Bildungsangebots Complori Foto: Complori

Bund und Länder streiten über die Nachfolge des Digitalpakts Schule. Im Mittelpunkt der Diskussion stehen derzeit vor allem digitale Endgeräte und der Abruf der Mittel. Doch nach den mäßigen Erfolgen der ersten Runde muss die Bildungspolitik diesmal ehrgeiziger sein.

von Amanda Maiwald

veröffentlicht am 16.05.2024

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Erst die gute Nachricht: Eine abschließende Bilanz steht noch aus, aber bei der digitalen Ausstattung der Schulen hat der Digitalpakt Schule durchaus Fortschritte gebracht. 2024 verfügen 90 Prozent der Schulen zumindest teilweise über komplette Klassensätze digitaler Endgeräte – vor vier Jahren war es erst ein Drittel. Damit hat der Pakt die deutschen Schulen noch nicht ins digitale Zeitalter katapultiert, aber die Rahmenbedingungen ein Stück weit verbessert – auch wenn es zwischen den Schulen zum Teil drastische Unterschiede gibt.

Mitte Mai läuft der Digitalpakt mit einem Gesamtvolumen von 6,5 Milliarden Euro nach fünf Jahren aus. Laut Koalitionsvertrag soll er als Digitalpakt II bis 2030 verlängert werden. Zuletzt gab es allerdings heftigen Streit zwischen Bund und Ländern über den Zeitplan, die Tragweite und die Kompetenzverteilung des Paktes.

Digitale Ausstattung an den Schulen als Grundrecht

Der Mittelabfluss, der von Schulträgern, Kommunen und Schulen einhellig als schleppend bezeichnet wird, muss ganz sicher vorrangig gelöst werden. Abgesehen davon formuliert der aktuelle Entwurf des Bundesbildungsministeriums zum Glück zumindest die Absicht, über die Ziele des ersten Digitalpakts hinausgehen zu wollen. Diese Absicht ist richtig: Es kann selbstverständlich nicht ausreichen, Schulen mit digitaler Infrastruktur auszustatten, sie also ans Netz anzuschließen, WLAN und digitale Endgeräte bereitzustellen, Server und Support zu gewährleisten.

Ohne Frage sind das wichtige, grundlegende Schritte, weshalb die Politik digitale Schulinfrastruktur sogar als Grundrecht formulieren sollte – ähnlich dem Menschenrecht eines jeden Kindes auf Schulbildung und lebenslanges Lernen. Digitale Geräte müssen in Bildungseinrichtungen so selbstverständlich sein wie Schulbuch, Stift oder Tafel – ein Rechtsanspruch darauf ist längst überfällig.

Wer die Kinder von heute zu Pionierinnen und Pionieren des digitalen Zeitalters machen will, muss aber deutlich größer denken. Ob die aktuellen (durchaus unterschiedlichen) Vorstellungen des Bundes und der Länder dazu ausreichen, darf bezweifelt werden. Denn laut dem Papier des Ministeriums soll der Großteil des bereitgestellten Geldes weiterhin in Technik fließen. Das genügt nicht: Schulen müssen zu Hubs werden, die jungen Menschen nicht nur ein iPad in die Hand drücken, sondern sie umfassend zu digitalem Denken und Handeln befähigen. Und genau hier drückt der Schuh.

Pflichtfach Informatik ab der Grundschule

Bei den Lehrplänen fängt es an: Schon in der Grundschule sollten Kinder lernen, die digitale Welt nicht nur zu nutzen, sondern auch zu verstehen und mitzugestalten. Denn wer die Grundprinzipien einer zunehmend digitalen Welt nicht versteht, kann sie auch nicht zu seinen Gunsten nutzen oder verbessern. Genau dieses Verständnis der digitalen Welt fehlt heute vielen Erwachsenen, die nicht mit Internet, Smartphone und Tiktok aufgewachsen sind. Für die jüngeren Generationen sollten wir daraus lernen und bereits in den ersten Schulklassen damit beginnen, Kinder spielerisch an digitale Zusammenhänge heranzuführen. Basale Zusammenhänge der Informatik müssen Teil der Grundbildung werden – wie Lesen, Schreiben und Rechnen.

Spätestens in den weiterführenden Schulen stellt sich die Frage: Warum wird Programmieren nicht zur zweiten Fremdsprache? Hinter all den Tools, Programmen, Nutzeroberflächen und sozialen Netzwerken, die Kinder ganz selbstverständlich nutzen, steckt eine Logik, deren Verständnis für die Bewohnerinnen und Bewohner einer digitalen Welt grundlegend ist. Statt Lateinvokabeln zu pauken, sollten junge Menschen lieber lernen, wie man Code schreibt – das Verständnis dafür wird in Zeiten Künstlicher Intelligenz eher noch an Bedeutung gewinnen.

Künstliche Intelligenz als fester Teil des Schulalltags

Apropos KI: Sie darf erst recht nicht als Nebensache behandelt werden. KI wird unser Leben in den nächsten Jahren stärker verändern als das Internet. Sie wird unser Denken und Arbeiten beeinflussen, unsere Berufe und Karrieren neu gestalten, unseren Alltag revolutionieren.

Mit anderen Worten: KI-Kompetenz entwickelt sich in rasantem Tempo von der Superkraft zum unverzichtbaren Hygienefaktor. Wenn Deutschland auf Dauer wettbewerbsfähig bleiben will, müssen schon Schulkinder fächerübergreifend lernen, mit KI sinnvoll umzugehen. Und es gilt, sie auch frühzeitig mit Grundkenntnissen über die Mechanik von Künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen auszustatten. In der aktuellen Diskussion kommt dies viel zu kurz.

Genauso wichtig: Wie gut sich Kinder und Jugendliche diese Kompetenzen aneignen können, hängt auch vom Know-how der Lehrkräfte ab. Laut dem Deutschen Schulbarometer der Robert Bosch Stiftung fühlen sich 49 Prozent der befragten Lehrkräfte auf den Einsatz digitaler Medien eher nicht oder überhaupt nicht gut vorbereitet. Hierzu sieht das Bundesministerium richtige Schritte vor: Lehrkräfte sollen sich ab 2026 mindestens 30 Stunden pro Jahr fortbilden müssen, auch die Hochschulausbildung soll reformiert werden. Bei Reförmchen darf es aber auch an dieser Stelle nicht bleiben, um sicherzustellen, dass die Schülerinnen und Schüler effektiv unterrichtet werden: Eine Fortbildungswoche pro Jahr ist besser als nichts, doch am Ende geht es um kontinuierliches Lernen auch für die Lehrkräfte.

Innovationsfonds für Bildungsinnovationen

Auch in finanzpolitischer Hinsicht muss digitale Bildung Priorität bekommen. Dazu bietet sich ein Fonds an, der innovative digitale Bildungsinitiativen unterstützt, um die Entwicklung neuer Lehr- und Lernmethoden zu fördern – insbesondere solche, die von Lehrern, Schülern oder Start-ups initiiert werden. Denn das gute alte Schulbuch sollte ohnehin langsam ausgedient haben. Und die vielen dezentralen Initiativen für digitale Bildung haben ja durchaus viele einzelne Erfolge hervorgebracht. Sie zu fördern und zu multiplizieren, würde Deutschlands Schulen in digitaler Hinsicht den so dringend benötigten Schub geben.

Was dazu übrigens gar nicht passt, ist die Aussage des Bundes, die Finanzhilfen seien „eine letztmalige Unterstützung des Bundes“. Genau das sollten sie nicht sein: Digitale Bildung wird im Jahr 2030 ziemlich sicher wichtiger sein als heute. Auch hier müssen Bund und Länder also dringend eine Einigung finden.

Mutige Schritte sind gefragt

Es wird höchste Zeit, dass wir aus dem Sonntagsredenmodus herauskommen und im Digitalpakt II konkrete und mutige Schritte gehen. Der aktuelle Fachkräftemangel ist zu einem großen Teil demografisch bedingt – aber nicht nur. Er ist auch das Ergebnis einer falsch priorisierten, vernachlässigten, langsamen Bildungslandschaft, die trotz vieler positiver Einzelbeispiele in Summe den Anforderungen einer digitalen Welt nicht gerecht wird. Insofern sollten wir eine alte Erkenntnis wiederentdecken: Die Bildungspolitik von heute ist die Wirtschaftspolitik von morgen.

Amanda Maiwald ist Co-Gründerin und CEO des digitalen Bildungsangebots Complori. Für ihr Engagement im Bereich digitale Bildung wurde Amanda Maiwald unter anderem mit dem Digital Female Leader Award (2021), dem Tech Award (2022) und dem KfW Award Gründen für das Land Berlin (2023) ausgezeichnet.

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