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Digitalisierung & KI

Standpunkte Wie wir die digitale Kluft in Europa schließen

Friis Arne Petersen, Dänischer Botschafter in Deutschland
Friis Arne Petersen, Dänischer Botschafter in Deutschland Foto: Christian T. Jørgensen

Der für heute erwartete neuste DESI-Bericht der Europäischen Kommission dürfte abermals aufzeigen, dass es eine digitale Kluft in Europa gibt. Was andere Länder sich von Digitalvorreitern wie Dänemark abgucken können und warum trotzdem jedes Land seinen eigenen Weg finden muss bei der Digitalisierung, weiß der dänische Botschafter Friis Arne Petersen.

von Friis Arne Petersen

veröffentlicht am 11.06.2020

aktualisiert am 31.10.2022

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Die digitale Transformation ist nicht neu. Wir befinden uns dennoch erst am Anfang dieser Entwicklung, welche über kurz oder lang durchgreifende Veränderungen in unserer Gesellschaft mit sich bringt. In der Digitalisierung steckt großes Potenzial, unsere Lebensqualität sowie unsere Gesundheit zu verbessern. Digitale Lösungen können dazu beitragen, den Ressourcenverbrauch in Landwirtschaft und Industrie effektiver zu gestalten. Damit würde sie die absolut notwendige Umstellung hin zu einer nachhaltigeren Volkswirtschaft signifikant unterstützen.

Dänemark, Deutschland und ganz Europa befinden sich in einer neuen Wettbewerbssituation – und es ist nicht gegeben, dass wir unsere starke Position auf dem globalen Markt beibehalten können. Unsere Bestrebungen in Puncto Digitalisierung sind absolut entscheidend; für unseren zukünftigen Wohlstand, aber auch für unsere Fähigkeiten, uns sicher durch Krisen zu manövrieren. Die Covid-19-Pandemie hat ernstzunehmend verdeutlicht, wie groß der Bedarf für eine stärkere Digitalisierung aller Bereiche unserer Gesellschaft ist. Das bedeutet auch: Digitale Lösungen müssen gesamtgesellschaftlich gedacht werden.

Hoch digitalisierte EU-Länder müssen vorangehen

Digitalisierung spielt ebenfalls eine Schlüsselrolle, wenn es darum geht, den Zusammenhalt in der EU zu bewahren und zu stärken. Die EU als Verbund hat eine große Aufgabe vor sich. Bedauerlicherweise steht unser Kontinent vor der Bedrohung einer wachsenden digitalen Kluft. Die jährliche Veröffentlichung der EU-Kommission über die digitale Performance der einzelnen Länder, der DESI, verdeutlicht, dass es eine große Differenz zwischen den Ländern gibt. Die Unterschiede sind besorgniserregend in einem Bereich, der so wichtig für die zukünftige Wettbewerbsfähigkeit ist. Im schlimmsten Fall bedeutet diese Entwicklung Konsequenzen für den Zusammenhalt innerhalb der EU und die wirtschaftliche Bedeutung der EU auf dem globalen Markt. Wenn die digitale Transformation gelingen soll, dann sind hoch digitalisierte Mitgliedsstaaten und ambitionierte gemeinsame Strategien die Voraussetzungen dafür.

Die digitale Transformation ist jedoch in erster Linie eine nationale Verantwortung. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat wiederholt auf eine sehr zukunftsorientierte Weise betont, wie wichtig das Vorankommen im Bereich Digitalisierung ist. Es gibt hier nicht die eine Lösung, passend für alle Länder der EU. Die Vielfältigkeit unserer Regierungssysteme, Verwaltungsstrukturen und unserer kulturellen Hintergründe erfordern verschiedene Wege hin zu einer digitalen Gesellschaft. Wichtig ist nur, dass wir uns bewusstmachen, was auf dem Spiel steht und dass wir handeln.

Europas Wirtschaftsunternehmen benötigen zum Beispiel gute digitale Rahmenbedingungen, wenn sie sich im globalen Wettbewerb behaupten können sollen. Laut einer aktuellen Studie der Europäischen Investitionsbank bleiben viele europäische Unternehmen hinter den amerikanischen zurück, wenn es um den Stand der Digitalisierung geht. Das ist ein Problem, denn wir wissen, dass Unternehmen mit einem hohen Grad an Digitalisierung allgemein produktiver und innovativer sind, schneller wachsen und mehr gut bezahlte Arbeitsplätze generieren als ihre weniger digitalen Mitkonkurrenten. Aus diesem Grund steht die Digitalisierung der Wirtschaft in Dänemark stark im Fokus.

Europa braucht eine digitalpolitische Offensive

Darum brauchen wir eine europäische digitalpolitische Offensive. Wir müssen Investitionen in digitale Infrastruktur stärker priorisieren, beispielsweise in 5G oder schnelle Breitbandverbindungen. Wir müssen Unternehmen dazu motivieren, digitale Lösungen als Chance zu sehen und diese zu nutzen. Und wir müssen den digitalen Binnenmarkt innerhalb der EU stärken.

Digitalethik zum USP machen

Bei Europas digitaler Entwicklung geht es jedoch nicht nur um Wirtschaft. Es geht auch um Normen und Werte; darum, die EU in ihrer Autonomie zu stärken und ihren eigenen europäischen Digitalisierungszugang zu definieren. Wir müssen in der Lage sein, globale Standards zu setzen und ein Modell zu entwickeln, das unter anderem als Ziel hat, den ethischen Umgang mit Daten zu fördern. Ein ambitionierter Zugang zur Datenethik durch die Errichtung einer europäischen datenethischen Verbrauchermarke würde europäischen Unternehmen einen Wettbewerbsvorteil auf dem globalen Markt verschaffen und zu gleicher Zeit die Nachfrage nach Datenethik in anderen Teilen der Welt positiv beeinflussen.

Wenn wir die digitale Kluft überwinden und Europa zu einem Digitalen Vorreiter machen wollen, dann müssen wir nicht zuletzt unser Denken über die Digitalisierung einer Transformation unterziehen. In einer digitalen Gesellschaft spielt die geistige Haltung eine genauso große Rolle wie die Technik. Jeder für sich hat eine Verantwortung für die digitale Entwicklung. Unsere Regierungen spielen hier eine tragende Rolle in dieser Entwicklung, aber es bedarf sowohl Mut und Neugierde seitens der Politik als auch seitens der Bürgerinnen und Bürger sowie der Unternehmen, wenn wir als Europäer die digitale Transformation meistern wollen.

Der Diplomat Friis Arne Petersen ist seit 2015 Botschafter des Königreichs Dänemark in der Bundesrepublik . Er ist außerdem akkreditierter Botschafter in der Schweiz und in Liechtenstein. Vor 2015 war Petersen unter anderem Botschafter in den USA und in China. 

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