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Standpunkte Wir brauchen einen digitalen Bildungsgipfel!

Nadine Schön, stellv. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende
Nadine Schön, stellv. CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Foto: Tobias Koch

Wenn die digitale Bildung nicht vor Corona zurückfallen soll, müssen Bund und Länder jetzt gemeinsam ein neues bildungspolitisches Leitbild entwickeln, fordert Nadine Schön. Denkbar seien auch ein digitales Sabbatical für Lehrer oder ein Ferienworkshop für Schülerinnen und Schüler.

von Nadine Schön

veröffentlicht am 20.05.2020

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Digitale Bildung von Null auf Hundert. Lehrkräfte, Eltern, Schülerinnen und Schüler arbeiten von einem Tag auf den anderen digital. Politik und Gesellschaft diskutieren darüber. Alle betonen die Bedeutung. Für die Bildung in Deutschland könnte Corona ein heilsamer Schock gewesen sein. Könnte? Ja. Denn ausgemacht, dass sich wirklich nachhaltig etwas ändert, ist es noch nicht. Dazu bedarf es folgender Voraussetzungen:

1) Nicht zum Status vor Corona zurückkehren

Wir dürfen nicht mehr zurück. Gerade ist vieles möglich geworden, was vor ein paar Wochen noch undenkbar erschien. Wir haben es einfach gemacht und gesehen: Vieles funktioniert. Vieles funktioniert auch (noch) nicht. Deshalb gilt es nun, gute Erfahrungen mitzunehmen und den Ausflug in digitale Lernwelten nicht als einmaliges Ereignis zu betrachten. Bund und Länder müssen sich zusammensetzen und gemeinsam Defizite beheben und die Zukunft der Bildung gestalten. Wir brauchen einen digitalen Bildungsgipfel!

2) Digitalkompetenz als Schlüsselkompetenz verstehen

Wir dürfen nicht zu kurz greifen. Digitale Bildung ist weit mehr als die Nutzung von Schulclouds und Tablets. Wir müssen uns grundsätzlich fragen, was digitale Bildung leisten soll. Schon Humboldt definierte die Anforderungen an Schulbildung so, dass sie aus Jugendlichen aufgeklärte Menschen machen soll, damit sie ihre Potenziale zu voller Entfaltung bringen können. Und heute müssen wir uns fragen: Wie können wir in einer Welt, die sich immer stärker vernetzt, als mündige Bürger selbstbestimmt leben? Wie können wir die Möglichkeiten der Digitalisierung nutzen, um Probleme zu lösen?

Wir brauchen umfassende Digitalkompetenz: Das hat die Gesellschaft für Informatik bereits 2016 erkannt und das sogenannte „Dagstuhl-Dreieck“ entwickelt. Digitale Bildung wird hier aus drei unterschiedlichen Perspektiven betrachtet: aus einer technologischen, einer anwendungsbezogenen und einer gesellschaftlich-kulturellen Perspektive.

Genau das macht digitale Bildung aus – sie ist ganzheitlich. Aus diesem Grund unterstütze ich auch die Digital Charta der Gesellschaft für Informatik ebenso wie die gerade neu gestartete „Offensive Digitale Schultransformation – OdigS“, die von GI und Bitkom initiiert wurde.

Daraus müssen wir ein neues bildungspolitisches Leitbild entwickeln – und zwar über alle Glieder der Bildungskette hinweg. Schulen, Berufsschulen, Hochschulen, aber auch berufliche Weiterbildung und Volkshochschulen zähle ich hier ausdrücklich dazu. Das ist natürlich ein politischer Kraftakt, der nur ebenenübergreifend gelingen kann. Aber genau dafür brauchen wir einen digitalen Bildungsgipfel von Bund und Ländern.

3) Voraussetzungen schnell schaffen

Dass sich etwas ändern muss, darüber reden wir schon lange. Es scheitert häufig an der Umsetzung. Noch zu oft hängt digitale Bildung vom Engagement einzelner Lehrkräfte vor Ort ab. Ich erlebe es selbst in meinem Wahlkreis: Schulen in denen einzelne, digital-affine Lehrer die Initiative ergreifen, viel Herzblut und Zeit investieren, Medienkonzepte entwickeln und sich um die technische Ausstattung kümmern, kommen schneller voran als andere. Das zeigt aber auch, dass es so nicht weitergehen kann. Wir können nicht nur auf das Engagement einzelner Lehrer setzen.

Die Länder müssen jetzt schneller werden bei der Umsetzung ihres Parts des Digitalpakts. Das bedeutet: Die technische Ausstattung muss auf den Stand der Dinge gebracht werden. Und noch wichtiger: Es müssen Lehrpläne, die Lehrerausbildung und die Weiterbildung angepasst werden. Warum nicht ein „Digital Sabbatical“ zur Weiterbildung von Lehrern einführen?

Und auch hier darf man vernetzt und digital denken: Fortbildungen und Unterrichtsmaterialien sollten stärker als bisher auf digitalen Plattformen angeboten werden, Schulträger und Länder müssen sicherstellen, dass die Plattformen und Clouds offene Schnittstellen haben und interoperabel sind. Öffnung und Vernetzung statt Abschottung und Kleinstaaterei: Nur so werden wir zur digitalen Bildungsrepublik.

4) Zeit und Raum für Neues schaffen. Jetzt.

Fangen wir direkt an. Motivierte und kreative Köpfe gibt es viele in unserem Land.  Zahlreiche Menschen und Initiativen denken Bildung neu. Geben wir ihnen Raum und Zeit! Öffnen wir unsere Schulen für Impulse von außen. Warum kein Ferienworkshop – digital oder analog – in dem Schülerinnen und Schüler selbst ihre Zukunft denken und bauen? Warum keine regelmäßigen freien Tage in den Schulen, an denen ganz anders gelernt wird: vernetzt, projekt- und themenorientiert, mit neuen Methoden des vernetzten Denkens und Arbeitens, mit digitalen Möglichkeiten und dem Input von außen?

Es muss nicht jeder das gleiche machen. Aber jeder kann davon profitieren, was der andere macht. Wir müssen die Vielfalt unseres Landes nutzen – gerade für die Bildung der Zukunft! Wir brauchen Zukunftsdenken. Die Chance ist da. Nutzen wir sie zum Neustart.

Nadine Schön ist stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag.

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