Die Corona-Pandemie hat allerorten für heftige Verwerfungen gesorgt – auch am Strommarkt. Der drastisch eingebrochene Börsenstrompreis wirkt für Windenergieanlagen am Ende ihrer Förderdauer existenzbedrohend. Zum Jahreswechsel 2020/21 läuft nämlich für knapp 5000 Windgeneratoren mit einer Leistung von rund 3,7 Gigawatt (GW) die EEG-Vergütung aus, in den drei Folgejahren sind es jeweils noch einmal 1500 bis 2000 Anlagen.
Die allermeisten Turbinen könnten technisch problemlos weiterlaufen. Die Betriebskosten dieser Altanlagen liegen im Schnitt unter vier Cent pro Kilowattstunde und sind damit deutlich geringer als bei neuen Kraftwerken jedweden Typs. Damit könnten diese Altanlagen dringend benötigte Ökostrommengen zu unschlagbar günstigen Preisen produzieren – wenn sie ihre Betriebskosten dauerhaft decken können.
Strukturprobleme des Stromhandels verschärft
Schon vor der Corona-Krise waren die Börsenstrompreise durch fossile Überkapazitäten und eine nicht ausreichend effektive CO2-Bepreisung vergleichsweise gering. So lag der Monatsmarktwert für Windstrom im Mai 2019 etwa bei 3,6 Cent pro Kilowattstunde (kWh) – auch damals mussten Ökostrom-Vermarkter wie Naturstrom schon mit spitzer Feder rechnen, um den angestrebten Weiterbetrieb der Anlagen mittels vergütungsfreiem Stromvertrieb zu ermöglichen.
Die Viruspandemie hat diese Pläne und Kalkulationen nun vollends über den Haufen geworfen, die Windmarktwerte sanken im Februar und März auf unter zwei Cent je kWh, im April wurde sogar die Ein-Cent-Grenze unterschritten. Bei solchen Marktwerten ist selbst bei zusätzlicher Einpreisung der Grünstromeigenschaft kein Angebot an die Betreiber möglich, welches die Kosten des Weiterbetriebs annähernd abdeckte.
Wenn keine Weiterbetriebsperspektive für die Anlagen geschaffen wird, droht eine massenhafte Abschaltung technisch überwiegend einwandfreier Maschinen und damit ein Nettorückbau von Windleistung in Deutschland – eine Entwicklung, die wir uns weder aus Klimaschutzgründen noch mit Hinblick auf die ohnehin schon in den kommenden Jahren drohende Ökostromlücke leisten können.
Unser Vorschlag: eine befristete und begrenzte Auffangprämie
Aus unserer Sicht bleibt in der aktuellen Situation wie in vielen anderen Branchen auch für die alten Windenergieanlagen nur eine staatliche Auffanglösung, obwohl sich gerade Öko-Energieversorger wie Naturstrom schon sehr auf die vergütungsfreie Vermarktung der aus dem EEG fallenden Windstrommengen gefreut haben. Der drastische Einbruch der Börsenstrompreise lässt aber keine andere Lösung zu, wenn die Anlagen weiter am Netz bleiben sollen. Die Auffanglösung soll daher aber wirklich nur eine solche sein und allein die aktuelle Sondersituation überbrücken – die Zielperspektive für (größere) EEG-Anlagen nach dem Ende ihres Förderzeitraums bleibt die freie Vermarktung.
Ganz konkret schlagen wir eine an das Ende der EEG-Förderdauer anknüpfende Verlängerung vor, allerdings mit einer deutlich verringerten Auffangvergütung in Höhe von 3,2 Cent pro Kilowattstunde und nur für die Jahre 2021 und 2022. Dies wird zwar auch nicht immer zur Abdeckung der Betriebskosten reichen, sollte aber für viele Anlagenbetreiber ein ausreichender Anreiz zum Weiterbetrieb bis zur Normalisierung der Situation an der Strombörse sein.
Wichtiger Aspekt wäre bei dem Ansatz zudem, dass der Strom unkompliziert weiterhin von den Netzbetreibern abgenommen wird. Der Wechsel in die sonstige Direktvermarktung und damit die Wahrnehmung von Marktchancen durch den freien Verkauf des Ökostroms wäre in dem System aber monatlich möglich – auch dies trägt dazu bei, dass die Auffanglösung nur genutzt wird, wenn es eben nicht anders geht.
Individuelle Anlagencharakteristika berücksichtigen
Da die Betriebskosten je produzierter Kilowattstunde von den möglichen Stromerträgen und somit auch von der Standortqualität abhängen, sollte die Förderung je nach Anlage angepasst werden – nicht zuletzt, um Anlagen an besonders guten Standorten nicht zu übervorteilen. Hierfür bietet sich das bewährte Referenzertragsmodell an. Wir schlagen eine Erhöhung beziehungsweise Absenkung der Basisvergütung um 0,1 Cent/kWh je fünf Prozent Abweichung von einem 100 Prozent-Ertrag vor.
Kleinanlagen unter einem Megawatt Leistung, die mehr als die Hälfte der in 2021 betroffenen Leistung ausmachen, haben zudem eine deutlich andere Kostenstruktur. Hier ist aus unserer Sicht ein ergänzender Aufschlag von je 0,2 Cent/kWh für jeden 250kW-Schritt, den die Anlage die MW-Grenze unterschreitet, ein gangbarer Weg, um zumindest einen Teil dieser Anlagen zu erhalten. Die Standort- und Kleinanlagen-Aufschläge sollen dabei nicht unbegrenzt kombinierbar sein, sondern bei maximal 4,5 ct/kWh gedeckelt sein – auch damit wird der reine Auffangcharakter der hier vorgeschlagenen Lösung unterstrichen.
Nur wenig Kosten für viel Ökostrom
Auch eine solche Auffanglösung wird sicher nicht alle alten Windenergieanlagen am Netz halten. Selbst unter Berücksichtigung einiger Marktabgänge (15 Prozent der Windenergieanlagen unter einem MW sowie 25 Prozent der kleineren Anlagen) steht die verbleibende Altanlagenflotte allein 2021 für eine Stromerzeugung von 4,3 Milliarden kWh. 2022 sind es dann 7,3 Milliarden kWh – genug, um etwa mit jedem der eigentlich in Deutschland schon für 2020 angestrebten eine Million Elektroautos 36.500 Kilometer zu fahren.
Nach einer ersten Abschätzung liegen die im EEG-System zusätzlich auflaufenden Kosten, auch unter vorsichtigen Annahmen für 2021 und 2022, in Summe bei gerade einmal rund 15 Millionen Euro. Die volkswirtschaftlichen Kosten wären damit im Gegensatz zu den Strommengen gesamtsystemisch kaum relevant.
Auffanglösung als ein Baustein – Gesamtkonzepte nötig
Der hier skizzierte Vorschlag kann mit der Sicherung des Weiterbetriebs vieler Windenergieanlagen ein wichtiger Baustein für die Energiewende in den kommenden Jahren sein. Insgesamt braucht es für unsere Energiewende- und Klimaschutzziele aber natürlich ganzheitliche und langfristigere politische Konzepte, in die auch aus dem EEG fallende Altanlagen eingepasst sind. Grundlegend ist hier natürlich ein weiterer und beschleunigter Ausbau der Erneuerbaren – die irgendwann definitiv außer Betrieb gehenden Anlagen müssen dabei als zusätzlicher Zubau berücksichtigt werden.
Dazu gehört, eingebettet in einen generellen
Umbau des Energiemarktdesigns, ein Mindestpreis
für CO2 im ETS, damit die Strombörsenpreise zumindest annähernd die aus der
jeweiligen Erzeugung resultierenden Schadenskosten widerspiegeln. Auch eine einfachere Eigenverbrauchslösung, etwa für Erneuerbare-Energien-Gemeinschaften,
können einen Markt für Altanlagen bieten. Und die Vereinfachung von Repowering ist notwendig, um die meist
gut akzeptierten Standorte von alten Windenergieanlagen auch nach dem Ende der
tatsächlichen technischen Lebensdauer weiternutzen zu können. So kann der zu
Ende gehende Förderzeitraum für die ersten EEG-Anlagen und die hier
vorgeschlagene, einer außergewöhnlichen Situation geschuldete Auffangprämie die Brücke in eine neue Phase der
Energiewende werden.