Nutzen Sie noch ein analoges Telefon mit Wählscheibe? Wahrscheinlich nicht. Und höchstwahrscheinlich tragen Sie 2019 auch kein Nokia 3310 mehr bei sich, so robust es auch gewesen sein mag. Nein, im Normalfall gehört ein Smartphone – ganz gleich welcher Marke – zu Ihrem täglichen Begleiter. Und das Telefonieren, die Grundfunktion aller drei Geräteklassen, ist über die Jahre mehr und mehr in den Hintergrund gerückt und wird von Apps jeglicher Art überlagert, eine ständige Daten-Verbindung mal vorausgesetzt. Doch warum erzähle ich das? Wendet man die Telefon-Analogie auf das Feld der in Deutschland eingesetzten Stromzähler an, dann sieht die gängige und bevorzugte Praxis in Zukunft so aus, dass man einen Großteil von Wählscheibentelefonen durch das Nokia 3310 ersetzt. Man kann also auch weiterhin telefonieren und die Zahlen werden sogar digital dargestellt, aber darüber hinaus?
Zugegeben, die Analogie trifft nicht zu 100 Prozent, aber sie illustriert das Grundproblem doch recht anschaulich. Denn in der Realität werden auf Grundlage des Messstellenbetriebsgesetzes tausende der bekannten schwarzen Ferraris-Zähler, dessen Erfinder übrigens bereits 1897 verstorben ist, durch sogenannte moderne Zähler ersetzt. Die sind dann meist weiß, stellen den Stromverbrauch digital dar – sind dabei aber alles andere als smart. Im Gegenteil, allein das Ablesen gestaltet sich schwierig: Denn viele dieser Geräte müssen umständlich mit einer Taschenlampe „angeblinkt“ werden – ein Vorgang, der in Zeiten von Industrie 4.0 oder dem IoT geradezu anachronistisch wirkt und dem Satiremagazin „Extra 3“ sogar ein Beitrag in der Rubrik „Irrsinn der Woche“ wert war.
Netzbetreiber verzichten faktisch auf Digitalisierung
Die berechtigte Frage lautet folgerichtig: Warum ersetzt man nicht gleich Wählscheibentelefone durch zeitgemäße Smartphones? Denn es gibt sie, die Smartphones unter den Stromzählern. Intelligente Messsysteme (iMSys) verfügen im Unterschied zur modernen Variante über eine Kommunikationseinheit, mit der Daten sicher ausgetauscht werden können. Und erst durch diese Eigenschaft lassen sich zukunftsfähige Konzepte realisieren. Angefangen von datenbasierten Mehrwertdiensten für Kunden bis hin zu Optimierungspotential für die Messstellenbetreiber, meist Stadtwerke, hinsichtlich der Auslastung ihrer Netze. Netzbetreiber, die auf diese kommunikative Anbindung verzichten, verzichten damit faktisch auf die Digitalisierung.
Gerechterweise muss man festhalten, dass das Projekt „Digitalisierung der Energiewende“ mit einigen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hatte. Denn die für intelligente Messsysteme benötigten Smart Meter Gateways, sozusagen die Schaltzentralen für den Datenaustausch, müssen vor der Zulassung einen Zertifizierungsprozess durch das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) durchlaufen. Erst nachdem das BSI drei Smart Meter Gateways zertifiziert hat, dürfen die intelligenten Stromzähler auf dem deutschen Markt verbreitet werden.
Nach vielen Verzögerungen hat das BSI nun kurz vor Jahresende eben diese dritte Zertifizierung bekannt gegeben. Was noch aussteht, ist die sogenannte Markterklärung, in der die Behörde die besonderen Anforderungen unterschiedlicher Einsatzbereiche den technischen Möglichkeiten der Geräte gegenüberstellt. Eine entsprechende Analyse soll nach Angaben des BSI Anfang 2020 abgeschlossen werden – ein Zeitpunkt, den die gesamte Branche nun umso mehr herbeisehnt.
Allerdings muss man dem BSI zugutehalten: In Zeiten der Digitalisierung ist das Thema IT-Sicherheit von zentraler Bedeutung, nicht zuletzt für die Akzeptanz beim Verbraucher. So gesehen ist es nur sinnvoll, dass mit der Zulassung eines so wichtigen Bausteins wie des Smart Meter Gateways die höchste Instanz in Sachen IT-Sicherheit in Deutschland betraut wurde. Deshalb sollten auch die Verzögerungen – so ärgerlich sie auch waren und sind – nicht zur Resignation für das ganze Projekt führen.
Warum so zögerlich?
Dennoch bleibt die Frage: Warum agieren deutsche Stadtwerke, und damit Städte, so zögerlich in Sachen Digitalisierung ihrer Stromnetze? Wenn uns die Entwicklungen der letzten 20 Jahre eines gezeigt haben: An der Digitalisierung führt kein Weg vorbei und auch die Zukunft der Stadt ist digital. Die Frage ist also nicht, ob es passiert, sondern wann. Wenn wir uns im Zuge der Klimadebatte mit der Energieversorgung durch nicht-fossile Energieträger beschäftigen, wird dieses Vorhaben ohne eine passende Infrastruktur, die auf intelligenten Smart Metern und dazugehörigen Gateways beruht, nicht umsetzbar sein.
Das Gebot der Stunde lautet deshalb: Wir sollten intelligent – und nicht nur modern – vernetzen. Der bloße Austausch von alten Ferraris-Zählern hin zu digitalen, aber dummen Stromzählern kann keine Zukunftsstrategie sein. Denn setzt man auf diese Karte und lässt die Chance auf eine flächendeckende Digitalisierung jetzt verstreichen, heißt es vielleicht in wenigen Jahren bei einigen Städten „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ – um die Analogie der Telefone an dieser Stelle noch einmal aufzugreifen.