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Energie & Klima

Nahverkehr „Den Nahverkehr sofort verbessern“

Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) hält viel von der Idee, unentgeltlichen öffentlichen Nahverkehr anzubieten. Deutlich mehr Menschen würden in Busse und Bahnen einsteigen. Die Kommunen bräuchten aber mehr Freiheit bei der Finanzierung.

Cordula Eubel

von Cordula Eubel

veröffentlicht am 14.02.2018

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Herr Palmer, die Bundesregierung erwägt, den öffentlichen Nahverkehr in einigen Städten kostenfrei zu machen. Kann das ein Beitrag sein, die Luft sauberer zu machen?


Nicht nur das. Kostenfreier Nahverkehr ist die einfachste und billigste Lösung für Staus, Parkplatznot, schlechte Luft und Klimaschutz im Stadtverkehr. Und sie erspart Ärger mit der EU-Kommission. Machen!


Wie viele Menschen könnten sich so denn ermuntern lassen, ihr Auto stehen zu lassen?


Wir haben in Tübingen mit Modellrechnungen ermittelt, dass sofort ein Drittel mehr Menschen in die Busse einsteigen würden. Genau wissen wir es aber nicht, weil es in Deutschland nie ausprobiert wurde. Wenn ich aber bedenke, wie groß die Proteste wegen jeder Preiserhöhung sind, dann glaube ich schon, dass der Effekt spürbar wäre. Außerdem würden wir den Nahverkehr sofort verbessern, dann würden noch mehr Leute einsteigen.


Sollte der Bund die Kosten komplett übernehmen?


Das muss er gar nicht. Es würde schon reichen, wenn er den Kommunen erlauben würde, eine Abgabe zur Finanzierung des Nahverkehrs einzuführen. In Tübingen würden 15 Euro pro Kopf und Monat ausreichen und wir hätten dafür eine Mehrheit im Gemeinderat. Wir dürfen aber nicht, weil die gesetzliche Grundlage fehlt. Ein Modellprojekt müsste der Bund bezuschussen. Ich habe vor einem Jahr angeboten, dass Tübingen die Fahrgeldausfälle von neun Millionen Euro übernimmt, wenn der Bund die Mehrkosten der Zusatzangebote von sechs Millionen trägt. Leider gab es darauf keine Reaktion. Vielleicht ja jetzt?


Ist es nicht viel wichtiger, den Nahverkehr erstmal auszubauen?


Das eine tun und das andere nicht lassen. Mit kostenfreiem Nahverkehr werden die Angebote besser genutzt, eine größere Nachfrage führt auch zu mehr Ausbau. Wenn man akzeptiert, dass Umfinanzierung keine Kosten hat, dann steht nicht mehr oder weniger Geld für den Ausbau zur Verfügung, wenn man auf die Erhebung von Fahrpreisen verzichtet.


Ist es nicht ungerecht, wenn Autofahrer für den Nahverkehr zahlen müssen, obwohl sie ihn gar nicht nutzen?


Wenn es ungerecht wäre, öffentliche Leistungen für andere zu finanzieren, dann dürfte es wegen der Kinderlosen keine kostenfreien Schulen geben, wegen der Handwerker keine kostenfreien Universitäten oder wegen der Radfahrer keine kostenfreien Autobahnen. Ob ein Angebot von den Nutzern oder der Allgemeinheit finanziert wird, hängt von politischen Entscheidungen und Zielen ab. Wir wollen, dass der Geldbeutel nicht über die Bildung entscheidet, deshalb zahlen nicht die Eltern, sondern alle. Wenn wir wollen, dass sehr viel mehr Menschen Bus und Bahn in den Städten benutzen, dann kann der Zutritt durchaus kostenfrei sein.


Das Interview führte Cordula Eubel

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