Seien es die Wälder in Spanien, Rumänien, der französischen Gironde, im Nationalpark Harz, im Nationalpark Sächsische Schweiz oder zuletzt im Berliner Grunewald: Im Hitze-Sommer 2022 sorgen Dürre und verheerende Waldbrände in ganz Mitteleuropa dafür, dass wir den Klimawandel auch bei uns hautnah zu spüren bekommen. Nicht nur für die Politik, auch für Wirtschaft und Gesellschaft ist es ein erneuter Weckruf: Für echten Klimaschutz, der letztendlich erfolgreich nur im globalen Maßstab sein kann. Aber auch ein Weckruf für die unvermeidbare Anpassung an den Klimawandel.
Dreh- und Angelpunkt für die Vitalität und Produktivität unserer Wälder ist ein aktiver Waldumbau. Damit unsere Wälder besser gegen die auch für Deutschland prognostizierte Klimaerwärmung geschützt sind, brauchen wir artenreiche Mischwälder mit Baumarten, die an künftige Klimabedingungen angepasst sind. Denn der Wald der Zukunft sieht anders aus als heute. Die Deutsche Meteorologische Gesellschaft schätzt die künftige globale Erwärmung bis ca. 2040 auf 1,7 Grad über dem Wert von 1900 (neun Grad).
Bis 2100 könnten es drei Grad werden. Das ist sehr warm und trocken für viele unserer Waldbäume. Aber dennoch wäre es falsch, den Wald sich selbst zu überlassen und darauf zu warten, dass er sich an neue Bedingungen anpasst. Zwar braucht der Wald nicht den Menschen, um sich an neue Bedingungen anzupassen. Das schafft er über mehrere Jahrhunderte auch selbst. Aber der Mensch braucht den vitalen Wald: als Ökosystem, Wasserspeicher, Schattenspender, Kohlenstoffspeicher, Erholungsraum und natürlich auch als Lieferant des regionalen, klimafreundlichen Rohstoffes Holz.
Mischwälder sind widerstandsfähiger
Aus zweierlei Gründen muss der Waldumbau ein verjüngender Waldumbau sein. Erstens: Damit der Wald vor Gefahren wie Dürre, Schädlingsbefall und Feuer besser gewappnet ist. Gesunde Mischwälder mit klimaresilienten Baumarten und einer aufgelockerten Altersstruktur haben bessere Chancen im Klimawandel zu bestehen als überalterte Wälder.
Zweitens gilt es, das Klimaschutzpotenzial der Wälder zu heben. Alte Bäume speichern weniger Kohlenstoff als junge, vitale Wälder, die in der Jugend den höchsten Zuwachs haben und damit auch in dieser Zeit die höchsten Mengen Kohlendioxid binden. Der Wald der Zukunft sollte auch weiterhin den Bedarf der Gesellschaft an regionalem Holz decken können. Heute bestehen die Holzprodukte zu 90 Prozent aus Nadelholz. In der jungen Waldgeneration werden aus öffentlichen Mitteln jedoch überwiegend Laubhölzer gefördert.
Jährlich wachsen in Deutschlands Wäldern knapp 120 Millionen Kubikmeter (cbm) Holz pro Jahr zu. Aber nur gut 65 bis 80 Millionen cbm werden durchschnittlich pro Jahr in Deutschland geerntet. Der Wald in Deutschland wurde in den letzten Jahrzehnten aufgrund einer nachhaltigen Forstwirtschaft nicht ausgebeutet. Im Gegenteil: Die Waldfläche und die Holzvorräte im deutschen Wald sind gestiegen, auf zuletzt mehr als elf Millionen Hektar und 358 cbm je Hektar. Es wurde also viel weniger genutzt als nachwächst – die bekannteste Formel der Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft.
Holzprodukte als Kohlenstoffsenke
Ein Beispiel, wie viel Potenzial ungenutzt bleibt, liefert die Eiche: Während laut offiziellen Erhebungen das nachhaltig nutzbare Potenzial im deutschen Wald auf etwa sechs Millionen cbm zu beziffern ist, wurde in den letzten Jahrzehnten davon nicht einmal ein Drittel genutzt.
Eichenholz wird zum Beispiel für viele hochwertige Verwendungen nachgefragt, etwa in der Möbel- und Parkettindustrie, in deren Produkten das Holz über Jahrzehnte zum langlebigen Kohlenstoff-Speicher wird. Denn ein Kubikmeter Holz bindet rund eine Tonne Kohlenstoff. Bei einem durchschnittlichen CO2-Fußabdruck deutscher Verbraucher von rund acht Tonnen pro Jahr zeigt das, was Holz als Klimaschützer leisten kann.
Um den Wald schnellstmöglich an die neuen Bedingungen anzupassen, müsste jedoch deutlich mehr Holz eingeschlagen werden als bislang. Von Dürre und Schädlingen bedrohte Bäume sollten genutzt werden, um Licht auf den Waldboden zu bringen und der jungen Generation Platz zu machen. Auf großer Fläche im Wald verbleibende tote Bäume sind oft der Zunder für die zunehmenden Waldbrände.
Noch deutlich größer ist der Klimaschutzeffekt des Holzes durch den Ersatz alternativer Baustoffe mit einem höheren CO2-Fußabdruck. Gegenüber einer konventionellen Bauweise können allein durch eine Konstruktion aus Holz mehr als 50 Prozent der Treibhausgase eingespart werden.
Schutz der Wälder als politisches Feigenblatt
Bestrebungen der EU und der Bundesregierung, die Holznutzung im Wald weiter einzuschränken, gehen in genau die falsche Richtung. Der Entwurf des Klimaschutz-Sofortprogramms gibt zwar richtigerweise das Ziel aus, die Resilienz der deutschen Wälder zu erhöhen. Anders als im Entwurf nahegelegt, wird dieses Ziel aber nicht durch eine Verringerung der Holzernte erreicht. Neue Nutzungsverbote im deutschen Wald sind nicht nur aus Sicht des Klimaschutzes, sondern auch aus wirtschaftlicher Sicht die falsche Antwort auf die Klimakrise.
Die Politik sollte die Warnung der Forschung beherzigen. Die Folgen weiterer Flächenstilllegungen im deutschen Wald wären gravierend, wie das Thünen-Institut als Ressortforschungsinstitut des Bundeslandwirtschaftsministeriums kürzlich berechnete: Schon 2030 wären eine Halbierung des EU-Holzaufkommens und mehr Importe zu erwarten. Klassische Leakage-Effekte durch die Verlagerung von Produktionsstätten wären die Folge. Das hieße, wir kaufen die Holzprodukte in anderen in Ländern mit oft geringeren ökologischen Standards in der Waldbewirtschaftung und transportieren sie mit einem höheren CO2-Rucksack nach Deutschland.
Regionale Rohstoffverfügbarkeit sichern
Die Bundesregierung muss sich deshalb nicht nur zum Holzbau, sondern auch zur Holznutzung bekennen. Die bisher präsentierten Beschlüsse zum Klimaschutzsofortprogramm klammerten Landnutzung und Forstwirtschaft weitgehend aus. Die Regierung ist hier in der Bringschuld, wie auch bei der noch 2022 erwarteten Holzbau- und Ressourcenstrategie. Pläne zu mehr Holzbau müssen Hand in Hand gehen mit der hiesigen Holznutzung. Es geht darum, die regionale Rohstoffverfügbarkeit zu sichern und das Dickicht überbordender Bürokratie beim Bauen mit Holz zu lichten.
Die Bundesländer sind aufgerufen, das Baurecht zu vereinfachen, wenn wir bundesweit 400.000 klimafreundliche neue Wohnungen bauen und die Sanierungsrate im Bestand steigern wollen. Magere 20 Prozent Holzbauquote reichen nicht, um die Klimabilanz des Bauens in Deutschland deutlich zu verbessern. Vier von fünf Häusern kommen bislang weitgehend ohne Holz aus. Zu wenig, um die Klima-Last des Baues für unsere Kinder und Enkel spürbar zu mindern.
Denny Ohnesorge ist promovierter Forstwirt, seit 2012 Geschäftsführer des Deutschen Holzwirtschaftsrats und seit 2020 Hauptgeschäftsführer des Hauptverbandes der Deutschen Holzindustrie.