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Energie & Klima

Standpunkte Ein Jahr nach Zyklon Idai – die Not bleibt

Sven Harmeling, klimapolitischer Leiter der Hilfsorganisation CARE
Sven Harmeling, klimapolitischer Leiter der Hilfsorganisation CARE Foto: CARE

Sven Harmeling, klimapolitischer Leiter der Hilfsorganisation CARE, beschreibt in seinem Standpunkt ein Jahr nach zwei verheerenden Wirbelstürmen die Lage in Mosambik. Dort sei die Situation immer noch verzweifelt – und der Klimawandel mache ähnliche Katastrophen wahrscheinlicher. Die reicheren Nationen seien in der Pflicht, das Land zu unterstützen und ihre Klimaschutzziele zu erreichen.

von Sven Harmeling

veröffentlicht am 13.03.2020

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Es ist Nacht, als am 14. März 2019 Zyklon Idai mit rund 200 Stundenkilometern die Küste von Mosambik trifft. Das Land im südlichen Afrika, das ohnehin schon zu den ärmsten der Welt zählt, wird fast flächendeckend verwüstet. Zehntausende werden in Mosambik und den Nachbarländern Malawi sowie Simbabwe vertrieben, über 1000 Menschen sterben. Besonders Frauen und Mädchen leiden unter den Folgen des Zyklons. Hunderttausende verlieren bei der Katastrophe nicht nur ihre Häuser, sondern auch ihre Habseligkeiten und ihren Lebensunterhalt.

Nur knapp 11 Tage später trifft Zyklon Kenneth Teile Nordmosambiks. Innerhalb von weniger als zwei Wochen, und damit zum ersten Mal in der Geschichte der Wetteraufzeichnung, treffen zwei extreme tropische Wirbelstürme in derselben Saison dieselbe Region. Mosambik und die umliegenden Länder werden ins Chaos gestürzt. Ohne Trinkwasser und Nahrung harren die Menschen bei bis zu acht Meter hohen Wassermassen über Wochen auf Dächern, Bäumen und Schulgebäuden aus.

Dabei sind die Wirbelstürme in Mosambik nur zwei von vielen Katastrophen, die die Welt im vergangenen Jahr heimsuchten. Auch beispiellose Waldbrände in Australien und Kalifornien, der Zyklon Fani im Golf von Bengalen sowie schwere Überschwemmungen in Großbritannien sorgten für Chaos. Diese verheerenden Ereignisse können nicht isoliert betrachtet werden, sondern sind alle Narben in einem zunehmend gestörten Klimasystem, die nach allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen eine Folge der Klimakrise ist.

Kaum Verbesserung in Sicht

Die Auswirkungen von extremen Wirbelstürmen wie „Idai“ halten deutlich länger an als die mediale Aufmerksamkeit. Dabei sind die tatsächlichen Auswirkungen von Katastrophen, insbesondere von Katastrophen dieser Größenordnung, meistens erst Monate danach vollständig sichtbar. Wochen, Monate und teilweise Jahre nachdem die Titelseiten, Überschriften und Bilder verblasst sind, hat sich an der Situation vor Ort oft wenig verändert. So auch im Mosambik, wo es nur unwesentlich besser aussieht als vor einem Jahr. Und das, obwohl Hilfsorganisationen wie CARE mit lebenswichtiger Hilfe mehr als 300.000 Menschen erreicht haben und Nahrung, sauberes Wasser sowie Notunterkünfte liefern. Hilfsorganisationen können hier nur kurzfristig unterstützen, denn für viele haben sich die Bedürfnisse nach der Katastrophe vervielfacht.

Circa 2,5 Millionen Menschen, fast zehn Prozent der Bevölkerung, sind nach Angaben der Vereinten Nationen auf humanitäre Hilfe angewiesen. Die landwirtschaftlichen Verluste für Mosambik durch die Stürme wurden auf 124 Millionen Euro geschätzt, eine nach allen Maßstäben kolossale Zahl, insbesondere für ein Land, das so arm wie Mosambik ist. Dabei stecken hinter diesen Zahlen Familien und Menschen, die aufgrund der ausbleibenden Ernten weiterhin unter Nahrungsmittelknappheit oder ausbleibendem Einkommen leiden. Aktuell leiden 1,6 Millionen Menschen in Mosambik unter Nahrungsmittelknappheit.

Weit hinter dem Paris-Versprechen

Vor fünf Jahren haben Regierungen aus fast allen Ländern das Pariser Klimaabkommen ratifiziert. Trotzdem zeigen aktuelle Ergebnisse, dass viele Länder – insbesondere diejenigen, die am meisten für die Klimakrise verantwortlich sind und die Kosten für Klimaschutzmaßnahmen am besten bewältigen könnten – weit hinter dem erforderlichen Engagement zurückbleiben. Die vollständige Umsetzung des Pariser Übereinkommens, inklusive der Halbierung der globalen CO2-Emissionen bis 2030, würde den globalen Temperaturanstieg nicht nur auf ein Niveau begrenzen, das eine katastrophale Eskalation der Klimakrise verhindert, sondern auch alle Länder gegen die unvermeidbaren Auswirkungen widerstandsfähiger machen.

Reichere Länder sind daher verpflichtet, diejenigen, die am stärksten von der Klimakrise betroffen sind und am wenigsten zur Eskalation der Klimakrise beitragen, finanziell zu unterstützen. Die Erhöhung dieser Unterstützung wird für die Tagesordnung der UN-Klimakonferenz COP26, die im November im schottischen Glasgow veranstaltet wird, von wesentlicher Bedeutung sein. Die Regierungen, die das Pariser Abkommen unterzeichnet haben, müssen endlich damit beginnen, die Verpflichtungen einzuhalten, die sie bei der Ratifizierung eingegangen sind.

Frauen und ihre Familien, die durch die schweren Wirbelstürme des letzten Jahres vertrieben wurden, haben ihre Häuser wiederaufgebaut, mit der Landwirtschaft begonnen und Aktivitäten zur Katastrophenvorsorge durchgeführt. Sie haben sich nicht zurückgelehnt und auf Unterstützung gewartet. Genau dies wird auch von den unterzeichnenden Nationen des Pariser Klimaabkommens erwartet. Sonst wird die Unterstützung, die den Menschen bisher bereitgestellt wurde. mit dem nächsten Wirbelsturm wieder weggewischt.

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