Die Zahlen aus dem neuesten, in Kürze erscheinenden dena-Gebäudereport belegen, vor welchen Aufgaben wir im Gebäudesektor stehen: Noch immer werden 79 Prozent der knapp 20 Millionen Wohngebäude in Deutschland mit Öl und Gas beheizt. Mehrere Jahre in Folge verfehlte der Gebäudesektor seine Klimaziele.
Fraglos daher: Der Weg zur Klimaneutralität im Gebäudebereich ist noch weit, die Herausforderungen sind komplex und die damit verbundenen Investitionen hoch. Das gibt Raum für Debatten – wie verstärkt in den vergangenen Wochen des aufziehenden Wahlkampfs zu beobachten war.
Drei wesentliche Debattenstränge gehen dabei oft durcheinander, sollten aber klar auseinandergehalten werden.
Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) ist unverzichtbar
Dieses häufig gescholtene Gesetz ist wichtig und unverzichtbar. Es wurde von der Vorgängerregierung verabschiedet und fasst verschiedene, vormals einzelne Regulierungen zusammen, die in Teilen seit Jahrzehnten existierten. So ist ein gleichermaßen integrierter wie flexibler ordnungsrechtlicher Rahmen entstanden. Das GEG als zentrales ordnungsrechtliches Instrument adressiert die Gebäudehülle und die Anlagentechnik, den Bestand und den Neubau. Eine alleinig an CO2 orientierte, komplette Umstellung der Bemessungsgrundlage würde zu großer Verunsicherung, erheblichen Verzögerungen und zu gefährlichen Fehlsteuerungen führen.
Eine sinnvolle Weiterentwicklung und Optimierung sind dagegen – wie bei allen Regulierungen – notwendig wie auch normale politische Aufgaben. Es gilt technische Entwicklungen, Erkenntnisse aus der Anwendung und europäische Gesetzgebung zu berücksichtigen. Bis Mitte 2026 muss etwa die Europäische Gebäuderichtlinie (EPBD) in nationales Recht übersetzt werden. Natürlich gibt es in so einem komplexen Regelwerk auch Potenzial für Vereinfachungen: So gibt es verschiedene Berechnungsmethoden sowie parallele Bilanzierungsverfahren bei Energieausweisen. Die ließen sich vereinheitlichen. Sicher lohnt auch ein Blick, wie sich Systematik und Benchmarks weiterentwickeln lassen – etwa durch die Integration von CO2 als weiterem Indikator, so wie es die EPBD ebenfalls vorsieht.
Flexibler Rahmen mit verschiedenen Lösungspfaden vorhanden
Auch das sogenannte „Heizungsgesetz“ – gemeint sind damit Regelungen der Paragrafen 71 ff. im Gebäudeenergiegesetz – sollte bestehen bleiben. Denn dieser neue Teil des GEG spannt einen Rahmen für den Umbau des Anlagenparks hin zur erneuerbaren Wärmeversorgung in Gebäuden. Alles, was zielerreichend wirkt, ist durch das Gesetz gestattet. Es zeigt verschiedene Lösungspfade und Handlungsoptionen für die komplexen Anforderungen in einem heterogenen Gebäudebestand. Die Wärmepumpe ist hier nur einer der möglichen Ansätze. Für komplexere Fragen sieht das Gesetz sinnvolle Übergangsfristen vor - beispielsweise wie bei Gas-Etagenheizungen der Umstieg auf erneuerbare Energien funktionieren kann oder wie Wohneigentums-Gemeinschaften in ihrem Entscheidungsprozess gestärkt werden.
Das 65-Prozent-Ziel für erneuerbare Energien ist zudem eine wichtige Richtgröße, die den Marktakteuren eine langfristige Perspektive und Orientierung für den tiefgreifenden Umbau im Gebäudebestand gibt. Es erlaubt Gebäudeeigentümerinnen, Pläne zu machen, vorbereitende Maßnahmen zu treffen oder die Finanzierung zu klären. Herstellern bietet sie Investitions- und Planungssicherheit. Hier jetzt eine Zieldebatte zu beginnen, wäre nur dann zu rechtfertigen, wenn es belastbare, alternative Ansätze gibt, um Klimaneutralität im Gebäudesektor zu erreichen. Und die sind nicht in Sicht.
Die hitzigen Diskussionen rund um das GEG haben auch gezeigt, wie wichtig sachliche Informationen und ein offener Dialog vor Ort sind. Ein gutes Beispiel hierfür ist die kürzlich veranstaltete Woche der Wärmepumpe, die mit großem bundesweitem Interesse am fachlichen Austausch und an fundierten Erfahrungsberichten ein starkes Zeichen setzte und über 50.000 Besucher und Besucherinnen erreichte. Eigentümerinnen und Eigentümer, Mietende, Handwerksbetriebe und Herstellerunternehmen erwarten – zurecht – Stabilität und Planungssicherheit. Viele Unternehmen haben investiert, Menschen stellen sich zunehmend auch auf die Förderung ein. Es gibt Bereitschaft zum Wandel, wenn die Politik konsistent langfristige Ziele verfolgt.
Effizienz und erneuerbare Energien bedingen sich wechselseitig
Eine lange gehegte Wunschvorstellung lautet: Wenn es nur ausreichend erneuerbare Energien gibt, dann braucht es weniger Ehrgeiz bei der Energieeffizienz. Pauschale Sätze wie „Wind und Sonne stellen keine Rechnung“ verschleiern aber den großen Investitionsbedarf der erneuerbaren Energien. Aktuell flammt diese Wunschvorstellung in der Debatte um die Zukunft des Gebäudebereichs auf. Dabei wird mit vermeintlich hohen Einsparsummen für die Transformation im Gebäudesektor argumentiert. Solch isolierte Ansätze für einen Verbrauchssektor, die weitreichende Konsequenzen für das Gesamtsystem haben, sind nicht zielführend. Es braucht immer eine gesamtsystemische Betrachtung.
Um Klimaneutralität im Gesamtsystem zu erreichen, benötigen wir einen enormen Ausbau der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten und einen massiven Ausbau der Übertragungs- und Verteilnetze – verbunden mit entsprechenden Flächenbedarfen, Beteiligungsprozessen und Investitionskosten. Dies ist bei weitem kein Selbstläufer und bedarf großer Anstrengungen, um Akzeptanz und Wirtschaftlichkeit sicherzustellen.
Eine zentrale Prämisse ist, dass der Endenergiebedarf im Gebäudebereich deutlich zurückgeht. Bei deutlich reduzierten Energieeffizienzanstrengungen entstehen laut den Langfristszenarien des Bundeswirtschaftsministeriums höhere Bedarfe an erneuerbaren Erzeugungskapazitäten, mehr Netzausbau auf allen Ebenen und mehr Investitionen in Flexibilität. Dies ginge über die ohnehin schon hohen Ausbauziele hinaus. Die gesamtsystemischen kumulierten Mehrkosten solch eines „reduzierte Effizienz“-Pfades liegen bei circa 20 Milliarden Euro jährlich, wovon schätzungsweise ein Drittel auf den Gebäudesektor entfällt. Diese erhöhten Kosten würden über die Strompreise umgelegt, was zusätzliche Kostenbelastungen für Haushalte und Industrie bedeuten würde.
Durch Lösungsansätze wie dem Seriellen Sanieren lassen sich bei den Effizienzmaßnahmen langfristig die Kosten begrenzen. Etwa ein Viertel des Gebäudebestands in Deutschland ist grundsätzlich geeignet für serielle Sanierungsmaßnahmen, von größeren Mehrfamilienhäusern über Nichtwohngebäude, bis hin zu kleineren Gebäuden.
Dena-Studien haben wieder und wieder gezeigt: Erneuerbare Energien und Energieeffizienz sind untrennbar miteinander verbunden – sie sind zwei Seiten einer Medaille. Dieser integrative Ansatz sollte die Gebäude-Energiepolitik auch in der nächsten Legislaturperiode prägen. Was wir brauchen, ist ein ganzheitlicher Blick auf die notwendigen Maßnahmen im Gebäudebereich und deren Umsetzbarkeit. Dabei muss die soziale Dimension ebenso im Fokus stehen wie die ökonomischen und strukturellen Auswirkungen auf das Gesamtsystem. Wir brauchen kein Gegeneinander, sondern ein Miteinander aller Beteiligten für ein gemeinsames Zielbild. Die Strecke ist noch lang.