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Energie & Klima

Standpunkte Emissionen als Bemessungsgrundlage für CO2-Steuer zulässig

Stefan Klinski, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin)
Stefan Klinski, Professor für Wirtschaftsrecht an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin (HWR Berlin) Foto: Professor für Wirtschaftsrecht, insbesondere Umweltrecht, an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

Eine CO2-Steuer auf Kraft- und Brennstoffe ist auf jeden Fall verfassungskonform, schreibt der Jurist Stefan Klinski in seinem Standpunkt. Eine Reform des Finanzverfassungsrechts hält er für wichtiger als die symbolische Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz. Dann könnte künftig auch Methan aus der Landwirtschaft besteuert werden.

von Stefan Klinski

veröffentlicht am 14.08.2019

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Ziemlich viel Wirbel verursachte in der letzten Woche die Frage, ob eine Besteuerung von CO2 im Rahmen der Energiesteuer verfassungsrechtlich zulässig wäre. Zwei juristische Stellungnahmen veranlassten die „Wirtschaftswoche“ dazu, dies plakativ in Zweifel zu ziehen. Andere Juristen relativierten die Einschätzung im Tagesspiegel Background sogleich und monierten, Gutachten mit positiver Einschätzung seien unberücksichtigt geblieben. Das Bundesumweltministerium, das einen CO2-Zuschlag zur Energiesteuer präferiert, widersprach ebenfalls.

Also doch nur heiße Luft? Oder gibt es ernstliche Zweifel an der Zulässigkeit? Scheitern wichtige Klimaschutzinstrumente am Grundgesetz?

Tatsächlich sind die engen Bindungen des sogenannten Finanzverfassungsrechts für die Klimaschutzpolitik ein ernstes Problem. Denn das Grundgesetz gestattet nicht, was in anderen Ländern selbstverständlich ist: dass der Staat Steuern auf Emissionen erhebt. Will man in Deutschland eine Emission steuerlich berücksichtigen, müssen deshalb andere Wege gegangen werden. Es muss eine bereits als zulässig anerkannte Steuerart gewählt werden. Bei dieser darf dann die Emission als Bemessungsgrundlage benutzt werden, um Lenkungseffekte zu erzielen.

So liegt es zum Beispiel bei der Kfz-Steuer, deren Höhe unter anderem von den CO2-Emissionen des Fahrzeugs abhängt. Dort wird die Steuer nicht auf die Emission erhoben, sondern auf das Fahrzeug unter Berücksichtigung der Emissionen. Ähnliches wird nun für die Energiesteuer (die frühere Mineralölsteuer) vorgeschlagen: Besteuert werden soll die Energie. Darauf soll dann ein Zuschlag erhoben werden, der nach den spezifischen CO2-Emissionen der jeweiligen Stoffe bemessen wird. Sollte das unzulässig sein?

Keine direkte Besteuerung von Emissionen

Bevor diese Frage beantwortet wird, möchte ich auf den Hintergrund eingehen, damit auch Nicht-Verfassungsjuristen das Problem nachvollziehen können. Das Grundgesetz enthält zum einen wichtige Vorschriften über die Grundrechte und den demokratischen, föderalen und sozialen Rechtsstaat. Das ist die „Werteseite“ des Grundgesetzes, die wir alle schätzen. Bestandteil ist auch Artikel 20a, der den Staat aufruft, die natürlichen Lebensgrundlagen zu schützen. Von dieser Seite aus betrachtet mutet es merkwürdig an, wenn ausgerechnet so etwas wie die Erhebung von Steuern auf Emissionen nicht möglich sein soll.

Aber das Grundgesetz hat auch noch andere Bestimmungen, unter anderem solche, bei denen es um die Einnahmen und Ausgaben von Bund, Ländern und Gemeinden geht: das Finanzverfassungsrecht. Darin wird insbesondere geregelt, welche Einnahmen aus welchen Steuern jeweils dem Bund, den Ländern und den Gemeinden zustehen.

Hieran knüpft das Bundesverfassungsgericht an, indem es sagt: Der Bund darf keine neuen Steuerarten „erfinden“, also keine Steuern, die ihrer Art nach nicht bereits im Grundgesetz vorgesehen sind. Denn sonst könnte die föderale Balance der Steuereinnahmen gefährdet werden. Und da keine der im Grundgesetz vorgesehenen Steuerarten bisher als Steuergegenstand – nämlich als das, was besteuert wird – auf Emissionen bezogen ist, sind Steuernauf Emissionen unzulässig.

Das Gericht hat aber auch mehrfach entschieden, dass eine umweltpolitische Lenkung durch Steuern zulässig ist. Deshalb ist die Verwendung der Emissionen als Bemessungsgrundlage für im Grundgesetz vorgesehene Steuern unproblematisch – also im Hinblick darauf, wie besteuert wird.

Eine im Grundgesetz ausdrücklich vorgesehene Steuerart sind die „Verbrauchsteuern“. Zu diesen zählt nach der Ökosteuer-Entscheidung des Verfassungsgerichts auch die Energiesteuer, die auf Kraft- und Heizstoffe erhoben wird. Verbrauchsteuern zielen, sagt das Gericht, ihrem Wesen nach auf die Besteuerung privat konsumierter Güter, nicht der Produktion. Deshalb stufte es die Steuer auf Kernbrennstoffe, die nur in der Produktion verwendet werden, nicht als Verbrauchsteuer ein. Dass die Energiesteuer nicht nur von Privaten, sondern gegebenenfalls auch von Unternehmen zu zahlen ist, steht der Einordnung als Verbrauchsteuer aber nicht entgegen. Denn das Gericht verlangt lediglich, dass die Steuer primär auf den privaten Konsum gerichtet ist. Eine Einbeziehung auch des Verbrauchs für wirtschaftliche Zwecke in die Besteuerung ist unschädlich.

Ein CO2-Zuschlag zur Energiesteuer wäre verfassungskonform

Aus alledem folgt, dass ein nach CO2-Emissionen bemessener Aufschlag auf die Energiesteuer keinen ernstlichen verfassungsrechtlichen Bedenken unterliegen kann. Denn es geht um die lenkende Ausgestaltung einer zulässigen Verbrauchsteuer, die in erster Linie den privaten Konsum adressiert und nur in zweiter Linie auch von Unternehmen zu zahlen ist.

Woraus ergeben sich aber dann aber die kürzlich aufgekommenen Zweifel an der Zulässigkeit? Sie erklären sich schlicht daraus, dass in den Stellungnahmen nicht geprüft wurde, ob es möglich ist, CO2 bei der Bemessung der Energiesteuer zu berücksichtigen, sondern angenommen wurde, es gehe darum, die Energiesteuer lediglich erhebungstechnisch dafür zu nutzen, einen Zusatzbeitrag zu erheben, dessen Gegenstand die Emissionen sind.

Eine gewisse „Mitschuld“ an diesem Missverständnis haben die vielen Klimaschutz-Fachleute, die immer von „X Euro pro Tonne CO2“ reden. Was aus ihrem Blickwinkel ja richtig ist. Aber das klingt so, als gehe es um eine Steuer auf die Emission selbst. Bei einer Verknüpfung mit der Energiesteuer wäre es aber anders: Da das besteuerte Verbrauchsgut die Energie ist, würde das auch für den Zuschlag gelten. Die Emission wäre für diesen lediglich die Bemessungsgrundlage.

Praktisch heißt das: Auf die bisherige Energiesteuer, die an der Tankstelle oder bei der Heizöllieferung in Cent pro Liter bemessen wird, wird ein zusätzlicher Betrag in Cent pro Liter erhoben. Im Übrigen würde bei der Energiesteuer alles beim Alten bleiben. Der Zuschlag wäre nicht als eigenständige Steuer auf die Emission zu qualifizieren. Die Emission wäre Bemessungsgrundlage und nicht Gegenstand der Steuer – wie bei der Kfz-Steuer.

Umweltpolitische Reform des Finanzverfassungsrechts

Trotzdem ist es so, dass das Finanzverfassungsrecht den Klimaschutz bremst. Denn es ist quasi ein einzelner Glücksfall, dass es die Energiesteuer bereits gibt und mit einem CO2-Zuschlag an sie angeknüpft werden kann. Soll es um andere Emissionen gehen, die nicht aus dem privaten Verbrauch stammen – wie bei Methan aus der Landwirtschaft – so gäbe es diese Möglichkeit nicht. Es spricht auch einiges dagegen, Produktionsmittel wie Stickstoffdünger oder seltene Rohstoffe besteuern zu können.

Außerdem sind die in der Ökonomie oft befürworteten Fondsmodelle nicht realisierbar, mit denen sichergestellt werden soll, dass die Einnahmen zweckgebunden für bestimmte Ausgaben verwendet werden. Um das Spektrum der Instrumente für den Klimaschutz zu erweitern, könnte und sollte daher durchaus an eine Reform des Finanzverfassungsrechts gedacht werden. In Abstimmung mit den Ländern sollte das machbar sein. Das wäre wichtiger als eine mehr oder weniger symbolische Aufnahme des Klimaschutzes als Staatsziel ins Grundgesetz.

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