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Energie & Klima

Standpunkte Erneuerbare Wärme: Auf klimaschädliche Scheinlösungen verzichten

Michaela Kruse, Referentin für Bioenergie, Naturschutzbund Deutschland
Michaela Kruse, Referentin für Bioenergie, Naturschutzbund Deutschland Foto: sevens+maltry

Der größte Teil der erneuerbaren Wärme wird bisher aus Holz gewonnen. Im Zuge der Dekarbonisierung der Wärmeversorgung könnte sich die nachgefragte Holzmenge nochmal stark erhöhen. Das würde den Wäldern in Deutschland und weltweit sowie dem Klima schaden. Ein Gegensteuern der Politik ist nötig – mit „Ideologie“ hat das nichts zu tun, schreibt Michaela Kruse, Bioenergie-Referentin beim Naturschutzbund Deutschland.

von Michaela Kruse

veröffentlicht am 04.09.2024

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Als kürzlich die mögliche Einführung eines CO2-Preises auf die Emissionen aus der Verbrennung von Holz in einem Medienbericht aufgegriffen wurde, waren die üblichen Reflexe zu beobachten. Mal wieder war von einer „Diskriminierung“ der Holzenergie die Rede. Die schrillen Töne seit der Debatte zum Gebäudeenergiegesetz im vergangenen Jahr verhindern einen sachlichen Blick auf das Thema.

Sobald man sich die nüchternen Zahlen anschaut, wird der Handlungsbedarf schnell deutlich. Eine neue Studie im Auftrag des Umweltbundesamtes zeigt beispielsweise: Auf die Senkenleistung der Wälder – und damit auf die Erreichung des gesetzlich vorgeschriebenen Klimaziels im Landnutzungssektor – hat das Ausmaß der Energieerzeugung aus Holz einen erheblichen Einfluss.

Hier geht es also um eine wichtige Stellschraube für den Klimaschutz in Deutschland und nicht darum, dem Ofenbesitzer seine Heizmöglichkeit zu nehmen. Dass die Verbrennung von Holz CO2 freisetzt, stand im Übrigen wissenschaftlich nie in Frage. Laut IPCC-Regeln wird diese Freisetzung lediglich im Landnutzungssektor verortet, also beim Abholzen – und daher nicht beim Verursacher der Emissionen bei der Erzeugung von Energie.

Dies verursacht in der aktuellen Umsetzung eine Marktverzerrung und indirekte Subventionen zugunsten der Holzenergie, deren CO2 im Gegensatz zu fossilem CO2 kostenlos in die Luft geblasen werden darf. In der Atmosphäre entfaltet beides jedoch die gleiche Wirkung. Holzkraftwerke sind somit eine klimaschädliche Scheinlösung für die Wärmewende.

Holzheizkraftwerke auf dem Vormarsch

Der „Fuel Switch“ hin zu Holz ist attraktiv. Nicht nur private Haushalte legen lieber ein paar Scheite mehr in den Kamin, um Gas zu sparen. Auch Unternehmen und Städte setzen auf Holz statt Kohle für die Wärmeerzeugung. Einige Beispiele sind der Pharmakonzern Boehringer Ingelheim, der Papierhersteller Koehler Paper, das Chemieunternehmen Solvay, Hansekraft in Stade oder der Autokonzern BMW. Dazu kommen Städte wie Berlin, Hamburg, Nürnberg, Hannover, Chemnitz und zahlreiche kleinere Gemeinden.

Allein diese genannten gebauten oder geplanten Heizkraftwerke würden die in Deutschland verbrannte Holzmenge um etwa 20 Prozent ansteigen lassen. Und dies ist sicher nur die Spitze des Eisbergs. Der Projektionsbericht des UBA prognostiziert, dass bereits 2030 noch einmal so viel Waldholz für die Energieerzeugung importiert werden muss, wie aus heimischem Einschlag zur Verfügung steht.

Dabei wird bereits die Hälfte des in Deutschland verbrauchten Holzes verbrannt. Ein Teil ist Altholz, also bereits gebrauchtes Holz. Ein Drittel des verbrannten Holzes stammt jedoch direkt aus dem Wald. Und auch Altholz ist nicht unproblematisch: Der allergrößte Teil ist weiter nutzbar. Wird dieser Rohstoff verbrannt, müssen Spanplattenhersteller und Co. auf Frischholz ausweichen und wieder werden mehr Bäume gefällt.

In Deutschland werden nur ca. 15 Prozent des Altholzes stofflich genutzt, obwohl deutlich höhere Mengen möglich wären. Italien verwendet sogar über 80 Prozent in Holzprodukten wieder. Die Anfang der 2000er vergebenen EEG-Subventionen für Altholzkraftwerke haben die schlechte Wiederverwendungsquote hierzulande maßgeblich verursacht. Dies zeigt, dass das Förderregime langfristigen Einfluss auf die Nachfrage nach Energieholz hat.

Lock-in-Effekte und zusätzliche Abnehmer verschärfen das Problem

Denn ist ein Kraftwerk erstmal gebaut, frisst es jahrzehntelang Holz. Diese „Lock-in-Effekte“ werden sich in Zukunft rächen. Denn auch hier zeigt die neue UBA-Studie deutlich: Ab etwa 2035 laufen wir in eine Holzlücke. Dazu kommen voraussichtlich neue Holzabnehmer aus dem Holzbau und der Bioökonomie, wenn fossile Grundstoffe ersetzt werden müssen.

Und auch Bioenergie mit CO2-Abscheidung und -Endlagerung (BECCS) könnte im Industriesektor einen massiven Nachfrageboom nach Holzbiomasse verursachen. Mit den zumindest auf dem Papier negativen Emissionen ließe sich perspektivisch sogar Geld verdienen. Wenn diese Industriezweige mit den kommunalen Heizkraftwerken um die knappen Holzmengen konkurrieren, wird das die Preise für Holzbrennstoff absehbar stark ansteigen lassen.

Klimaschädliche Subventionen für Wärme aus Holz beenden

Eine Überarbeitung der aktuellen Rahmenbedingungen für Holzenergie hat demnach nichts mit Diskriminierung oder Ideologie zu tun, sondern ist klug und vorausschauend – und teilweise auch von der EU vorgegeben. „Kluger Umgang mit Holz“ ist auch der Titel eines gerade auf Deutsch veröffentlichten NGO-Leitfadens. Darin sind zahlreiche Vorschläge enthalten, wie die im letzten Jahr beschlossenen Änderungen in der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) bezüglich Holzbiomasse in nationales Recht umgesetzt werden sollten.

Zuallererst muss die EEG-Förderung für Holzkraftwerke endlich beendet werden – wie Biogasanlagen können diese 20 Jahre garantierte Einspeisevergütung erhalten, die EU verbietet aber künftig die direkte Subventionierung von Stromerzeugung aus Holz. Mittlerweile nehmen ohnehin fast nur Heizkraftwerke diese Förderung mit und speisen nicht systemdienlich Grundlaststrom ins Netz, beispielsweise in Wismar und Cuxhaven. Außerdem müssen laut EU Schritte in Angriff genommen werden, um das sogenannte Kaskadenprinzip besser umzusetzen.

Es dürfen keine Subventionen mehr gezahlt werden für die Verbrennung von bestimmten Holzsortimenten. Auch aus diesem Anlass sollten die Nachhaltigkeitskriterien für Holz deutlich strenger gefasst werden – die Mitgliedsstaaten dürfen hier ausdrücklich über die mehr als laxen EU-Kriterien hinaus gehen. Und schließlich müssen auch die Subventionen im Heizungs- und Fernwärmebereich überdacht werden. Die EU sagt hier: Wenn der Landnutzungssektor seine Klimaziele nicht erreicht, sind Holzenergiesubventionen tabu. Die Umrüstung von Kohlekraftwerken auf importierte Holzpellets, wie für die Hamburger Fernwärme geplant, sollte außerdem ganz verboten werden.

Gelder stattdessen für die erneuerbaren Alternativen verwenden

Die Wärmewende ist ohne Frage eine große Herausforderung. Weil sie lange verschlafen wurde, müssen vor allem Großstädte nun in kurzer Zeit eine immense Herausforderung bewältigen. Mit einem Umstieg auf die klimaschädliche und absehbar teure Holzenergie werden die Probleme aber nicht gelöst. Hier ist eine ausreichende Förderung unabdingbar, wenn die Fernwärme bezahlbar bleiben soll. Die Bundesförderung effiziente Wärmenetze (BEW) und die Förderprogramme für Unternehmen sollten strikt auf die wirklich klimafreundlichen und erneuerbaren Alternativen ausgerichtet werden.

Geothermie, die Nutzung industrieller Abwärme und anderer Wärmequellen durch Großwärmepumpen und die Absenkung der Temperatur in den Wärmenetzen sind beispielsweise für die klimafreundliche Wärmeversorgung unerlässlich und müssen noch stärker als bisher gefördert werden. Erst wenn diese nachweislich nicht ausreichen, sollten Biomasselösungen erlaubt und gefördert werden, und im Jahresverlauf nur die Lücke zu den anderen Technologien abdecken.

Und schlussendlich sollten auch die indirekten Subventionen durch den fehlenden CO2-Preis auf die Emissionen aus Holzenergie und die reduzierte Mehrwertsteuer auf Brennholz überdacht werden. Auch diese Einnahmen könnten schließlich bei der Finanzierung der Wärmewende helfen. Klimaschädliche Subventionen umschichten in Klimaschutzinstrumente ist nicht nur bei der Holzenergie längst überfällig. Es wäre ein kluger Schritt, auch angesichts der Haushaltslage.

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