Wir reden in unserer Gesellschaft erfreulicherweise viel über unsere Ernährung, erneuerbare Energien und Plastikmüll. Dank der Bewegung Fridays for Future wohl in einem Ausmaß, das wir bisher noch nicht kannten. Doch der Einfluss der Finanzwirtschaft auf unserer aller Leben und die Umwelt gerät dabei oft in den Hintergrund. Das gilt eben nicht nur für die Politik, sondern auch für uns Individuen. Schon nur die Gedanken über eine nachhaltigere Geldanlage oder welcher Bank ich mein Geld anvertraue, treibt nur sehr wenige Menschen tatsächlich um.
Dabei sind das Geld, und damit Investitionen, die entscheidende Stellschraube für eine saubere Mobilität, umweltfreundlicheren Strom und eine nachhaltigere Landwirtschaft. Gerade auch vor dem Hintergrund, dass heutige Investitionen noch Jahrzehnte nachwirken, gilt für breite Teile unseres Lebens der Satz: Geld gestaltet die Welt. Deswegen muss auch die Finanzwirtschaft ihren Beitrag leisten.
Zum Teil scheint das immerhin in der Politik angekommen zu sein. So wird mit dem EU-Aktionsplan für eine nachhaltigere Finanzwirtschaft ein Maßnahmenbündel auf uns zukommen, das diesen Bereich anspricht. Und nach Jahren des Zögerns und Zauderns hat die Bundesregierung immerhin einen Beirat für Sustainable Finance eingerichtet. Bringen wird das jedoch nur etwas, wenn daraus rasch Maßnahmen hervorgehen, die wirklich einen Unterschied machen. Zwei konkrete Ansätze:
Standardisierte, aussagekräftige Indikatoren
Zum einen muss endlich der Schritt von unverbindlichen Standards, Berichtsnormen und Klassifizierungen hin zu verbindlichen Vorgaben gemacht werden. Investoren können nur nach ökologischen Kriterien entscheiden, wenn es standardisierte und damit vergleichbare und aussagekräftige Indikatoren gibt. Das ist bisher nicht der Fall. Verschiedene freiwillige Initiativen haben national wie international eine verwirrende Vielfalt von Informationen bezüglich der ökologischen Wirkungen von Geldanlagen gebracht, von denen weder jeder einzelne Standard noch alle zusammen eine umfassende Datengrundlage für Finanzinvestoren bieten, die ökologische Wirkungen in ihren Entscheidungen einbeziehen wollen. Solange die genannten Initiativen auf europäischer und nationaler Ebene wieder nur in unverbindlichen Empfehlungen enden, wird sich daran nichts ändern. Allein klare gesetzliche Veröffentlichungspflichten erfassen den Gesamtmarkt und führen zu vergleichbaren Informationen.
Zum zweiten muss der öffentliche Sektor vom Nachzügler zum Vorreiter werden: Weder legt der Bund bisher Gelder für Beamtenpensionen unter anderem nachhaltig an, noch tun es alle Bundesländer. Die Sparkassen hinken beim Thema Nachhaltigkeit peinlich hinterher, obwohl sie doch durch ihren Gemeinwohl-Auftrag hier Vorreiter sein müssten – beim Angebot nachhaltiger Anlageprodukte ebenso wie bei der Berücksichtigung ökologischer Risiken in der Kreditvergabe. Noch deutlicher wird das, wenn man die Verbundunternehmen, also öffentliche Versicherer, Bausparkassen, Landesbanken hinzunimmt: Wenn der öffentliche Finanzsektor eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie fahren würde, könnte er die Transformation hin zu einer klimafreundlichen Wirtschaftsweise massiv beschleunigen.
Dass eine nachhaltigere Investitionsausrichtung der Rendite nicht schadet, sondern eher das Gegenteil der Fall ist, haben diverse Studien längst belegt. Und solange wir auf den massiven Ausbruch der Klimakrise fast ungebremst zusteuern, nimmt das Risiko von sogenannten „stranded assets“ deutlich zu. Das sind Gelder, die beispielsweise in Kohlekraftwerke investiert wurden, die in Zukunft niemand mehr braucht oder in Automobilzulieferer, die einseitig von der Verbrennungsmotor-Technologie abhängig sind. Wer zu lange an diesen Projekten festhält, wird Geld verlieren, weil irgendwann konsequente Klimapolitik diese Investitionen wertlos machen muss. Es macht also nicht nur aus Umweltsicht, sondern aus ökonomischer Sicht Sinn, umweltfreundlicher zu investieren.
Finanzmarkt muss insgesamt nachhaltig sein
Einen Fehler sollte man allerdings bei aller Begeisterung für Sustainable Finance nicht machen, nämlich zu meinen, dass damit die anderen Veränderungen am Finanzmarkt weniger wichtig würden. Das Gegenteil ist der Fall: Eine reine Begrünung der Märkte überwindet nicht die Dysfunktionalität des Sektors. Die Einbeziehung von ökologischen Risiken in die Risikosteuerung gibt nur dann einen Sinn, wenn letztere auch funktioniert. Weil zu viel Anlagekapital auf der Suche nach Rendite unterwegs ist, sind jedoch derzeit die Risikoprämien insgesamt viel zu niedrig, um eine wirkliche Lenkungswirkung zu erzeugen.
Umweltfreundlichere Investitionen sorgen dafür, dass das Risiko von gestrandeten Investitionen sinkt. Aber bei den Privatanlegern wird man wenig Begeisterung für nachhaltige Geldanlagen hervorrufen, wenn immer wieder betrügerische Angebote, Schneeballsysteme und ähnliches, die mit nachhaltigen Investitionen werben, zu heftigen Verlusten führen. Prokon ist ein trauriges Beispiel für enttäuschte Anleger im Bereich erneuerbarer Energien. Gerade dann, wenn provisionsgetrieben schlechte Anlageprodukte in den Markt gedrückt werden und es mehr um den schnellen Vertragsabschluss als um langfristig gute Lösungen für den Kunden geht, werden gerne Modethemen gewählt, um Anleger in unseriöse Angebote zu drängen. Das muss unbedingt verhindert werden.
Deshalb darf die Begrünung der Finanzwirtschaft keine Ausrede sein, die Brot-und-Butter-Themen am Finanzmarkt nicht anzugehen, sondern zwingt umgekehrt, wenn man es ernst meint zu einer umfassenderen Finanzwende: Nur stabile, verbraucherfreundliche Finanzmärkte können einen echten Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung leisten. Mit den Finanzmärkten von heute besteht die Gefahr, dass wir bei Pseudo-Nachhaltigkeit landen, die weder ökonomisch noch ökologisch erfolgreich ist. Doch damit ist dann niemandem geholfen.