Der Ausbau der Windenergie an Land bleibt bekanntlich hinter den Zielen zurück. Einer der Gründe: Nachbarn oder andere Betroffene fechten Genehmigungen für Windkraftanlagen häufig gerichtlich an. Die Rechtmäßigkeit muss dann in zeitaufwendigen Widerspruchs- und Gerichtsverfahren geklärt werden. Diesem Dilemma der Zubauflaute will die Bundesregierung mit dem Investitionsbeschleunigungsgesetz abhelfen, das der Bundestag am 5. November beschlossen hat. Inwieweit dieses Vorhaben tatsächlich zu einer Beschleunigung des Windenergieausbaus beitragen wird, bleibt abzuwarten.
Das Gesetz sieht vor, dass Windkraftanlagen an Land mit einer Höhe von 50 Metern oder mehr eine Genehmigung nach dem Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) brauchen: Ein Verfahren, das im Schnitt ein bis zwei Jahre dauert. Häufig gehen diesem außerdem noch mehrjährige umfangreiche Prüfungs- und Planungsphasen voraus. Um diesem Hemmschuh nun entgegenzuwirken werden im verabschiedeten Investitionsbeschleunigungsgesetz für die Genehmigung von Windenergieanlagen zwei wesentliche Neuerungen festgeschrieben.
Ein zweischneidiges Schwert: Entfallen der aufschiebenden Wirkung
Widersprüche und Anfechtungsklagen Dritter gegen die Genehmigung einer Windenergieanlage an Land mit einer Gesamthöhe von mehr als 50 Metern haben laut Gesetz keine aufschiebende Wirkung für die Errichtung und den Betrieb mehr. Dafür ist eine Änderung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes (BImSchG) beschlossen worden, die es in sich hat: Künftig kann der Betreiber eine Windkraftanlage schon errichten und in Betrieb nehmen, wenn ein Nachbar die Anlagengenehmigung angefochten hat und diese also noch nicht bestandskräftig ist – und das sogar ohne Antrag auf sofortige Vollziehung.
Dieser Wegfall der aufschiebenden Wirkung ist aus Sicht der Projektentwickler einerseits zu begrüßen. Denn nach den geltenden gesetzlichen Regelungen des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG) drohen bei verspäteter Inbetriebnahme der Anlagen Sanktionen wie Strafzahlungen an den zuständigen Übertragungsnetzbetreiber. Andererseits ist Vorsicht geboten: Der Projektentwickler sollte sich gut überlegen, ob er die geplanten Investitionen trotz fehlender Bestandskraft der Genehmigung tätigt.
Denn Beschleunigung hin oder her: Er allein trägt das Risiko, dass später das Gericht die Genehmigung aufhebt und damit nachträglich die Grundlage für die Errichtung der Windenergieanlage entfällt. In diesem Fall müsste regelmäßig der Betreiber die Anlage zurückbauen, sofern sich der Fehler im Genehmigungsverfahren nicht nachträglich heilen lässt. Entschädigungsansprüche gegen die Behörde oder den Nachbarn dürften demgegenüber ausscheiden. Es bleibt also dabei: Der Projektentwickler erlangt erst dann endgültig Rechtssicherheit, wenn das Gerichtsverfahren rechtskräftig abgeschlossen ist.
Hinzu kommt ein weiterer Fallstrick: Durch die Neuregelung kann der Nachbar in einem verwaltungsgerichtlichen Eilverfahren verlangen, dass die aufschiebende Wirkung gerichtlich angeordnet wird. So kommt es zwar schneller zu einer Entscheidung, doch der Nachbar ist nicht gezwungen, den Eilrechtsweg zu gehen. Er kann sich ebenso zurücklehnen und den Ausgang des Hauptsacheverfahrens abwarten.
Diese strategische Option wird ihm auch durch das Investitionsbeschleunigungsgesetz nicht genommen. Es liegt also weiterhin nicht in der Hand des Betreibers, zügig Gewissheit darüber zu erlangen, ob die Genehmigung seiner Anlage Bestand haben wird. Die Intention der Bundesregierung ist erkennbar, doch es bleibt abzuwarten, ob die Neuregelung tatsächlich zu einer Beschleunigung der Gerichtsverfahren bei der Zulassung von Windenergieanlagen führt.
Verkürzung des Instanzenzuges – echter Mehrwert in der Praxis?
Die zweite Neuerung sieht vor, die Gesamtdauer verwaltungsgerichtlicher Verfahren bei der Genehmigung von Windenergieanlagen an Land zu reduzieren. Dafür wird der Instanzenzug durch eine Anpassung der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) verkürzt. Konkret bedeutet das: Streitigkeiten werden künftig in erster Instanz direkt von den Oberverwaltungsgerichten entschieden. Bislang sind hierfür die Verwaltungsgerichte zuständig.
Auch dieser Ansatz klingt in der Theorie zunächst sinnvoll: Durch die Neuregelung fällt die bisherige Berufungsinstanz als zweite Tatsacheninstanz weg. So beschleunigt sich das gesamte Verfahren, denn: Die komplexen Sachverhaltsermittlungen der Umweltbehörden können dann nur noch in einer einzigen Gerichtsinstanz überprüft werden.
Aus einer praktischen Perspektive betrachtet bleibt die Euphorie jedoch gedämpft: Die gewünschte Verfahrensbeschleunigung setzt nämlich die entsprechende personelle Ausstattung der Oberverwaltungsgerichte voraus. Diese werden durch die Neuerungen voraussichtlich mit einer erhöhten Fallzahl von Klagen konfrontiert, die sie mit der aktuellen Personalaufstellung kaum werden stemmen können. Inwieweit die Verfahrensdauer durch diese Verkürzung des Instanzenzuges in der Praxis also wirklich reduziert werden kann, wird sich zeigen.
Die beiden Autoren, Martin Dressel und Dr. Martin Hamer, sind Rechtsanwälte bei der Kanzlei Greenberg Traurig Germany.