Die aktuellen Planungen der Bundesregierung für das Kraftwerkssicherheitsgesetz (KWSG) und die Umsetzung der Kraftwerksstrategie laufen – ohne Einlenken – auf einen klaren Bruch von EU-Recht hinaus. Wird der Grundsatz der Energieunion „Efficiency First“ ignoriert, riskiert die Bundesregierung aber nicht nur ein Vertragsverletzungsverfahren. Dies verursacht zudem unnötig hohe Kosten für den Ausbau der Stromerzeugung – Kosten, die sich durch kluge Investitionen in Energieeffizienzmaßnahmen erheblich reduzieren ließen. Um diese Potenziale zu nutzen, sollte darum endlich – und jetzt parallel zur Kapazitätsausschreibung – eine Effizienzausschreibung starten. Diese wird schon seit vielen Jahren durch das Energiewirtschaftsgesetz ermöglicht.
Efficiency First ist mehr als Recht: Hier geht es um Kosteneffizienz
Der Grundsatz „Efficiency First“ ist in der EU-Gesetzgebung fest verankert. Er besagt nicht weniger – aber auch nicht mehr – als dass Energieeffizienz bei der Planung von Energieinfrastrukturmaßnahmen und größeren Investitionen gleichberechtigt mit anderen Optionen berücksichtigt werden muss. Die Bundesregierung setzt jedoch ausschließlich auf den Ausbau steuerbarer Kraftwerkskapazitäten – und ignoriert dabei die kostengünstigeren und schnell umsetzbaren Maßnahmen zur Energieeinsparung und Lastverschiebung.
Und das, obwohl das EU-Recht sie inzwischen förmlich mit der Nase drauf stößt, die Einsparung von Energie endlich als Infrastrukturmaßnahme mitzudenken. Es droht also nicht nur ein klarer Rechtsbruch, sondern auch eine weitere, gefährliche Vernachlässigung von Sparpotenzialen. Den Steuerzahler und die Energiekunden kostet das Milliarden und die Wirtschaft wird zusätzlich belastet.
Effizienzpotenziale: Die wichtigste ungenutzte Energieressource
Tatsächlich ist Effizienz unsere wichtigste heimische Energieressource. Durch „klassische“ Stromeffizienzmaßnahmen müssten 50 Terawattstunden (TWh) ganzjährig eingespart werden, damit die Lastkurve in derselben Größenordnung über die kritischen Betriebsstunden des Jahres sinkt wie bei der Ausschreibung von drei 2,5 Gigawatt (GW) Kraftwerken. Insgesamt belaufen sich die möglichen Einsparungen im Stromsystem allein durch klassische, geringinvestive Stromeffizienzmaßnahmen auf mehr als 100 TWh im Jahr – also der Leistung mehrerer neuer Großkraftwerke. Hinzu kommen ungehobene Potenziale durch Demand-Side-Management (DMS).
Zudem: Gerade in den kritischen Winterstunden sind viele Effizienzmaßnahmen besonders wirksam, etwa wenn es um Beleuchtung oder Wärme geht. Durch die zunehmende Sektorenkopplung werden auch effiziente Prozesswärme und baulicher Wärmeschutz als „Einsparkraftwerke“ immer wichtiger, um den steigenden Strombedarf auf ein rationelles Niveau einzufangen. Geht die Elektrifizierung mit einer weiter stagnierenden Sanierungsrate einher, sprengt der entstehende Bedarf an zusätzlich erforderlichen Erzeugungskapazitäten jegliche Planungsszenarien.
Die Bundesregierung plant jedoch allein teure, große Gaskraftwerke als Backup-Kapazitäten für Wind- und Solarenergie aufzubauen, ohne die Möglichkeiten zur Reduktion des Stromverbrauchs durch Effizienz oder Nachfragesteuerung ernsthaft zu prüfen. Dabei haben Studien schon vor Jahren Kosteneinsparpotenziale von rund 20 Milliarden Euro für das Stromsystem identifiziert, die durch Effizienzmaßnahmen gehoben werden könnten. Neben dem ausschließlichen Aufbau neuer Kapazitäten mit langen Realisierungszeiten und hohen Investitionskosten, wären diese Maßnahmen nicht nur schnell, sondern auch deutlich kostengünstiger umzusetzen.
Andere Länder zeigen bereits erfolgreich, wie es gehen kann
In der kanadischen Provinz Ontario werden beispielsweise Ausschreibungen für Energieeffizienzmaßnahmen durchgeführt, bei denen Teilnehmer anbieten, während besonders energiesystemkritischer Zeitfenster den Stromverbrauch durch Effizienz- und DMS-Maßnahmen zu reduzieren. In über 33 US-Bundesstaaten wird Effizienz strategisch als Ressource des Energiemarkts adressiert – in Kalifornien und Texas etwa. In Deutschland hingegen wird die Effizienzdebatte als Nebenschauplatz behandelt, obwohl die Potenziale für das Stromsystem enorm sind.
Es ist dringend notwendig, dass die Bundesregierung endlich handelt und Energieeffizienzmaßnahmen in die Kraftwerksstrategie integriert. Ein schneller Start eines Ausschreibungsverfahrens für Energieeffizienz- und Nachfragesteuerungsmaßnahmen, der gemäß § 53 EnWG seit Jahren rechtlich möglich ist, könnte zig Milliarden einsparen und den Bedarf an neuen Kraftwerken deutlich verringern. Die DENEFF hat bereits 2012 einen Vorschlag für ein Marktliches Energieeffizienz-Anreizsystem (MEAS) vorgelegt. Viele Akteure, auch aus der Energiewirtschaft, haben in Folge ähnliche Vorschläge vorgelegt. Sie warten seitdem in der Schubblade. Jetzt müssen wir sie nutzen!
Dezentrale Systeme: Eine vernachlässigte Chance
Neben der vernachlässigten Effizienz auf Nachfrageseite ist auch die fehlende Berücksichtigung effizienter, dezentraler Energieangebote ein schwerwiegender Fehler. Dezentrale Systeme, besonders die lokale Kombination von Technologien wie Wärmepumpen, Kraft-Wärme-Kopplung oder Strom- und Wärmespeichern, bieten erhebliche Effizienzvorteile. Sie nutzen vorhandene Infrastrukturen besser aus, senken den Bedarf an teurem Netzausbau und entlasten das zentrale Stromnetz – vor allem in kritischen Zeiten. Durch die geplante Mindestgröße von 10 Megawatt, die in der aktuellen Kraftwerksstrategie als Anforderung für den Neubau gesetzt wird, werden diese dezentralen, oft viel effizienteren Lösungen jedoch diskriminiert.
Die Konsequenz dieser Versäumnisse ist absehbar: Es droht ein massiver, unnötiger Kostenanstieg, der vermeidbar wäre, wenn die Bundesregierung ihre Verpflichtungen aus dem EU-Recht ernst nehmen und den „Efficiency First“-Grundsatz in ihre Planungen integrieren würde. Solange dies nicht geschieht, verschwendet Deutschland Milliarden. Deutschland kann sich weitere teure Fehler in der Energiepolitik nicht leisten. Die Weichen müssen jetzt gestellt werden – sonst zahlen wir alle den Preis.
In ihrer Stellungnahme hat sich die DENEFF nochmal ausführlich zum Kraftwerkssicherungsgesetz geäußert.