Die Bundesregierung ist mit ihrem Projekt einer grundlegenden Modernisierung der Fernwärmeverordnung (AVBFernwärmeV) gescheitert. Aus Perspektive der privaten Haushalte ist dies extrem enttäuschend – zumal der Bundeswirtschaftsminister im Juni 2023 beim Fernwärmegipfel genau dies als eine zentrale Maßnahme zur Förderung der Attraktivität von Wärmenetzen in Aussicht gestellt hatte.
Die Verbände der Fernwärmeversorgungsunternehmen haben am neuesten Gesetzesentwurf kein gutes Haar gelassen, da er aus ihrer Sicht eine deutliche Schieflage zulasten der Versorger darstellen würde. Einer der zentralen Kritikpunkte von Versorgerseite war dabei die Streichung des § 24a zur Anpassung der Preisänderungsklauseln bei Energieträgerwechseln oder Änderung der Beschaffungsstruktur.
So werden Wärmelieferungsverträge in der Regel mit einer Erstlaufzeit von zehn Jahren abgeschlossen, um den Betreibern der Netze ausreichend Planungssicherheit hinsichtlich ihrer Investitionen zu geben. Da die Kostenentwicklung jedoch über einen so langen Zeitraum nicht vorhersehbar ist, sind in den meisten Verträgen Preisänderungsklauseln enthalten. Hierbei handelt es sich um Formeln, mit denen Versorgungsunternehmen Preisindizes, beispielsweise zu Brennstoffkosten, mit Berechnungsfaktoren in Beziehung setzen, die sie selbst im Rahmen ihrer jeweiligen Preiskalkulationen ermittelt haben. Dadurch können sie die sich verändernden Kosten im laufenden Vertrag automatisch auf ihre Kund:innen wälzen.
Recht auf Anpassung der Preisänderungsklauseln bleibt bestehen
Die Versorger argumentieren, dass durch die Streichung von § 24a die Preisanpassungsrechte der Versorger im Vergleich zum vorherigen Entwurf eingeschränkt würden. Hierbei handelt es sich jedoch um ein Missverständnis: So findet sich das für die Versorger essentielle Recht zur einseitigen Änderung der Preisanpassungsklauseln lediglich an anderer Stelle, nämlich im neugefassten § 4 Abs. 2. Es handelt sich bei dieser Änderung also lediglich um eine rechtstechnische und keine inhaltliche Anpassung des Verordnungstextes.
Die Möglichkeit zur Anpassung der Preisänderungsklauseln an neue Wärmeerzeugungstechnologien ist auch aus Verbraucherschutzsicht nicht in Frage zu stellen, da nur auf diese Weise eine möglichst realitätsnahe Abbildung der tatsächlichen Kostenentwicklung möglich ist. Vereinfacht gesagt: wenn ein Wärmenetz von Gas auf Holzhackschnitzel umgestellt wird, sollte nicht mehr der Gaspreis, sondern der Preis für Holzhackschnitzel für die Preisentwicklung relevant sein.
Verbraucher:innen dürfen nicht zum Zahlmeister der Wärmewende werden
Davon zu unterscheiden ist die von Versorgerseite geforderte Möglichkeit zur Änderung der Basispreise – also dem Zahlenwert, der vor der Formel zur Preisanpassung steht. Begründet wird dies damit, dass nur so die Investitionen, die zur Dekarbonisierung der Wärmenetze getätigt werden müssen, refinanziert werden könnten. Mit einem solchen „Super-Preisanpassungsrecht“ würde aber die aktuell gültige Struktur zum Interessensausgleich zwischen Versorgern und Verbraucher:innen verlassen werden. So haben Versorgungsunternehmen aufgrund der sehr langen Erstvertragslaufzeit und der Möglichkeit, Preisanpassungen vorzunehmen, ohne dass hierdurch kundenseitig ein Sonderkündigungsrecht erwächst, eine im Vergleich zu anderen Vertragsbeziehungen außergewöhnlich hohe Planungssicherheit. Kund:innen können sich demgegenüber immerhin sicher sein, dass sich die von ihnen zu zahlenden Preise „gleitend“ – anhand der Entwicklung der in der jeweiligen Preisänderungsformel genutzten Indizes – ändern. Ein darüber hinausgehendes Preisanpassungsrecht existiert nicht.
Sofern die Kosten für die notwendigen Sprunginvestitionen zur Dekarbonisierung der Wärmenetze – laut eines aktuellen Gutachtens sind dies allein für den Zeitraum bis 2030 43,5 Milliarden Euro – eins zu eins über die Endkundenpreise gewälzt werden, würde dies zweifelsohne zu Preissprüngen bei sehr vielen Wärmekund:innen führen. Bei den Letztnutzer:innen von Wärmenetzen handelt es sich mehrheitlich um Menschen, die zur Miete wohnen. Für den Großteil dieser Verbraucher:innen, die tendenziell kleine und mittlere Einkommen haben, wäre die Bezahlbarkeit von leitungsgebundener Wärme in Gefahr. Das wiederum würde zu massiven Akzeptanzproblemen für Wärmenetze – und damit für die Wärmewende insgesamt – führen. Deshalb ist es gut, dass das Bundeswirtschaftsministerium dieser Forderung der Versorger in ihrem Entwurf nicht entsprochen hat.
Dekarbonisierungskosten müssen fair verteilt werden
Gleichzeitig ist aber auch klar, dass eine Möglichkeit gefunden werden muss, wie die Kosten für dieses gesamtgesellschaftlich wünschenswerte Vorhaben fair verteilt werden können. Die AVBFernwärmeV ist hierfür aber denkbar ungeeignet. Vielmehr braucht es ein gesetzgeberisches Gesamtpaket, das diese und andere grundsätzlichen Fragen, wie etwa die Einführung einer bundesweiten Preisaufsicht, eines deutschlandweiten Wärmenetzregisters und eines verpflichtenden Verfahrens zur außergerichtlichen Streitbeilegung für den Bereich Wärmenetze, beantwortet. Nur so können Wärmenetze ihr Potential als zentrale Säule bei der Transformation zu einer dekarbonisierten und gleichzeitig bezahlbaren Wärmeversorgung ausspielen.
Wir erwarten, dass die nächste Bundesregierung neben der AVBFernwärmeV auch dieses Projekt anpackt und nicht auf die lange Bank schiebt. Die Fernwärmeverordnung ist bereits über 40 Jahre alt. Weitere 40 Jahre haben wir für das Gelingen der Wärmewende nicht.