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Standpunkte Bei grünen Anleihen auf der Hut sein

Ryan Smith, Artemis Impact Equities Team
Ryan Smith, Artemis Impact Equities Team Foto: Artemis IM

Anlegerinnen und Anleger haben die Hoffnung, dass ein Unternehmen, das grüne Anleihen begibt, sich zur Nachhaltigkeit bekennt. Vieles spricht allerdings dafür, dass sie naiv ist.

von Ryan Smith

veröffentlicht am 11.05.2023

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Hinterher ist man immer schlauer. Auch bei den guten Investoren ist das oft nicht anders. Doch vielleicht ist mit dem Fall der Adani Group nun eine rote Linie erreicht. Der multinationale Mischkonzern aus Indien emittierte grüne Anleihen, doch zugleich versuchte ein anderer Konzernteil den Bau der Carmichael-Kohlemine in Australien zu finanzieren. Zu diesem riesigen Tagebau-Bergwerk gehört auch ein Exportterminal, das sich direkt am Rande des Korallenriffs Great Barrier Reef befindet.

Aus der Nachhaltigkeitsperspektive betrachtet, scheint die Adani Group einige ihrer Geschäftsaktivitäten, die Anleger nicht so interessant fanden, mit Kapital finanziert zu haben, das in anderen Geschäftsbereichen (zu niedrigeren Finanzierungskosten) beschafft werden konnte.

Anleger sollten aufpassen

Der Fall Adani wirft die Frage auf, ob es richtig und ehrlich ist, Schulden und nachhaltige Ergebnisse miteinander zu verbinden. Mit etwas Glück handelt es sich bei dem indischen Multikonzern nur um eine Ausnahme. Man darf jedoch nicht vergessen, dass die Regeln am Markt für grüne Anleihen derzeit ein Wirrwarr an Branchenrichtlinien und freiwillig auferlegten Standards sind.

Anlegerinnen und Anleger haben die Hoffnung, dass ein Unternehmen, das seine Finanzierungskosten von Nachhaltigkeit abhängig macht oder grüne Anleihen begibt, ein wichtiges Signal aussendet und sich zur Nachhaltigkeit bekennt. Diese Einstellung ist nur zu verständlich, und man dürfte sie ihnen nachsehen. Vieles spricht allerdings dafür, dass eine solche Hoffnung recht naiv ist.

Größe hat ihren Preis

Ein Problem besteht darin, dass eine zunehmende Firmengröße Kompromisse erfordert. Für Unternehmen, die wachsen und immer komplexer werden, wird es im Laufe der Zeit immer schwieriger zu bestimmen, wie sich die Produkte und Leistungen und die Art, in der sie erzeugt werden, unter dem Strich auswirken.

Große Konzerne rücken ihre Aktivitäten mit viel Geschick in ein positives Licht. Die Realität sieht jedoch so aus, dass mit der zunehmenden Größe und Diversifizierung einige Bereiche einen höheren positiven Impact haben als andere. Die Adani-Gruppe – um ein Beispiel zu nennen – ist ein weit verzweigtes Firmengeflecht mit insgesamt 578 Tochtergesellschaften.

Nur sehr wenige Großunternehmen werden den hohen Maßstäben von Impact-Equities-Teams gerecht. Dank unseres relativ engen Fokus können wir über die Absichten der ausgewählten Kandidaten recht sicher sein. Die saubersten Unternehmen sind in der Regel kleinere Firmen mit einem wachstumsstarken und visionären Geschäftsmodell.

Grüne Anleihen versus Sustainability-Linked Loans

Bei der Finanzierungsform durch grüne Anleihen zapfen Unternehmen die Anleihemärkte an. Der Emissionserlös wird speziellen Umweltprojekten zugewiesen. Wie das aufgenommene Kapital konkret eingesetzt wird, ist in den Vertragsbestimmungen der Anleihe festgelegt. Die bisherigen Erfahrungen an den Anleihemärkten zeigen: Vertrauen wird schneller aufgebaut, wenn ein Unternehmen mehrere Emissionen von grünen Anleihen durchführt, vorausgesetzt, die Gesamtverschuldung bleibt konstant.

Wiederholte Emissionen grüner Anleihen werden von Investoren tendenziell gerne gesehen. Wenn Anleger davon überzeugt sind, dass ein Unternehmen aufgrund seiner Governance-Verfahren und Geschäftspraktiken eine hohe Reputation erworben hat, sind sie bereit, eine Transparenzprämie zu zahlen.

Bei sogenannten Sustainability-Linked Loans (SLLs) handelt es sich hingegen effektiv um Bankkredite. Die Finanzierungskosten richten sich danach, ob die vorab festgelegten Nachhaltigkeitsziele erreicht werden. Der finanzielle Anreiz für Nachhaltigkeitsverbesserungen besteht für den Kreditnehmer häufig in einer (üblicherweise jährlichen) Anpassung des Kreditzinses. Demnach wäre zu erwarten, dass bei einer Zielverfehlung ein Zinsaufschlag (finanzielle Strafe) fällig wird. Doch dies ist nicht immer der Fall.

Für den Großteil der Unternehmen weltweit sind nicht zweckgebundene Kredite die am zweithäufigsten in Anspruch genommene Quelle der Fremdfinanzierung. Es sollte daher grundsätzlich eine gute Sache sein, diese wichtige Finanzierungsform an Nachhaltigkeitsfortschritte zu koppeln.

Am Schluss zählt das Vertrauen

Dabei kommt es auf eine ernsthaft verfolgte Absicht an. Mit Absichtlichkeit meinen wir die Aspekte, die einem das Vertrauen geben, dass die Lenker der investierten Unternehmen: 

  • wirklich bestrebt sind, ein bestimmtes Umwelt- oder Gesellschaftsproblem zu lösen,
  • glaubwürdig sind und
  • über den notwenigen Ehrgeiz verfügen.

Das sind auch Aspekte, die Investoren in grüne Anleihen oder in Banken, die Sustainability-Linked Loans vergeben, bedenken müssen.

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