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Standpunkte Die EZB braucht für Stabilität eine ökologische Geldpolitik

Fiona Hauke (li.), Researcherin bei Urgewald, und Clarisse Murphy, Zentralbanken-Campaignerin von Reclaim Finance
Fiona Hauke (li.), Researcherin bei Urgewald, und Clarisse Murphy, Zentralbanken-Campaignerin von Reclaim Finance Foto: Reclaim Finance/Murphy und Urgewald/Hauke; Montage: Tagesspiegel Background

Die Überprüfung ihrer Geldpolitik bietet der Europäischen Zentralbank jetzt die Chance, ihren Umgang mit der Klima- und Naturkrise zu verbessern und zugleich auf wirtschaftliche Herausforderungen zu reagieren, schreiben Clarisse Murphy, Zentralbanken-Campaignerin bei der Nichtregierungsorganisation Reclaim Finance, und Fiona Hauke, Researcherin bei der NGO Urgewald, in ihrem Standpunkt-Gastbeitrag für Tagesspiegel Background.

von Fiona Hauke und Clarisse Murphy

veröffentlicht am 13.02.2025

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Der aktuelle geldpolitische Ansatz der Europäischen Zentralbank (EZB) ist zu einem Hindernis für den Klimaschutz geworden. Anstatt Investitionen in erneuerbare Energien und das Zurückfahren umwelt- und klimaschädlicher Aktivitäten zu fördern, trägt die Politik der EZB zu einer Verlangsamung der Energiewende bei. Investitionen in erneuerbare Energien behindert sie durch die in jüngerer Zeit hohen Zinssätze, während sie Investitionen in fossile Brennstoffe weiterhin als Sicherheiten akzeptiert.

Für dieses Jahr wird jedoch erwartet, dass die Zentralbank ihre geldpolitische Strategie überprüft. Dies bietet ihr eine perfekte Gelegenheit, um ihren Kurs anzupassen und Klimaschutz in ihren Ansatz aufzunehmen.

Geldpolitische Strategie wird überprüft

Einige mögen der Ansicht sein, dass Klima- und Naturschutz nicht in das Mandat von Zentralbanken fallen. Mit diesem Argument zog sich auch die Federal Reserve aus dem Network of Central Banks and Supervisors for Greening the Financial System (NGFS) zurück. Doch künftig ist der Schutz von Klima und Natur unerlässlich, damit Zentralbanken überhaupt ihr Mandat erfüllen können: die Sicherung von Preis- und Finanzstabilität.

Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen, die Folgen der Erderhitzung und die voranschreitende Naturzerstörung verursachen bereits Preisschocks. Beispielhaft zeigen dies die massiven Folgen des Einmarschs Russlands in die Ukraine. Die Abhängigkeit Europas von fossilem Gas trug zur unkontrollierten Inflation bei, die zahlreiche Länder in den vergangenen Jahren belastete. In dieser Situation halfen Solar- und Windenergie, die Kosten der Stromversorgung zu begrenzen.

Bei der EZB ist der Handlungsdruck besonders offensichtlich: Ihr sekundäres Mandat fordert sie dazu auf, die politischen Maßnahmen und Ziele der EU zu unterstützen. Dazu gehören die EU-Programme „Fit For 55“ und der „Green Deal“. Darum muss die EZB Klima- und Naturschutzaspekte vollständig in ihre Aktivitäten integrieren.

Mehr Ehrgeiz gefordert

Das bedeutet erhebliche Veränderungen für ihre Arbeit. Bislang hat die EZB den Schwerpunkt darauf gelegt, die mit dem Klimawandel verbundenen Risiken zu verstehen. Außerdem hat sie Finanzakteure dazu aufgefordert, den dringend benötigten grünen Wandel zu finanzieren.

Angesichts der sich verschärfenden Klima- und Naturkrisen sollte die EZB als eine der mächtigsten Finanzinstitutionen jedoch mehr Ehrgeiz zeigen. In ihrer Geldpolitik sollte die EZB folgende Kernkompetenzen ökologisch ausrichten, um ihrem Mandat besser zu entsprechen:

1) die Bedingungen, zu denen sich Geschäftsbanken Geld bei der EZB leihen
2) die Gestaltung von Zinssätzen
3) den Kauf von Vermögenswerten durch die EZB.

Die Aktualisierung der Regeln dazu, welche Garantien die EZB von Banken im Gegenzug für das Verleihen von Geld an sie akzeptiert (bekannt als Collateral Framework) steht seit Jahren auf der Tagesordnung der Zentralbank, allerdings ohne großen Effekt. Warum ist das ein Problem? Die Regeln berücksichtigen keine Umweltrisiken und keine Umweltzerstörung. So kommt es, dass die EZB Vermögenswerte von umweltschädlich handelnden Unternehmen (etwa solche, die fossile Aktivitäten ausbauen) in vielen Fällen als „sicher genug“ ansieht, um Banken, die sich Geld von der EZB leihen, als Sicherheiten zu dienen.

Dies gibt klima- und umweltschädlichen Unternehmen einen unangemessenen Vorteil. Denn indem die EZB ihre Vermögenswerte als Sicherheiten akzeptiert, oft noch verbunden mit vorteilhafteren Konditionen als für andere Unternehmen, ermutigt sie Banken dazu, in solche Unternehmen zu investieren. Stattdessen sollte die EZB sicherstellen, dass Vermögenswerte, die mit besonders umweltschädlichen Aktivitäten verbunden sind, gar nicht erst als Sicherheiten infrage kommen. Vermögenswerte, die Klima und Umwelt schaden, sollten ein hohes Risikoprofil erhalten. Dies würde Banken davon abhalten, sie zu kaufen.

Auf der anderen Seite sollte die EZB Banken bei der Finanzierung nachhaltiger Projekte durch niedrigere Zinssätze unterstützen. Damit könnte die EZB die grüne Transformation stärken und zugleich zu anderen Zentralbanken (z.B. Bank of Japan, People's Bank of China) aufschließen, die in diesem Bereich bereits eine proaktivere Rolle übernommen haben. Die derzeitige einheitliche Zinspolitik der EZB hingegen schadet grünen Investitionen, insbesondere solchen in erneuerbare Energien.

Hohe Zinssätze benachteiligen erneuerbare Energieträger. Denn die Finanzierungsstruktur von Investitionen in fossile Brennstoffe ist im Vergleich zu erneuerbaren Energien weniger stark schuldenbasiert. Aus diesem Grund führt eine einheitliche Erhöhung des Zinssatzes für erneuerbare Energien und fossile Brennstoffe zu einem Kostennachteil für Erneuerbare.

Aber erneuerbare Energien sind genau das, was wir für die Transformation unserer Wirtschaftssysteme brauchen. Und da die Öl- und Gasmärkte anfällig für Preisspitzen sind, könnten erneuerbare Energien auch zur Eindämmung der Inflation beitragen (siehe oben). Die EZB könnte daher ein Instrument, das sie bereits in der Vergangenheit eingesetzt hat, neu ausrichten: Banken, die in grüne Projekte investieren, könnte sie niedrigere Refinanzierungssätze anbieten und hier mit erneuerbaren Energieprojekten beginnen.

Umweltverträgliche Unternehmen bevorzugen

Im Jahr 2021 erkannte die EZB, dass sie den Kauf neuer Vermögenswerte von bestimmten Unternehmen im Rahmen ihrer „Quantitative-Easing-Politik“ einschränken musste. Sie begann, Unternehmen mit besserer „Klima-Leistung“ zu bevorzugen. Allerdings wurde diese Maßnahme hinfällig, da die EZB im Jahr 2024 den Kauf von Vermögenswerten einstellte und ihren Wertpapierbestand auf natürliche Weise schrumpfen ließ. Dennoch hält die EZB immer noch Vermögenswerte von einigen der schlimmsten Klimasünder, wie die fossilen Riesen Glencore oder TotalEnergies. Und sie wird dies weiterhin tun, bis zur Fälligkeit der Wertpapiere – was noch eine Weile dauern dürfte.

Statt das abzuwarten, sollte die EZB Vermögenswerte von besonders umweltschädlichen Unternehmen schnellstmöglich verkaufen und einige davon durch Vermögenswerte von Unternehmen mit nachhaltigerem Geschäftsmodell ersetzen. Dies würde ihre Portfolios von schädlichen Vermögenswerten befreien und gleichzeitig ihre Bilanzsumme weiter reduzieren. Zudem würde sie ihre Portfoliorisiken senken.

Aus all diesen Gründen haben wir gemeinsam mit 39 weiteren Organisationen und 20 Wirtschaftsfachleuten einen Brief mit Forderungen an den EZB-Rat versandt – er ging auch an den Präsidenten der Deutschen Bundesbank, Joachim Nagel. Im „EZB-Manifest“ fordern wir die Verantwortlichen auf, den Umgang der EZB mit Klima- und Naturschutzfragen zu überdenken.

Wir meinen, die Überprüfung der geldpolitischen Strategie bietet die entscheidende Gelegenheit, um die Währungshüterin auf den richtigen Weg zu bringen und eine geordnete sowie zügige Transformation europäischer Volkswirtschaften zu unterstützen. So könnte die EZB außerdem wesentliche Anreize für stabilere Preisniveaus setzen und dazu beitragen, Risiken für das europäische Finanzsystem zu vermeiden.

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