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Sustainable Finance

Standpunkte Die Finanzbranche muss Vertrauen in ihre Nachhaltigkeitskommunikation aufbauen

Sebastian Schäfer und Tabea Höllger, Partner bei der Unternehmensberatung Brandtrust
Sebastian Schäfer und Tabea Höllger, Partner bei der Unternehmensberatung Brandtrust Foto: Brandtrust

Die ständigen Diskussionen über Greenwashing machen laut Tabea Höllger und Sebastian Schäfer von der Unternehmensberatung Brandtrust deutlich, dass die Finanzwelt ein massives Vertrauensproblem hat. In ihrem Standpunkt-Gastbeitrag erläutern sie, was Kunden erwarten – und wie sich die Finanzbranche ihrer Ansicht nach ändern muss.

von Sebastian Schäfer und Tabea Höllger

veröffentlicht am 27.02.2025

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Nachhaltigkeit ist ein Buzzword – trotz Trump-Wahl und Rezession verschwindet der Begriff nicht aus den Schlagzeilen. Wahrscheinlich auch, weil Nachhaltigkeit von einer Ideologie von wenigen Überzeugten, zu einer existenziellen Relevanz – auch in der Finanzdienstleistungsbranche – geworden ist. Hier geht es nicht nur um grüne Labels oder Klimakompensationen, sondern um Milliardeninvestitionen in eine lebenswerte Zukunft. Banken, Versicherer und Fondsgesellschaften geben an, erkannt zu haben, dass Nachhaltigkeit, mittel- und langfristig gedacht, nicht mehr optional ist, sondern erwartet wird. Doch trotz der vollmundigen Versprechen liegt ein Schatten über dem grünen Image der Branche: Ist das alles glaubwürdig?

Nachhaltigkeit als Marktversprechen: Die neue Pflichtübung

Es gibt kaum ein Institut, das nicht mit ESG-Investments (Environmental, Social, Governance) wirbt, kaum eine Fondsgesellschaft, die nicht mit dem Impact ihrer Produkte prahlt. "Investieren Sie in eine bessere Welt" ist zur schönen Verpackung der Branche geworden, denn alle müssen aus regulatorischen Anforderungen etwas tun. Die regulatorische „Gießkanne“ macht die Finanzdienstleister in diesen Facetten gleich, und nun versuchen alle mit mehr vom Gleichen zu glänzen. Doch die schöne Verpackung täuscht nicht über eine unbequeme Wahrheit hinweg: Die Finanzwelt hat ein massives Vertrauensproblem.

Das bezieht sich nicht nur auf das Thema Nachhaltigkeit. Generell sagen nur 40 Prozent der Deutschen, dass sie Unternehmen aus dem Finanzsektor vertrauen und lediglich 27 Prozent glauben, dass Finanzdienstleister den Interessen aller gleichermaßen gerecht werden. Gerade bei Nachhaltigkeit ist die Skepsis hinsichtlich der guten Absicht dann noch größer.

Greenwashing: Das Damoklesschwert der Finanzbranche

Viele Studien und Skandale haben gezeigt, wie weit Anspruch und Wirklichkeit oft auseinanderklaffen. Wenn vermeintlich nachhaltige Fonds in Unternehmen investieren, die fossile Brennstoffe fördern (zum Beispiel Causa DWS oder Banken mit einem sozialen Gründungsmythos in zwielichtige Immobilien investieren, wird klar: Viele ESG-Produkte sind nichts weiter als Greenwashing in Finanzform. Der europäische Green Deal und die EU-Taxonomie sollen Transparenz schaffen. Doch es bleibt komplex, und es bleibt ein fader Beigeschmack. Wem kann wirklich vertraut werden? Wem glaubt man das Nachhaltigkeitsstreben?

Glaubwürdigkeit: die Basis jeder Finanzmarke

In der Finanzbranche ist Glaubwürdigkeit von essenzieller Bedeutung, weil es ja um weit mehr als kurzfristige Kaufentscheidungen geht. Es geht um die Sicherung der persönlichen oder unternehmerischen Zukunft. Wer einem Finanzinstitut sein erspartes Geld anvertraut, überträgt nicht nur Kapital, sondern auch Hoffnung, Lebenspläne und langfristige Ziele. Während selbst alltägliche Entscheidungen, wie der Kauf von Bio-Produkten, auf Vertrauen basieren – etwa ob ein Apfel tatsächlich pestizidfrei ist, oder ob bei der Schokoladenproduktion faire Arbeitsbedingungen herrschen – ist das Vertrauensniveau bei Finanzdienstleistungen ungleich höher.

Was Kunden von der Finanzbranche erwarten

Die Branche kann sich nicht nur auf die Einhaltung von Regularien stützen.

  • Transparenz als oberstes Gebot: Anleger haben ein Recht darauf zu wissen, wohin ihr Geld fließt. Transparente Berichterstattung über Investments und deren Wirkung sind unverzichtbar. Hierbei ist es zu wenig, sich hinter den regulatorischen Anforderungen zu verstecken. Erst durch die Erläuterung der Zahlen von Menschen zu Menschen wird der oft abstrakte Nachhaltigkeitsbegriff begreifbar.
  • Authentizität statt Marketingrhetorik: Nachhaltigkeit darf kein Lippenbekenntnis bleiben. Finanzinstitute, die sich ernsthaft engagieren, müssen dies greifbar machen: durch unabhängige Prüfungen, reale Fallstudien und den Mut, über eigene Fehler zu sprechen. Glaubwürdig ist nicht der, der behauptet, perfekt zu sein, sondern der, der seinen Weg offen darlegt.
  • Den größten Hebel definieren: Was zählt, ist die Wirkung, die erreicht werden kann – und nein, das beliebte Bäume-Pflanzen wird es nicht sein. Banken müssen für sich definieren, in welcher Facette der Nachhaltigkeit man wirken will. Und die Auswahl ist in der Tat riesig: hinter den drei Buchstaben der ESG befinden sich immerhin siebzehn Sustainable Development Goals.

Bitte keine Worthülsen

Wäre es nicht naheliegend, wenn Immobilienfinanzierer sich um das Thema CO2-Einsparung kümmern würden? Kein abstraktes Versprechen, sondern konkrete Maßnahmen. Dies wäre beispielsweise möglich mit einem Fokus auf die Reduktion von Gebäudeabwärme: mehr Modernisierung von Bestandsimmobilien, anstatt Neubauten.

Nachhaltigkeit beinhaltet auch soziale Aspekte. Neben den öffentlich-rechtlichen und privaten Banken gibt es in Deutschland knapp 700 Genossenschaftsbanken. Sie könnten an ihren Ursprung anknüpfen und die Idee der gemeinschaftlichen Stärke, das füreinander Dasein auf das Heute zuschneiden: Ohne umfassende Erklärungen verständlich und mit einfach zu verstehenden Angeboten, die unterstreichen, dass Nachhaltigkeit auch das Ergebnis eines fairen und offenen Miteinanders ist.

Nachhaltigkeit in der Finanzbranche ist derzeit oft mehr Imagepolitur als ehrliches Engagement. Doch Greenwashing ist kein Kavaliersdelikt – es ist ein massiver Vertrauensbruch. Wer Milliarden mit dem Versprechen einer besseren Zukunft verwaltet, muss mehr liefern als hübsche Bilder. Glaubwürdigkeit entsteht nicht durch Regelkonformität, sondern durch Transparenz, Authentizität und Wirkung. Nur wer sichtbar Verantwortung übernimmt, verdient das Vertrauen seiner Kunden – alles andere ist teuer erkaufte Täuschung.

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