ESG-Fonds, Green Bonds, nachhaltige ETFs und mehr – ethisch motivierte Investitionen bleiben gefragt. Das Wachstum mag inzwischen abflachen, die Nachfrage für grüne Finanzprodukte bewegt sich aber nach wie vor auf einem hohen Niveau. Laut dem Finanzanalysten Morningstar weisen inzwischen knapp 60 Prozent der EU-Investitionen nach eigenen Angaben ESG-Merkmale auf. Das Versprechen an die Anleger:innen: Hier trägt man mit seinen Investitionen zu einer nachhaltigen Entwicklung bei. In der Realwirtschaft, insbesondere in verbrauchernahen Branchen, müssen Unternehmen solche Behauptungen in Zukunft stichhaltig belegen – anderenfalls drohen hohe Strafen und Reputationsrisiken.
Die Grundlage dafür bilden die neuen Anti-Greenwashing- und Green-Claims-Richtlinien der EU. Damit stellt der Gesetzgeber sicher, dass Marketing-Zuschreibungen wie „klimaneutral“ oder „umweltfreundlich“ in Zukunft wissenschaftlich hergeleitet und belegt werden müssen. Verbraucher:innen soll es so leichter fallen, informierte Entscheidungen zu treffen, um bewusst zu einer nachhaltigen Wende beitragen zu können.
EU-Regeln setzen neue Maßstäbe – auch in der Finanzwelt
Für die die Finanzbranche gibt es bereits sehr spezifische Transparenzvorgaben und es werden voraussichtlich weitere folgen. Denn Offenlegungs- und Berichtspflichten wie die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) sowie die Änderungen der Mifid II und IDD zu Nachhaltigkeit sollen bereits ein hohes Maß an Transparenz gegenüber Anleger:innen fördern.
Greenwashing zu bekämpfen ist zudem ein fester Bestandteil der Sustainable-Finance-Strategie der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin). Sie prüft unter anderem, ob Unternehmen die Transparenz- und Offenlegungspflichten zur Nachhaltigkeitswirkung einhalten und Vertriebsvorgaben gemäß der Insurance Distribution Directive (IDD) und Mifid II umsetzen. Diese sehen unter anderem vor, dass Finanzdienstleister die Interessen ihrer Kunden angemessen berücksichtigen – und dazu gehören eben auch immer öfter Nachhaltigkeitsaspekte.
Weil die Anti-Greenwashing- und Green-Claims-Richtlinien aber über bestehenden Vorschriften hinaus eine klare Definition für Umweltangaben etablieren, haben sie auch für Banken, Versicherungen, Vermögensverwalter und andere Dienstleister aus der Branche eine wichtige Signalwirkung.
Greenwashing-Risiken nehmen zu
Die Bankenaufsicht EBA, die Versicherungsaufsicht Eiopa und die Wertpapieraufsicht Esma warnten bereits im vergangenen Jahr vor den wachsenden Risiken durch Greenwashing im Finanzsektor. Auslöser war eine Analyse der Behörden, die zeigte, dass die Verdachtsfälle steigen. In einer gemeinsamen Studie aus dem Jahr 2023 mit Morningstar kam auch PWC zu dem Schluss, dass nachhaltige Fonds bisher nicht besonders transparent sind.
Ein zentrales Problem: Die uneinheitliche Vorgehensweise bei der Einstufung der Fonds nach Artikel 8 oder 9. Denn aktuell lässt die Gesetzgebung noch viel Raum für Interpretation. Diese schwammigen Vorgaben können für Finanzunternehmen zu einem Risiko werden. Denn nur weil ein Finanzdienstleister einen Fonds als nachhaltig einstuft, heißt das noch nicht, dass ESG-Ratingagenturen zu dem gleichen Ergebnis kommen. Dabei drohen vielleicht nicht immer Sanktionen, etwaige Reputationsschäden können sich jedoch schnell verselbstständigen.
Ganzheitliche Governance wird zum entscheidenden Hebel
Da Finanzprodukte wie Fonds durch die hohe Anzahl der Beteiligten sehr komplex sein können, wird es für Finanzinstitute in Anbetracht der kommenden Anti-Greenwashing-Gesetze wichtig, ihre Compliance-Systeme anzupassen. Insbesondere Mechanismen zur Überwachung von nachhaltigkeitsbezogenen Aussagen gewinnen an Bedeutung. Nur so können Unternehmen sicherstellen, dass Umweltbehauptungen dem allgemeinen Verständnis entsprechen. Damit das gelingt, sollten sie prüfen, welche Organisationseinheiten sie in ihre Compliance-Systeme integrieren müssen. Das übergeordnete Ziel: eine Governance, die sämtliche Greenwashing-Risiken adressiert – vom Produktmanagement über den Vertrieb bis zu Marketing und Kommunikation.
Neben den organisatorischen Implikationen wird die Anti-Greenwashing-Gesetzgebung auch in der Finanzbranche das Verständnis von Transparenz nachhaltig verändern. Direkte Sanktionsrisiken mögen zunächst zwar noch keine Rolle spielen, Reputationsschäden können im Falle mangelnder Transparenz zukünftig aber durchaus empfindlicher ausfallen. Eine tiefgehende Auseinandersetzung mit dem Thema sollte daher nicht erst erfolgen, wenn der regulatorische Druck wächst – sondern am besten bereits jetzt.