Anlegerinnen und Anleger benötigen meist eine Beratung. Doch wie ist diese angemessen zu entlohnen? Das wird kontrovers diskutiert. In der Praxis überwiegt im deutschsprachigen Raum die provisionsbasierte Vergütung bei weitem, die allerdings vielfach kritisiert wird, weil sie Anreizstrukturen folgt, die eine neutrale Beratung erschweren und von der Beratung ablenken.
Dagegen ist die honorarbasierte Beratung eher eine Randerscheinung. Sie hat sich trotz der Einführung des gesetzlich definierten Berufsbildes „Honoraranlageberater“ im Jahr 2014 bisher nicht so recht durchsetzen können. Der Unterschied liegt darin, dass den bei der Finanzaufsicht Bafin registrierten Honoraranlageberatern untersagt ist, Produktprovisionen zu kassieren, damit eine unabhängige Produktauswahl und -empfehlung sichergestellt ist.
Auch bei kostenloser Beratung entstehen Kosten
Kunden sehen die Anlageberatung meist als selbstverständliche und daher kostenlose Dienstleistung der Bank, Sparkasse oder eines Finanzvertriebs an. Sie übersehen, dass trotzdem Kosten entstehen. Diese werden jedoch „im Hintergrund“ abgerechnet: Produktanbieter, vor allem Banken und Fondsgesellschaften, vergüten „Berater“ durch Vermittlungsprovisionen und Ausgabeaufschläge, welche immerhin – der neuen EU-Richtlinie Mifid II sei Dank – zumindest ex post transparent aufgezeigt werden müssen.
Doch die Provisionsberatung hat einen schlechten Ruf und ist damit in den Fokus des Regulators geraten. Das liegt vor allem an potentiellen Interessenkonflikten, die sie mit sich bringt. Denn bezahlt wird nicht die Beratungsleistung, sondern der Verkauf eines Produktes – „Berater“ sind also eigentlich Verkäufer oder Vermittler.
Problematisch und wirtschaftlich sinnlos wird es für sie dann, wenn sich herausstellt, dass ein Kunde eigentlich keines der angebotenen Finanzprodukte kaufen möchte. Dann steckt der „Berater“ in einem Dilemma: Entweder er verkauft dem Kunden ein für ihn möglicherweise nicht passendes Produkt, oder er erhält keine Vergütung. Zudem soll es nicht gerade selten vorkommen, dass diese Vermittler bevorzugt Produkte mit hohen Provisionen an den Mann oder die Frau bringen und dabei deren tatsächlichen Bedarf außer Acht lassen.
Auch Honorarberatungen bergen Stolperfallen
Dass starke Umsatzorientierung von Finanzinstituten und Vermittlern – teilweise gepaart mit unzureichendem Fachwissen, insbesondere zu nachhaltigen Kapitalanlagen – kein ideales Umfeld für eine kundengerechte Beratung sind, liegt auf der Hand.
Als alternatives System wird die Honorarberatung angepriesen. Der Kunde zahlt hier nicht mehr für die Vermittlung eines Produktes, sondern für die eigentliche Beratungsleistung und den Zeitaufwand, ähnlich wie bei einem Anwalt. Nicht nur Verbraucherschützer, sondern auch die Politik rühren seit geraumer Zeit die Werbetrommel für dieses Modell.
Gesetzgeber machen sich auch schon länger Gedanken darüber, Provisionsmodelle einzuschränken oder sogar komplett zu verbieten – in den Niederlanden und Großbritannien ist das bereits seit einiger Zeit der Fall. In Italien gibt es grundsätzlich nur Honorarberatung. In Deutschland aber wurde der endgültige Schritt bisher noch nicht gegangen.
Denn auch Honorarberatung birgt Stolperfallen, die es zu beachten gilt. Das Honorar wird meist sofort und in einer Summe sowie, anders als bei Bestands- oder Abschlussprovisionen, zuzüglich Mehrwertsteuer fällig. Stundensätze von Honorarberatern liegen meist zwischen 150 und 300 Euro.
Kleinanleger lassen sich seltener beraten
Für viele Anlegerinnen und Anleger dürfte dies, zumindest auf den ersten Blick, schlicht und einfach zu teuer sein. Jemand, der maximal zweistellige Euro-Beträge pro Monat übrig hat, wird kaum dazu bereit oder in der Lage sein, eine unabhängige Finanzberatung zu bezahlen. Das Beispiel Großbritanniens zeigt leider, dass die direkten Kosten durch eine Honorarberatung viele Kleinanleger abschreckt, die beispielsweise einmalig eine vier- oder fünfstellige Euro-Summe investieren möchten. Sie lassen sich schlussendlich gar nicht mehr beraten. Das ist nicht Sinn der Sache.
Zu Recht fürchten daher Finanzinstitute und viele selbständige oder gebundene Finanzvermittler und -makler (ca. 250.000 allein in Deutschland), dass sie Kunden durch die komplette Umstellung auf honorarbasierte Vergütungsmodelle verlieren würden. So würde für sie eine wichtige Ertragssäule wegfallen: Teilweise üppige Bestandsvergütungen, die bei Fondsprodukten oft bis zur Hälfte der Verwaltungsvergütung ausmachen, und Abschlussprovisionen, vor allem Ausgabeaufschläge, die je nach Produkt und Anbieter bis zu fünf Prozent betragen können.
Des Weiteren kann es auch bei der Honorarberatung zu Interessenkonflikten kommen. Was macht der Berater, wenn ein Kunde mit einer schnell zu beantwortenden Fragestellung zu ihm kommt? Hier liegt die Versuchung nahe, die Beratung in die Länge zu ziehen und die Frage komplexer abzuhandeln, als sie eigentlich ist.
Keine allein selig machende Lösung
Die Provisionsberatung steht nicht ganz zu Unrecht in der Kritik. Die Honorarberatung kann eine sinnvolle Alternative sein. Sie ist jedoch nicht die allein selig machende Lösung. Wenn jemand ein Honorar verlangt, sagt das schließlich noch nichts über die Qualität der Beratung aus.
Entscheidend sind immer die Qualifikation und die Einstellung der Personen und die zeitnahe Transparenz hinsichtlich der Kosten, so dass der Kunde möglichst auf einen Blick erfassen kann, mit welchem „Modell“ er besser fährt. Ein seriöser Finanzberater wird daher Kunden im Zweifel immer die Wahl lassen zwischen honorar- und provisionsbasierter Vergütung und das Für und Wider offen kommunizieren. So kann dann eine unabhängige und interessengerechte Beratung erfolgen.