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Standpunkte Nachhaltigkeitsberichte an Investorenerwartungen ausrichten

Nadja Picard ist Partnerin für Nachhaltigkeit, Kapitalmärkte und Rechnungslegung bei PwC Deutschland
Nadja Picard ist Partnerin für Nachhaltigkeit, Kapitalmärkte und Rechnungslegung bei PwC Deutschland Foto: PwC

Anleger:innen nehmen finanzielle Klimarisiken für Unternehmen deutlich ernster als deren Führungskräfte. Um das Vertrauen ihrer Anspruchsgruppen zu halten, müssen Vorstandschefs Defizite bei Finanzplanung und Nachhaltigkeitskommunikation beseitigen, meint die Wirtschaftsprüferin und Steuerberaterin Nadja Picard, Partnerin für Nachhaltigkeit, Kapitalmärkte und Rechnungslegung bei PwC Deutschland in Düsseldorf.

von Nadja Picard

veröffentlicht am 10.08.2023

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Extreme Wetterereignisse wie Stürme oder Überschwemmungen haben laut der EU-Umweltagentur EEA zwischen 1980 und 2020 wirtschaftliche Schäden von rund 500 Milliarden Euro verursacht. Eine Bilanz, die auch jene Unternehmen betrifft, deren Büros oder Produktionsstandorte nicht zerstört wurden. Denn viele Versicherer befürchten, dass die vermehrt auftretenden Klimaschäden zu immer höheren Prämien führen werden.

Das Beispiel zeigt, dass Klimarisiken für Unternehmen immer komplexer werden und finanzielle Schäden bisweilen über große Umwege entstehen. Vor allem die Transformation zu einem CO2-neutralen Geschäftsbetrieb und klimaneutralen Wertschöpfungsketten birgt viele versteckte Übergangsrisiken – von technologischen Fehlentscheidungen bis zu rechtlichen Konsequenzen bei Verstößen gegen Regularien. Bedenklich: Vielen Entscheidungsträger:innen fehlt ein ausgeprägtes Bewusstsein für diese indirekten Risiken.

Der 26. Global CEO Survey von PwC zeigt, dass nur rund jede fünfte Führungskraft (22 Prozent) mittelfristig mit weitreichenden Folgen für ihr Unternehmen durch den Klimawandel rechnet. Investor:innen bewerten die Lage hingegen ganz anders – laut dem Global Investor Survey gehen 37 Prozent der Financiers davon aus, dass der Klimawandel mittelfristig eine große Bedrohung für Unternehmen darstellt. Die Lücke zwischen den Erwartungen der Investor:innen und der Einschätzung der CEOs kann für Unternehmen ernstzunehmende Folgen haben.

Potenzielle Schäden wirksam minimieren

Rezession, Fachkräftemangel, Regulierung – Unternehmen müssen derzeit viele Baustellen gleichzeitig im Blick behalten und argumentieren dementsprechend gerne, dass die Ressourcen für Nachhaltigkeitsprojekte knapp sind. Anleger:innen erwarten aber von den Führungskräften, dass Nachhaltigkeit trotzdem mit ganz oben auf der Agenda steht. Gerade die finanziellen Auswirkungen von Klimarisiken dürfen also nicht vernachlässigt werden, können sie doch im Ernstfall erhebliche Ausmaße annehmen.

Um etwaige Schäden abzuwenden oder zumindest minimieren, müssen Führungskräfte potenzielle Schwachstellen für klimabedingte Risiken im Unternehmen genau kennen. Dafür braucht es eine detaillierte Risiko- und Szenarioanalyse, die sämtliche Faktoren berücksichtigt – von regulatorischen Unwägbarkeiten über technologische Hürden bis zu den physischen Gefahren. Erst auf Basis einer umfangreichen Analyse können Unternehmen die praxisrelevanten Risiken in ihre Finanzplanung integrieren und somit potenzielle Schäden wirksam vermeiden oder begrenzen.

Obwohl Investor:innen erwarten, dass die Entscheidungsebene die aus dem Klimawandel resultierenden Gefahren klar adressiert, setzen sie dabei zugleich eine strenge, finanzielle Disziplin voraus. Vier von fünf Anleger:innen sagen, dass sie einen Gewinnrückgang höchstens von einem Prozent infolge von Nachhaltigkeitsmaßnahmen tolerieren würden. Für die Vorstände bedeutet das unter anderem, dass sie sich bei ihren Ambitionen nicht verheben dürfen – realistische Ziele und solche, die gut mit anderen übergeordneten Unternehmenszielen harmonieren, sind Pflicht. Dabei gilt es auch, sämtliche Vorhaben an klaren Leistungskriterien (KPIs) auszurichten, Fortschritte lückenlos zu dokumentieren und mit der finanziellen Planung in Einklang zu bringen.

Unternehmensberichten fehlt die Glaubwürdigkeit

Damit Nachhaltigkeitsinitiativen auf einer soliden Grundlage stehen und Führungskräfte diese im Sinne der Anleger:innen und anderer Anspruchsgruppen möglichst transparent nach außen darstellen können, braucht es fundierte Berichterstattungsstrukturen. Das ist wichtiger denn je, hat die Glaubwürdigkeit in puncto Nachhaltigkeit doch in den letzten Jahren bei vielen Unternehmen stark gelitten. Dementsprechend nutzen laut Global Investor Survey derzeit nur 61 Prozent der befragten Investoren die Nachhaltigkeitsberichterstattung der Unternehmen, um sich über Nachhaltigkeitsfortschritte zu informieren. Dagegen bevorzugen die Investoren Jahresabschlüsse, den direkten Dialog mit den Unternehmen oder die Angaben Dritter – keine gute Bilanz für die Nachhaltigkeitskommunikation der Unternehmen.

Wie geht es besser? Wichtig ist zunächst, entsprechende Informationen zu bestimmen, mit denen Geldgeber Vergleiche anstellen können. Wichtig ist weiterhin, dass sämtliche Daten präzise, zuverlässig und aktuell sind. Dabei helfen unter anderem spezielle Systeme für das Datenmanagement, mit denen Unternehmen ihre Kennzahlen genau erheben und validieren können. Relevante Informationen werden standardisiert erfasst und verarbeitet. Dadurch sinkt die Fehleranfälligkeit und die Vertrauenswürdigkeit der resultierenden Nachhaltigkeitsberichterstattung steigt. Binden Unternehmen zudem externe Parteien für die Prüfung der Berichte ein, erhöht das ebenfalls die Glaubwürdigkeit.

Mit zunehmender Regulierung und wachsendem Wettbewerbsdruck wird die Schlüsselrolle der Nachhaltigkeitsberichterstattung in der gesamten Stakeholder-Kommunikation weiter an Bedeutung gewinnen. Unternehmen, die glaubwürdige und nachvollziehbare Berichte veröffentlichen, werden nicht nur künftige Berichtspflichten meistern, die sich zum Beispiel aus der EU-Richtlinie CSRD ergeben, sondern verschaffen sich damit auch einen klaren Vorteil am Markt.

Denn erstens sind Unternehmen damit gegenüber Kapitalgebern und Kunden auskunftsfähig und transparenter, was mehr Vertrauen bewirkt. Zweitens verschaffen sich die Unternehmen ein stabiles Fundament, um ihre strategischen und operativen Entscheidungen auf der Basis relevanter und verlässlicher Daten jenseits der Finanzdaten zu treffen. Umso wichtiger ist es, jetzt zu handeln und die richtigen inhaltlichen Schwerpunkte zu setzen sowie die technologischen wie organisatorischen Strukturen für transparente ESG-Daten und -Berichterstattungen aufzubauen.

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