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Sustainable Finance

Standpunkte Naturkapital als Fundament einer nachhaltigen und resilienten Wirtschaft

Franziska Walde, Mitgründerin des Wiener Climate-Tech-Start-ups Refinq
Franziska Walde, Mitgründerin des Wiener Climate-Tech-Start-ups Refinq Foto: Refinq

Überschwemmungen, Stürme und andere Naturkatastrophen schädigen schon heute die Wirtschaft in großen Ausmaßen, weil die Natur bereits sehr stark durch unsere Produktionsweisen geschädigt worden ist: Lieferketten stürzen zusammen, Produktionsausfälle nagen an Umsatz und Gewinnen. Unternehmen müssen deshalb umdenken und in Biodiversität investieren, schreibt Franziska Walde, Mitgründerin des Wiener Climate-Tech-Start-ups Refinq, in ihrem Standpunkt für Tagesspiegel Background Sustainable Finance.

von Franziska Walde

veröffentlicht am 17.10.2024

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Ereignisse wie die Überschwemmungen in der Schweiz, die erhebliche Auswirkungen auf die Produktionskapazitäten von Porsche hatten, haben die Verwundbarkeit globaler Lieferketten und Produktionsprozesse durch Naturkatastrophen kürzlich eindrucksvoll demonstriert. Porsche sah sich gezwungen, seine Umsatzprognosen für das Jahr 2024 zu senken, nachdem ein Aluminiumlieferant aufgrund der Überschwemmungen seine Produktion stark einschränken musste. Dies führte dazu, dass Porsche für das laufende Geschäftsjahr nur noch mit einer Marge von 14 bis 15 statt ursprünglich 15 bis 17 Prozent rechnet.

128 Billionen Euro Ökosystemleistung

Obwohl die Nachricht internationale Beachtung fand, wird bisher nur wenig darüber gesprochen, wie solche Katastrophen in Zukunft gemindert werden können. Dabei ist ein Umdenken im Umgang mit Biodiversität und Natur unumgänglich, um nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere Wirtschaft zu retten. Die Natur trägt mit ihren Ökosystemleistungen wie dem Schutz vor Überschwemmungen, der Regulation des Klimas und der Aufbereitung ihrer Ressourcen laut Schätzungen zwischen 125 und 140 Billionen US-Dollar (115.000 bis 128.000 Milliarden Euro) pro Jahr zur Wirtschaft bei. Und lautWeltwirtschaftsforum sind über die Hälfte der gesamten Wirtschaftsleistung (BIP) des Planeten von ebendiesen Ökodienstleistungen abhängig. Wollen wir diese Dienstleistungen und damit unsere Weltwirtschaft erhalten und schützen, müssen Unternehmen vermehrt in die Renaturierung und Wiederaufbau der Biodiversität investieren.

Bündnis Business for Nature nimmt Regierungen in die Pflicht

Im Vorfeld der Weltnaturkonferenz COP16, die Ende Oktober 2024 in Cali, Kolumbien stattfindet, haben über 130 Unternehmen und Finanzinstitute als „Business for Nature“-Formierung einen Aufruf an alle Regierungen weltweit gerichtet, ambitionierte Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität zu ergreifen. Sie fordern, dass naturbezogene Risiken und Abhängigkeiten stärker in unternehmerische Entscheidungsprozesse integriert werden. Die internationale Taskforce on Nature-related Financial Disclosures (TNFD) entwickelt zudem Rahmenwerke, um Unternehmen bei der Integration dieser Aspekte zu unterstützen.

Unternehmerische Hürden von Biodiversitäts-Investments

Wenn die Vorteile der „Dienstleistungen“ unserer Umwelt eigentlich so klar scheinen, stellt sich die Frage: Wieso investieren Unternehmen nicht längst in den Wiederaufbau unserer Natur? Warum müssen Organisationen wie Business for Nature Regierungen dazu aufrufen, Maßnahmen zu ergreifen? Ein wichtiger Punkt für die fehlende Motivation bei einem Großteil der Unternehmen dürfte dabei die Komplexität des Themas und die mangelnde Datenlage sein. Maßnahmen zum Schutz der Biodiversität sind stark orts- und sektorenabhängig.

Es gibt bisher nur wenige standardisierte Bewertungsmodelle, auf die Unternehmen für ihre Strategieplanung zurückgreifen können. Derzeit gibt es über 3000 verschiedene Kennzahlen, die für die Auswahl und Implementierung von Renaturierungsmaßnahmen genutzt werden könnten. Hinzu kommt die fehlende Regulatorik zu Biodiversitätsrisiken. Regularien zu Klimarisiken sind bereits deutlich ausgereifter. Unternehmen, die in Maßnahmen zum Wiederaufbau der Biodiversität investieren, müssen außerdem mit erheblichen Anfangsinvestitionen rechnen, die sich zunächst negativ auf die Unternehmensbilanz auswirken. Die Rentabilität dieser Investitionen zeigt sich erst auf lange Sicht. Bisher gibt es nur wenige Möglichkeiten, solche Investitionen zu quantifizieren, was dazu führt, dass Unternehmen zögern, die notwendigen Mittel bereitzustellen.

Und Unternehmen, die finanzielle Mittel für die Renaturierung und Aufbau der biologischen Vielfalt bereitstellen, riskieren, von engagierten, aber weniger nachhaltig denkenden Konkurrenten für einen Moment überholt zu werden. Daher kann der Druck, kurzfristige finanzielle Ergebnisse zu erzielen, Unternehmen davon abhalten, in langfristige Biodiversitätsstrategien zu investieren.

Wieso sich Investitionen in die Natur lohnen

Doch das Weltwirtschaftsforum schätzt, dass der Schutz der Natur und die Erhöhung der biologischen Vielfalt in den nächsten zehn Jahren Geschäftsmöglichkeiten im Wert von zehn Billionen Dollar pro Jahr eröffnen und fast 400 Millionen neue Arbeitsplätze in Bereichen wie der Verbesserung der Energieeffizienz in der Bauindustrie und der Bereitstellung von Kreislaufwirtschaftslösungen in der Automobil-, Elektronik- und Textilindustrie schaffen könnten.

Investoren wie Private-Equity-Gesellschaften werden außerdem mit zunehmender Aufmerksamkeit auf ESG-Themen und in den letzten Jahren insbesondere der Biodiversität und damit verbundenen Risiken ihre Bewertungen für neue Investments neu ausrichten. Unternehmen, die in Maßnahmen zum Wiederaufbau der biologischen Vielfalt investieren, sichern sich so zukünftig einen Vorteil für potenzielle Investoren gegenüber der Konkurrenz.

Last but not least geht es beim Investment in die Natur natürlich darum, Naturkatastrophen und weitere negative Einflüsse des Ökosystems auf das Unternehmen und die Lieferketten abzuwenden. Ein gesundes Ökosystem schützt eigene Assets und die der gesamten Lieferkette, weil Überschwemmungen oder Dürreperioden deutlich unwahrscheinlicher werden. Außerdem sorgt eine intakte Biodiversität für ausreichende Ressourcen wie sauberes Wasser, um den fortlaufenden Betrieb nicht zu gefährden.

So wird nicht nur die Umwelt, sondern auch unsere Weltwirtschaft geschützt und resilienter. Und Ereignisse wie die anfangs erwähnten Produktionseinbußen bei Porsche würden dann der Vergangenheit angehören.

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