Mit seinen erstmals 2020 emittierten grünen Bundesanleihen, zu denen im Mai eine weitere hinzukam (Background berichtete), folgt Deutschland mit mehrjähriger Verzögerung anderen EU-Staaten. Übereinstimmend dienen Staatsanleihen in der Regel der Refinanzierung von Ausgaben aus Vorjahren, stoßen also keine neuen Ausgaben an. Im internationalen Vergleich existieren aber neben zeitlichen auch deutliche strukturelle und inhaltliche Unterschiede.
Polen machte bereits Ende 2016 den Aufschlag mit grünen Staatsanleihen. Wenige Wochen später zog Frankreich nach mit der bisher noch immer uneingeholt größten grünen Staatsanleihe über sieben Milliarden Euro – inzwischen steht hier ein mittlerer zweistelliger Milliardenbetrag an Green Bonds aus. Es folgten 2017 Belgien, 2018 Irland und ab 2019 die Niederlande.
Die grünen Bundesanleihen gibt es anders als in Dänemark, Frankreich oder den Niederlanden nicht einzeln. Stattdessen emittiert die staatliche Finanzagentur, wie berichtet, nur Zwillingsanleihen, angelehnt an bereits existierende konventionelle Bundeswertpapiere.
Unterschiedliche Refinanzierungsfelder
Die Länder refinanzieren auch Unterschiedliches. Während die Gelder in den Niederlanden und Irland wie in Deutschland für Haushaltsausgaben dienen, bezahlen Frankreich, Belgien und Polen laut einer Übersicht der französischen Bank BNP Paribas anderes: Steueranreize, Investitionen, etwa für Schieneninfrastruktur, und Betriebskosten, zum Beispiel um erneuerbare Energien oder Wasserstoffproduktion wettbewerbsfähig zu machen. In Frankreich sind zudem Subventionen möglich.
Infolgedessen ergeben sich teilweise andere thematische Schwerpunkte. Erneuerbare Energien, Energieeffizienz, sauberer Transport und eine nachhaltige Landnutzung, auch von Naturschutzgebieten, gehören fast überall dazu. Aber während nachhaltiges Wassermanagement zu den Finanzierungsschwerpunkten in Frankreich, Irland und den Niederlanden zählt, spielt es in Deutschland, Belgien und Polen keine Rolle.
Dagegen legen Belgien und Polen eine Priorität auf Kreislaufwirtschaft und nachhaltiges Abfallmanagement, das die Deutsche Finanzagentur und andere Länder nicht erwähnen. Umgekehrt thematisieren Belgien und Polen nicht die Anpassung an den Klimawandel, wohl aber die anderen Länder und auch Deutschland bezüglich Verkehr, internationaler Zusammenarbeit, Landwirtschaft und Wälder.
Geographische und strukturelle Verschiedenheiten
Die Unterschiede zwischen den Staaten liegen unter anderem an geographischen und strukturellen Gegebenheiten. So ist in Deutschland die industrielle Transformation aufgrund der Größe des Sektors wichtiger als in agrarisch geprägten Ländern. Auch spielen politische Interessen hinein: Das Verkehrsministerium in Deutschland treibt deutlich weniger als andere Länder den Schienen- und Fahrradverkehr voran. Zudem herrscht in Zentralstaaten wie Frankreich gebündelter Einfluss, auch bei der Finanzierung.
Im föderalen Deutschland hingegen finanziert vieles nicht der Bund, sondern Länder und Kommunen, teils mit grünen Anleihen. Zudem gibt es Förderbanken. Die KfW etwa hat im April ihren mit vier Milliarden Euro größten je emittierten Green Bond begeben. 2021 will sie mit solchen Anleihen bis zu zehn Milliarden Euro einsammeln. Vergangenes Jahr kam sie auf 8,35 Milliarden Euro, 13 Prozent des gesamten Emissionsvolumens. Laut Allokationsbericht vom März dienten die grünen Erlöse zu 79 Prozent Förderdarlehen für Energieeffizienz, der Rest für erneuerbare Energien.
Bonds refinanzieren auch Bankkredite
Auch hier geht es um Refinanzierung. Das liegt an der Besonderheit, dass laut Gesetz die Förderkredite in der Regel über Hausbanken ausgereicht werden, um sicherzustellen, dass die KfW mit ihrer gesetzlichen Bundesgarantie nicht in unlauteren Wettbewerb um Kunden gerät. „Wir refinanzieren also Banken, Sparkassen und Volksbanken, wenn die Kreditanträge die Förderbedingungen erfüllen“, erklärt eine Sprecherin.
Nichtregierungsorganisationen und manche Wissenschaftler fordern, dass durch Anleihen finanzierte Vorhaben zusätzlich sein müssten – erst das mache Green Bonds glaubwürdig. Bei den Staatsanleihen ist das nicht der Fall. Bei der KfW ergibt sich die Zusätzlichkeit aus den Krediten selbst, die sie zusätzlich vergibt und mit den Anleihen hinterlegt.
Ähnlich ist das bei der Gegenfinanzierung mancher Geschäftsbanken. So finanziert die Deutsche Kreditbank neue Umweltvorhaben und Sozialprojekte durch nachhaltiges Kreditgeschäft, das durch entsprechende grüne oder soziale Anleihen refinanziert wird, wie Uwe Jurkschat, DKB-Leiter des Fachbereichs Funding & Investor Relations, gegenüber Tagesspiegel Background erklärt. Mit Green Bonds – den ersten legte die DKB 2016 auf – refinanziert sie ausschließlich landgebundenes Wind- und Solar-Projektgeschäft in Deutschland. Es geht um 550 Einzeldarlehen mit addiert 2,4 Milliarden Euro Volumen.
Seit diesem Jahr geht die DKB noch einen Schritt weiter: Sie setzt zur öffentlichen Refinanzierung am Kapitalmarkt ausschließlich auf nachhaltige Anleihen, also Green oder Social Bonds oder neue, noch zu entwickelnde Formate. „Diese neue Emissionsstrategie ist ein Novum und bis dato mindestens für deutsche Geschäftsbanken einzigartig“, sagt Jurkschat. Sie fuße auf dem hohen Anteil nachhaltigen Kreditgeschäfts: 77,8 Prozent der Kredite – 54,1 Milliarden Euro – trügen signifikant zu den globalen Nachhaltigkeitszielen (SDGs) bei (Stand 2019).
„Was wir noch nicht messen oder beurteilen können, zählt erst einmal als nicht-nachhaltig“, erläutert er. Das heiße nicht zwangsläufig, dass es unnachhaltig sei, sondern es bestünden noch Datenprobleme. Zudem müsse die Transformation zu einer nachhaltigen Wirtschaft und Gesellschaft aktiv finanziert werden. „Bis 2030 wollen wir 80 Milliarden Euro an nachhaltigen Finanzierungen realisieren“, kündigte Jurkschat an. Die Nachhaltigkeitsqualität der Bonds werde extern verifiziert – etwas, das der Bund für seine grünen Staatsanleihen gleichfalls machen lässt.
Anders als beim Bund dienen die Anleihen der Europäischen Investitionsbank (EIB) nicht der Refinanzierung, sondern ausschließlich neuen Vorhaben, so eine Sprecherin auf Anfrage. Die EIB begab 2007 die weltweit erste Klimaschutzanleihe und gilt weltweit als eine der größten Emittentinnen von Green Bonds. Sie erweiterte ihr Programm 2020 deutlich: Das Volumen von Climate Awareness Bond (CAB) und Sustainability Awareness Bond (SAB) wuchs um 156 Prozent auf 10,5 Milliarden Euro und stellte 15 Prozent des Förderprogramms (vormals sieben Prozent). Im März und Mai dieses Jahres emittierte sie weitere Papiere.
Derzeit sind von ihr mehr als 50 Umwelt- und Nachhaltigkeitsanleihen an der Luxembourg Green Exchange (LGX) notiert. Aus den Erlösen werden zu einem erheblichen Teil Darlehen für Erneuerbare-Energien- und Energieeffizienzvorhaben bereitgestellt.
Verstärkt lancieren seit Mitte 2020 weitere supranationale Emittenten grüne Anleihen, etwa asiatische
Entwicklungsbanken. Die EU-Kommission gehe, so heißt es bei der BNP Paribas, mit den „Sure Bonds“ zur Abfederung der sozialen
Folgen der Pandemie und den neuen EU-Corona-Bonds neue Wege und wolle
zukünftige Kosten finanzieren oder refinanzieren.