Einen Herbst der Reformen. Das hat Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kürzlich in den Haushaltsberatungen im Bundestag angekündigt. Und eigentlich sind sich die verschiedenen Akteure im Gesundheitsbereich einig: Ja, wir müssen unsere Gesundheitsversorgung zukunftsfähig aufstellen. Ja, die Finanzierung unseres Gesundheitssystems stößt immer wieder an Grenzen. Und: Die Finanzierung vieler Krankenhäuser ist unzureichend. Trotzdem wird aktuell über wenig so intensiv gestritten, wie über die kommende Krankenhausreform. Über Leistungsgruppen, Vorhaltepauschalen, den Transformationsfonds. Am Ende geht es ums Geld. Und hier hört die Freundschaft bekanntlich auf.
Dabei ist die Reform unseres Gesundheitssystems unumgänglich. Die demografische Entwicklung in Deutschland macht sie umso dringlicher, als in einer immer älter werdenden Gesellschaft Krankheitsbilder wie Krebs, Demenz oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen in Zukunft immer häufiger auftreten werden. Hinzu kommt der wachsende Fachkräftemangel im Bereich des medizinischen und des Pflegepersonals. Deshalb ist die Herausforderung für uns als Gesellschaft jetzt, die richtigen Schritte einzuleiten, um unser Gesundheitssystem zukunftsfähig aufzustellen. Und ja, eine Antwort darauf kann sein, in Zukunft weniger Krankenhäuser zu betreiben. Diese müssen dann allerdings die vorhandenen Ressourcen auch effizient und zum Wohl der Patientinnen und Patienten einsetzen können. Mit der Krankenhausreform muss deshalb eine dringend nötige Effizienzwende in der Gesundheitsversorgung eingeläutet werden.
Als Katalysator für mehr Effizienz können Technologie und Innovation dienen. Bereits heute spielt moderne Medizintechnik eine nicht zu unterschätzende Rolle bei Diagnose, Therapie und Prävention. Neue Geräte und digitale Anwendungen – von robotergestützten Operationen bis hin zu telemedizinischen Dienstleistungen – tragen maßgeblich dazu bei, dass Patientinnen und Patienten individuell passend und damit besser versorgt werden, während sie gleichzeitig dem medizinischen und Pflegepersonal, Freiräume schaffen, die schlussendlich wieder den Erkrankten zugutekommen.
Vertane Chance
Dieses Potenzial aber verkennt das aktuelle Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz, lässt es unter den Tisch fallen. Das ist eine vertane Chance und aus der Perspektive der Medizintechnik-Hersteller eines der großen Mankos an der Reform von Minister Lauterbach.
Da sind zum einen die Leistungsgruppen. Diese sollen die Grundlage für eine zukunftsfähige Krankenhausfinanzierung bilden. Sie sollen regelmäßig überprüft und weiterentwickelt werden – ausgerichtet an den neusten medizinischen Erkenntnissen. Warum nicht an den neusten medizinischen und an den neusten technologischen Erkenntnissen? Wenn technische Neuerungen nicht in die Leistungsgruppen integriert werden, laufen wir Gefahr, dass sich das Gesundheitssystem von der Realität der modernen Medizin entfernt. Das wird Konsequenzen insbesondere für die Patientinnen und Patienten haben, denn neue Technologien machen neue Behandlungsmethoden möglich, die für diese weniger belastend sind. In hybriden OP-Räumen beispielsweise lassen sich Diagnose und Therapie in einem einzigen Behandlungsschritt kombinieren und der Erfolg des Eingriffs lässt sich sofort beurteilen. So erweitert der technologische Fortschritt die Möglichkeiten der Gesundheitsversorgung und muss mitgedacht werden.
Deshalb sollten medizinische Fachgesellschaften, aber auch Hersteller (elektro-)medizinscher Technik an der Fortschreibung der Leistungsgruppen unmittelbar beteiligt werden. So können die neusten Erkenntnisse medizinischer und industrieller Forschung direkt in den klinischen Alltag integriert werden und langfristig die Qualität – und Effizienz – von Behandlungen verbessern. Nutzen wir die Innovationsstärke und das umfassende Know-how der wissenschaftlichen Fachgesellschaften und der Industrie bei der Weiterentwicklung der Leistungsgruppen.
Lohnenswerte Investitionen
Die Krankenhausreform bietet zudem die Chance für eine technische Modernisierung – und damit für eine Effizienzwende in der Praxis, die unmittelbar der Gesundheitsversorgung zugutekommt. Die medizintechnische Infrastruktur entspricht in vielen Krankenhäusern und medizinischen Versorgungszentren nicht mehr dem neusten Stand der Technik. Für den großen Sprung nach vorn bei Behandlungsmöglichkeiten und Entlastung des Personals bieten sich hier große Potenziale. Neuste Geräte liefern detailliertere Informationen, ermöglichen genauere Diagnosen und benötigen dabei weniger Ressourcen in jeder Hinsicht. Die freiwerdende Ressource „Mensch“ kann sich dann besser auf die Patientinnen und Patienten konzentrieren. „Kalte Technik“ führt zu mehr menschlicher Betreuung.
Natürlich sind dafür erhebliche Investitionen in die technische Infrastruktur notwendig. Aber diese Investitionen lohnen und rechnen sich. Minister Lauterbach hat dafür den Transformationsfonds eingeplant – unterstützenswert, wenn man die viel zu geringen Investitionsmittel betrachtet, die von den Bundesländern zur Verfügung gestellt werden. Durch ihn sollen Krankenhäuser die Möglichkeit erhalten, notwendige Investitionen planen und durchführen zu können. Das darf nicht durch neue bürokratische Hürden verhindert werden. Die engen Grenzen im vorliegenden Gesetzesentwurf, wie und wofür Gelder des Transformationsfonds eingesetzt werden können, drohen allerdings, das Instrument wirkungslos zu machen. Denn damit bleiben Krankenhäusern flexible und effiziente Finanzierungsformen, wie beispielsweise Geräte über Private-Public-Partnerships zu finanzieren, verschlossen. Gerade diese Form hat sich in den vergangenen Jahren aber sowohl für die Krankenhäuser wie auch für die Industrie als hilfreich erwiesen und wird immer wieder eingesetzt. Der ZVEI plädiert deshalb unbedingt dafür, diese Art der Finanzierung auch mit den Mitteln des Fonds realisieren zu können.
Mut zur Veränderung
Zu guter Letzt noch ein Blick auf die große Rolle der Bundesländer, sind sie doch für die Krankenhausfinanzierung zuständig. Hier laufen alle Stränge zusammen: Sie sind nicht nur bei der Finanzierung, sondern auch bei der Zuweisung von Leistungsgruppen an die Krankenhäuser in der Verantwortung. Deshalb sind sie nun besonders gefragt, eine zukunftsgerichtete, effiziente Bedarfsplanung zu entwickeln, die eine sinnvolle Umsetzung ermöglicht. Es ist offensichtlich, dass der medizinische Fortschritt und die Alterung der Gesellschaft die Anforderungen an die Krankenhäuser in den kommenden Jahren erheblich verändern werden. Schon heute zeigen sich in vielen Regionen Engpässe, die nur durch eine vorausschauende Planung und entsprechende Investitionen in die Infrastruktur bewältigt werden können. Die Bedarfsplanung der Länder darf sich dabei nicht nur auf historischen Daten stützen, sondern muss auch die zukünftigen medizinischen, technologischen und demografischen Entwicklungen in Deutschland berücksichtigen. Nur so können wir den hohen Standard der medizinischen Versorgung, den wir in Deutschland gewohnt sind, auch künftig beibehalten.
Um unser Gesundheitssystem zukunftsfähig zu machen, braucht es Mut zur Veränderung und den Willen, die Chancen, die sich gerade durch den Einsatz innovativer und moderner Technologien wie beispielsweise KI ergeben, konsequent zu nutzen. Die bevorstehende Krankenhausreform bietet uns die Möglichkeit, den Grundstein für eine moderne, effiziente und patientenorientierte Gesundheitsversorgung zu legen. Um diese Herausforderung zu meistern, müssen alle Akteure – Politik, Krankenhäuser, Wissenschaft und Industrie – an einem Strang ziehen und zukunftsgerichtete Entscheidungen treffen. So sichern wir nicht nur die Qualität der Versorgung, sondern gestalten auch eine gut ausgestattete, zukunftsfähige Gesundheitslandschaft.
Hans-Peter Bursig ist Bereichsleiter Gesundheit im Verband der Elektro- und Digitalindustrie.