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Standpunkte Früh erkannt bestehen gute Heilungschancen

Bernhard van Treeck
Bernhard van Treeck ist unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses Foto: privat/Sandrina ven Undin

In Deutschland erkranken jedes Jahr rund 60.000 Menschen an Darmkrebs. Bei frühzeitiger Diagnose sind die Heilungschancen gut. Dabei stellt das Entfernen des Darmkrebses, bevor er die Darmwand durchbrochen hat, die wichtigste therapeutische Maßnahme für eine Heilung dar.

von Bernhard van Treeck

veröffentlicht am 31.03.2025

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Darmkrebs entwickelt sich oft unbemerkt über Jahre hinweg – es gibt wenige oder keine Symptome, die frühzeitig auf die Erkrankung hinweisen. Ein gutes Früherkennungsprogramm ist daher wichtig, um Darmkrebs oder dessen Vorstufen in einem Stadium zu entdecken, in dem die Heilungschancen noch gut sind. Ein solches Programm gibt es in der Gesetzlichen Krankenversicherung bereits.

Das Programm zur Früherkennung von Darmkrebs wurde evidenzbasiert vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) entwickelt. Zentral ist dabei, dass den gesetzlich Krankenversicherten von den Ärztinnen und Ärzten die richtigen Untersuchungen zum richtigen Zeitpunkt angeboten werden und dass Versicherte gut und verständlich über die Vorteile und auch seltene, aber mögliche Schäden der Untersuchung aufgeklärt werden. Die Versicherten können dann informiert entscheiden, ob sie teilnehmen wollen oder nicht.

Sorgsame Abwägung von Nutzen und Schaden

Der G-BA gestaltet im Auftrag des Gesetzgebers die Gesundheitsversorgung aller gesetzlich Krankenversicherten in Deutschland. Dabei entscheidet er auf Basis wissenschaftlicher Studien und Leitlinien der Fachgesellschaften, bezieht Expertinnen und Experten mit ein und berücksichtigt die Versorgungskapazitäten vor Ort.

Nutzen und Schaden der medizinischen Maßnahmen werden dabei stets sorgsam gegeneinander abgewogen und das bei jeder neuen oder geänderten Maßnahme individuell aufs Neue. Eine verantwortungsvolle Aufgabe, die nur dank der hohen Kompetenz der an den Beratungen teilnehmenden Expertinnen und Experten gelingen kann. Besonders bei der Früherkennung muss die Abwägung von Nutzen und Schaden sehr genau erfolgen, da bei den populationsbezogenen Programmen eine große Anzahl gesunder Menschen untersucht wird. Hier gilt gerade nicht das Motto „Viel hilft viel“, auch wenn das in der öffentlichen Debatte oft so suggeriert wird.

Ablauf der Darmkrebs-Früherkennung

Im Bereich der Krebsfrüherkennung gibt der G-BA auf Grundlage des aktuellen medizinischen Erkenntnisstandes Inhalte, Strukturen und Abläufe vor. Bei der Darmkrebsvorsorge zum Beispiel werden derzeit alle Versicherten im Alter von 50 bis 65 Jahren direkt von ihrer Krankenkasse schriftlich über das Angebot informiert und zur Teilnahme eingeladen. Die dem Schreiben beiliegenden Infoflyer listen im Sinne einer möglichst fundierten Entscheidungsfindung die Vorteile auf, thematisieren aber auch Risiken, Nachteile und mögliche Komplikationen der zur Verfügung stehenden Untersuchungen.

Das Programm zur Darmkrebs-Früherkennung umfasst aktuell zwei Untersuchungsmethoden:

  1. Immunologischer Stuhltest (iFOBT): Eine einfache, nicht-invasive Methode, um verstecktes Blut im Stuhl zu erkennen. Diesen Stuhltest können Frauen und Männer ab 50 Jahren alle zwei Jahre machen.
  2. Darmspiegelung (Koloskopie): Die zuverlässigste Methode zur Früherkennung von Dickdarmkrebs, die Frauen und Männern ab 50 Jahren angeboten wird. Wer sich für eine Darmspiegelung entscheidet, kann diese Untersuchung nach zehn Jahren erneut in Anspruch nehmen. Sollten bei der Darmspiegelung Krebsvorstufen (Polypen) entdeckt werden, können sie bereits während der Darmspiegelung entfernt werden, bevor sie sich zu einem bösartigen Tumor entwickeln.

Wissenschaft bedeutet stetige Weiterentwicklung

Der G-BA passt die Früherkennung selbstverständlich an, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse das erfordern. So berät er derzeit über die Möglichkeit, die Darmkrebs-Früherkennung für Menschen mit einem familiären Risiko zu verbessern. Die Beratungen stützen sich dabei inhaltlich auf die Ergebnisse der Studienrecherche des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Bei den laufenden Beratungen geht es unter anderem um die Frage, ob das organisierte Einladungsverfahren auch bei dieser Gruppe eingeführt werden soll.

Bevor der G-BA eine neue Untersuchung in einer der Früherkennungs-Richtlinien verankert, muss er unter anderem prüfen, ob es sich um eine Krankheit handelt, die wirksam behandelt werden kann. Sofern keine Behandlung möglich ist, macht die Verwendung von Versichertengeldern für Früherkennung keinen Sinn. Darüber hinaus müssen Vor- und Frühstadien einer Krankheit durch diagnostische Maßnahmen erfassbar und genügend medizinisches Personal und Einrichtungen vorhanden sein, um die aufgefundenen Verdachtsfälle abzuklären.

Eine solche evidenzbasierte Arbeit braucht Zeit. Der G-BA erfüllt seine komplexe Aufgabe schnellstmöglich. Eine oberflächlichere Bearbeitung von Fragestellungen zu Lasten der Entscheidungssicherheit entspräche weder dem gesetzlichen Auftrag noch dem Verständnis der Beteiligten im G-BA bezogen auf Qualität und Patientensicherheit.

Befähigung zur bewussten Entscheidung

Der G-BA kann gesetzlich Versicherte informieren, aber nicht verpflichten. Bisher wird die Früherkennung auf Darmkrebs nur von etwa der Hälfte der Anspruchsberechtigen genutzt. Ein Aufruf zur Programmteilnahme durch den G-BA aber ist derzeit gesetzlich nicht vorgesehen. Gerade weil ich Arzt bin, fällt es mir in der Funktion als unparteiisches Mitglied des G-BA persönlich schwer, nicht aktiv für die Teilnahme an den Früherkennungsprogrammen zu werben. Ich selbst habe schon mehrmals solche Untersuchungen bei mir durchführen lassen, weil ich von dieser Art der Vorsorge überzeugt bin.

Die Untersuchungen sind sicher und zuverlässig und werden von der Solidargemeinschaft finanziert. Jeder Mensch hat grundsätzlich das Recht auf Nichtwissen. Eine neutrale Aufklärung, wie sie der G-BA mit seinen Versicherteninformationen anbietet, ermöglicht es, eine informierte Entscheidung zu treffen, die den individuellen Werten, den eigenen Bedürfnissen und der persönlichen Risikoeinschätzungen entspricht. Neben Printflyern braucht es aber zukünftig weitere Info-Formate, um das Thema zielgruppengerecht aufzubereiten. Da sehe ich durchaus Nachholbedarf bei uns.

Dr. Bernhard van Treeck ist unparteiisches Mitglied des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) und dort Vorsitzender des Unterausschusses Methodenbewertung.

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