Die ersten Amtshandlungen der neuen US-Regierung haben weitreichende und direkte Folgen für die Gesundheit von unzähligen Menschen. Mit dem Einfrieren der US-Gelder für Entwicklungszusammenarbeit und humanitäre Hilfen stehen viele Organisationen, die Menschen weltweit mit Nahrung, Trinkwasser oder Medikamenten versorgen, mit leeren Händen dar. Hinzukommen Maßnahmen wie die Wiedereinführung der Global Gag Rule, die wichtige Gesundheitsleistungen unter anderem für Schwangere unterbindet. Auch der Austritt der USA aus der Weltgesundheitsorganisation (WHO) wird lebensbedrohliche Folgen für Menschen weltweit haben.
Ziel der WHO ist, eine bessere Gesundheit für alle zu sichern. Sie ist die zentrale Institution, um Krankheitsausbrüche einzudämmen und die internationale Zusammenarbeit in Gesundheitsfragen zu koordinieren. Kinder, die von Malaria bedroht sind, Patient:innen, die eine Behandlung wegen HIV oder Tuberkulose benötigen, oder Menschen, die von akuten Krankheitsausbrüchen, wie aktuell dem Marburg-Virus in Tansania oder dem Ebola-Virus in Uganda betroffen sind, sind auf die WHO und ihre Geberländer angewiesen.
Vernachlässigte Tropenkrankheiten
Zwischen 2022 und 2023 steuerten die USA 1,28 Milliarden US-Dollar zum Budget der WHO bei und waren damit mit Abstand der größte Geber, gefolgt von der deutschen Bundesregierung als zweitgrößter staatlicher Geber mit 856 Millionen US-Dollar. Die finanzielle Lücke, die durch den Wegfall der US-Gelder entsteht, ist enorm – ebenso die damit einhergehende politische Schwächung der WHO. Dabei braucht es jetzt genau das Gegenteil: eine starke WHO, wo beispielsweise Expertise zu Behandlungen sowie zu Impfstoffen ausgetauscht wird, um Krankheitsausbrüche bewältigen und Pandemien verhindern zu können.
1,7 Milliarden Menschen weltweit sind beispielsweise von sogenannten vernachlässigten Tropenkrankheiten (NTDs) betroffen. Dazu zählt die Vergiftung durch Schlangenbisse. Sie ist eine der 21 Krankheiten auf der NTD-Liste und unter diesen die tödlichste. NTDs sind eng mit Armut verknüpft und betreffen oft Menschen in ländlichen Regionen, insbesondere Kinder und Frauen. Oft leben die Betroffenen weit entfernt von Gesundheitseinrichtungen und sind häufig von politischer Teilhabe ausgeschlossen. Sie können daher kaum selbst auf ihr Leid aufmerksam machen. Die WHO spielt eine essenzielle Rolle in der Bekämpfung von NTDs, auch wenn leider schon vor Trumps Ankündigung die Finanzierung dieser Leistungen am seidenen Faden hing. Doch wie es nun weitergeht, ist völlig offen. In vielen Fällen ist Ärzte ohne Grenzen schon jetzt der einzige Akteur vor Ort, der NTDs behandelt.
Effektive und globale Pandemievorsorge
Auch im Bereich der Pandemievorsorge- und -reaktion wird die WHO-Arbeit unter dem Wegfall der Finanzierung sowie dem Austritt der USA leiden. Seit über drei Jahren verhandelt die Weltgemeinschaft ein Abkommen zur globalen Vorbeugung von und zum Handeln während Pandemien. Koordiniert werden die Verhandlungen von der WHO. Warum ein verbindliches Pandemieabkommen nötig ist, wurde uns während der Covid-19-Pandemie vor Augen geführt. Vor allem reiche Nationen haben nicht nur unsolidarisch reagiert, sondern auch schlicht ineffektiv: auf eine globale Krise hatten sie vor allem nationale Antworten. Unzählige Menschenleben hätten gerettet werden können, wären beispielsweise Impfstoffe weltweit bedarfsgerecht produziert und verteilt worden.
Die WHO ist die Instanz, um die komplexen Verhandlungen über das Pandemieabkommen effektiv zu koordinieren. Mit dem Austritt der US-Regierung sitzt nun ein wichtiger Akteur nicht am Verhandlungstisch. Ein Schritt, der ein verheerendes Signal sendet, das offenbar auch andere Staaten, wie nun Argentinien, ermutigt hat, sich ebenfalls aus der Suche nach globalen Lösungen für globale Probleme zu verabschieden. Der Trend, multilaterale Strukturen in überstürzten Aktionen zu verlassen, ist fatal.
Dieser Herausforderung gilt es sich zu stellen: Als selbsternannter Global Health Champion braucht es jetzt ein starkes Engagement und ausreichend finanzielle Mittel der deutschen Bundesregierung für die globale Gesundheit. Gesundheitskrisen dürfen uns nicht erst dann interessieren und zum Handeln bewegen, wenn sie vor der eigenen Tür stehen. Gefragt sind internationale Kooperation und Solidarität, um die Gesundheit aller Menschen zu schützen. Dafür braucht es eine starke WHO.
Medizinische und humanitäre Bedarfe weltweit steigen
Ärzte ohne Grenzen nimmt keine Gelder von der US-Regierung an, somit sind unsere Projekte nicht direkt betroffen. Das ermöglicht Unabhängigkeit und Flexibilität, genau dort zu arbeiten, wo der humanitäre Bedarf am größten ist. Dennoch sehen unsere Teams die direkten Folgen in den Ländern, in denen wir arbeiten. Ärzte ohne Grenzen baut dort auf die jahrzehntelange Zusammenarbeit mit der WHO und mit lokalen Organisationen, die von den USA mitgetragen werden. Wir sehen bereits jetzt, dass Gesundheitsprojekte schließen müssen und nicht klar ist, wann und ob sie wieder geöffnet werden können.
Die bedeutende Rolle, die die US-Regierung bei der Finanzierung internationaler Hilfe spielt, kann nicht einfach von anderen Akteuren übernommen werden, schon gar nicht in der Geschwindigkeit, die notwendig wäre. Schon lange warnt Ärzte ohne Grenzen, dass immer mehr Menschen aufgrund von globalen Krisen und Konflikten, Gewalt und Naturkatastrophen auf humanitäre Hilfe angewiesen sind. Gleichzeitig stehen immer weniger finanzielle Mittel und wirksame politische Instrumente zur Verfügung, um diesen Krisen angemessen zu begegnen. Die Entwicklungen in den USA verschärfen diese bittere Realität nur weiter.
Melissa Scharwey ist Expertin für globale Gesundheit bei der unabhängigen medizinischen Nothilfe-Organisation Ärzte ohne Grenzen (MSF).