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Gesundheit & E-Health

Standpunkte Warum die Bundesregierung globale Gesundheitsforschung priorisieren muss

Angela Bähr ist Vorständin Programme der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung
Angela Bähr ist Vorständin Programme der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung Foto: DSW

Globale Gesundheitsrisiken wie Pandemien oder vernachlässigte Krankheiten sind nicht nur humanitäre Herausforderungen – sie betreffen uns alle. Forschung und Innovation in diesem Bereich sind unabdingbar und noch dazu eine Investition in wirtschaftliche Stabilität und globale Sicherheit, die sich mehrfach auszahlt. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in den USA spielen die EU und Deutschland hier mehr denn je eine zentrale Rolle – und die Weichen für die Zukunft werden jetzt gestellt.

von Angela Bähr

veröffentlicht am 06.02.2025

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Die vergangenen Jahre haben eindrücklich gezeigt, dass globale Gesundheitskrisen nicht nur weit entfernte Regionen betreffen, sondern auch direkte Auswirkungen auf Deutschland und Europa haben. Krankheiten wie Malaria, Tuberkulose und vernachlässigte Krankheiten (neglected diseases, NDs) bedrohen Milliarden von Menschenleben und wirken sich negativ auf die Wirtschaft aus, vor allem in Ländern niedrigen und mittleren Einkommens.

Der Klimawandel begünstigt jedoch die (Wieder-)Ausbreitung von vektorübertragenen Krankheiten auch in anderen geografischen Regionen, obendrein verschärfen zunehmende antimikrobielle Resistenzen die Krankheitslast. Und nicht wenige dieser NDs haben ein bedrohliches, epidemisches oder gar pandemisches Potenzial. Wie wir bei Ebola oder Mpox gesehen haben, werden NDs oft so lange vernachlässigt, bis sie (nahe) an uns herankommen. Doch kann es dann für die Entwicklung eines neuen Impfstoffs oder Medikaments längst zu spät sein.

Neue Analysen zeigen, dass europäische Investitionen in die Forschung und Entwicklung (F&E) zu globaler Gesundheit auch wirtschaftlich sinnvoll sind und enorme gesellschaftliche, gesundheitliche und wirtschaftliche Renditen erbringen.

Deutschland als Spitzenreiter – und Profiteur

Wie der neue Bericht von Impact Global Health dokumentiert, tragen die EU und ihre Mitgliedstaaten – zusammen als Team Europe – erheblich zur weltweiten F&E im Bereich vernachlässigter Krankheiten bei. Seit 1994 entfielen 8,9 Prozent der weltweiten Investitionen in diesem Bereich auf Team Europe, davon 3,5 Prozent auf die EU selbst. Diese Investitionen zahlen sich aus: Bis 2040 werden sie voraussichtlich 3,45 Millionen Leben retten, 240 Millionen durch Krankheit verlorene Lebensjahre verhindern und 418 Millionen Krankheitsfälle vermeiden.

Die gesellschaftlichen Erträge dieser Investitionen werden auf 3,86 Billionen Euro geschätzt. Darüber hinaus schafft die Forschung mehr als 15.000 Arbeitsplätze und mehr als 30 Milliarden Euro zusätzlicher Wirtschaftstätigkeit und fördert private Co-Investitionen. Das zeigt: Forschungsförderung im Bereich der globalen Gesundheit ist nicht nur eine moralische Verpflichtung, sondern auch eine wirtschaftlich sinnvolle Strategie.

Die Bundesregierung ist dabei ein zentraler Akteur: Deutschland ist der größte europäische Geldgeber für Forschung zu vernachlässigten Krankheiten nach der EU selbst und steuerte 17 Prozent der Gesamtmittel bei. Außerdem gehören in Deutschland ansässige Forschungsinstitutionen einmal mehr zu den größten Empfängern von EU-Fördermitteln im Rahmen von Horizont Europa, dem inzwischen 9. Forschungsrahmenprogramm. Die Entwicklung bahnbrechender Technologien – wie dem ersten Malaria-Impfstoff oder neue Therapien gegen Tuberkulose – wurde durch diese Mittel maßgeblich vorangetrieben.

Jetzt handeln: Warum FP10 entscheidend ist

Ein starkes Budget für das 10. Forschungsrahmenprogramm (FP10) wäre somit ein direkter Return on Investment für die deutsche Wirtschaft. Es beginnt zwar erst 2028, doch die Verhandlungen laufen bereits an und ein erster Entwurf wird Mitte 2025 erwartet.

Der derzeitige Trend zur De-Priorisierung globaler Gesundheit ist jedoch alarmierend. Die aktuellen geopolitischen Entwicklungen – darunter der Rückzug der USA aus der WHO und massive Kürzungen im amerikanischen Haushalt – machen eine starke europäische Führungsrolle in der globalen Gesundheit dringlicher denn je. Wir brauchen klare politische Bekenntnisse zu einer ausreichenden Finanzierung von FP10. Zudem muss die globale Gesundheitsforschung priorisiert und endlich der Fokus auf Krankheiten gelegt werden, die nur bedingt Marktanreize für private pharmazeutische Forschung bieten. Deshalb ist deren öffentliche Unterstützung für die Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe unabdingbar.

Deutschland und Europa sind gefragt

Es liegt nun an der Bundesregierung, sich in den Verhandlungen zu FP10 aktiv für ein ambitioniertes Budget und die Stärkung der globalen Gesundheitsforschung einzusetzen. Auch die aktuellen Verhandlungen der europäischen Pharmastrategie bieten eine einmalige Gelegenheit, innovative Pull-Mechanismen einzuführen, welche die Forschung zu vernachlässigten Krankheiten anregen können. Nur so kann sichergestellt werden, dass die Gesundheitsagenda der EU ebenso wie die globale Gesundheitsstrategie Deutschlands umgesetzt werden. Dabei geht es um nicht mehr und nicht weniger als die Sicherstellung eines gesunden Lebens und Förderung des Wohlbefindens für alle.

Heute (Donnerstag, 6. Februar) um 13:45 Uhr wird der neue Bericht von Impact Global Health auf der Science Business Konferenz in Brüssel vorgestellt, die auch online verfolgt werden kann.

Angela Bähr ist Vorständin Programme der Deutschen Stiftung Weltbevölkerung sowie stellvertretende Vorsitzende des Verbandes für Entwicklungspolitik und Humanitäre Hilfe (VENRO).

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