Die Anspannung in der Krankenhauslandschaft könnte zurzeit kaum größer sein. Auf der einen Seite sehen sich die Krankenhäuser Personalmangel, rückläufigen Patientenzahlen und Kostensteigerungen ausgesetzt. Auf der anderen Seite scheint die amtierende Ampelkoalition in einem schwierigen Korsett aus Tagespolitik, Koalitionsdisziplin und Haushaltsdefiziten gefangen zu sein. Der Hauptstadtkongress und die Veröffentlichung des aktuellen Krankenhaus-Ratingreports werden in dieser Woche aller Voraussicht nach neue Spannungen heraufbeschwören. Ändern werden auch diese Ereignisse an der aktuellen Sachlage wenig.
Die AKG-Kliniken wollen mit ihrem Stufenmodell und Vorschlägen zu konkreten Umsetzungsschritten einen kurzfristigen Ausweg aus dem aktuellen Dilemma aufzeigen. Voraussetzung dafür ist ein enger Schulterschluss zwischen Bund und Ländern. Einige Bundesländer gehen derzeit mit ihren Reformen der Landeskrankenhausgesetze voran. Diese Gelegenheit sollte das Bundesgesundheitsministerium nutzen, um durch eine schrittweise Finanzierungsreform die angestoßenen Strukturreformen in den Bundesländern zu unterstützen. Auch wenn die Regierungskommission noch einige Zeit bis zu ihren ersten Ergebnissen brauchen wird, können Bund und Länder schon heute erste sinnvolle Umsetzungsschritte für eine nachhaltige und zukunftsfähige Krankenhauslandschaft auf den Weg bringen und damit die Anspannung aller Akteure in geordnete Bahnen lenken. Die Richtung ist bereits vorgegeben: Der Koalitionsvertrag sieht die Implementierung differenzierter Versorgungsstufen vor. Gleichzeitig verspricht er fallunabhängige Finanzierungskomponenten zur Refinanzierung von Vorhaltekosten.
Stufenmodell ermöglicht schrittweise Umsetzung
Wir plädieren für eine qualitätsorientierte Krankenhauslandschaft mit einem System aus aufeinander aufbauenden Versorgungsstufen. Damit kann sowohl den akuten wirtschaftlichen Herausforderungen in der Krankenhauslandschaft als auch dem langfristigen Reformfahrplan der Bundesregierung mit der notwendigen Haushaltsdisziplin Rechnung getragen werden.
Einer Beauftragung des Gemeinsamen Bundesausschusses zur Definition von aufeinander aufbauenden Versorgungsstufen steht politisch nichts entgegen. Die Voraussetzung für eine zeitnahe und erfolgreiche Umsetzung dieses Auftrages sind klare politische Vorgaben zur Abgrenzung der Versorgungsstufen anhand von geeigneten Kennzahlen, die die tatsächliche Versorgungsrealität abbilden. Auf diese Weise erhalten die Bundesländer einen zusätzlichen Werkzeugkasten für ihre Krankenhausplanung. Es wird weiterhin ihre Aufgabe bleiben, die jeweiligen Versorgungsstufen den Krankenhäusern in ihrem Zuständigkeitsbereich zuzuweisen. Diese Zuordnung wäre dann Voraussetzung für die Gewährung von Vorhaltepauschalen gemäß Koalitionsvertrag.
Natürlich braucht es mittelfristig auch ein gemeinsames Verständnis der regionalen Bedarfe, was einen intensiven Verständigungsprozess mit den Bundesländern erfordert. Eine fundierte Diskussionsgrundlage mit klar definierten Versorgungsstufen wäre dabei sicherlich eine große Erleichterung.
Vorhaltepauschalen schaffen Gestaltungsspielraum
Auch die Implementierung von fallunabhängigen Pauschalbudgets kann schrittweise durch die Bundesebene umgesetzt werden, ohne größere Kollateralschäden zu riskieren. Für die Festlegung eines Pauschalbudgets braucht es vornehmlich einen klaren politischen Willen und etwas Mut. Mit einem Anteil von circa einem Drittel der bisherigen DRG-Erlöse könnte vielen Defiziten in unserem Vergütungssystem begegnet werden. Die Differenzierung nach der jeweiligen Versorgungsstufe könnte für eine Übergangszeit als Verhandlungslösung zwischen den Selbstverwaltungspartnern oder durch den G-BA vorgegeben werden. Natürlich braucht es auch eine Budgetgrenze für das Pauschalbudget je Bundesland, da die Bundesländer andernfalls bei der Zuweisung der Pauschalen einen falschen Anreiz haben, möglichst vielen Krankenhäusern die vermeintlich attraktivste Versorgungsstufe zuzuweisen.
Mittelfristig brauchen wir auch für die Pauschalbudgets eine systematische Kalkulationsgrundlage. Und auch die Zukunft des Pflegebudgets und bestehender Zuschläge wie zum Beispiel für Zentren oder für die Notfallversorgung sind in diesem Zusammenhang zu diskutieren. Für diese Aspekte sind fundierte Vorschläge aus dem Kreis der Regierungskommission sicherlich eine gute Grundlage für die weitere Ausgestaltung der Reformen.
Regierungskommission sollte Reformprozess begleiten
Klar ist, dass mit diesen ersten Schritten der Reformbedarf nicht sogleich abgeschlossen oder behoben ist. Die Anpassungsprozesse werden auch zusätzliches Geld auf Seiten der Krankenhäuser erfordern. Mit den Pauschalbudgets gibt es dafür eine pragmatische und risikoarme Verteilungslogik. Ein schrittweises Vorgehen hätte zudem die große Chance einer kontinuierlichen Evaluation, zum Beispiel durch die Regierungskommission. Der Umsetzungsprozess der Krankenhausreform in NRW kann hierbei als positives Beispiel herangezogen werden. Auch die vermeintlichen Gegensätze einer Planung auf Basis von Leistungsgruppen oder Versorgungsstufen sind kein ernsthafter Hinderungsgrund für einen schrittweisen Einstieg in die Reform. Die Versorgungsstufen sind aufgrund der höheren Aggregationsebene leichter konsentierbar und bieten sich daher für einen ersten Schritt in besonderem Maße an. Mittelfristig wird sich die Frage stellen, auf welche Weise eine Versorgungsstufe am jeweiligen Standort bedarfsgerecht konstituiert wird. Hierbei erscheinen die Leistungsgruppen aus heutiger Perspektive ein geeignetes Instrument zu sein.
Gleichzeitig sind die Leistungsgruppen kein geeignetes Instrument zur Ableitung der Vorhaltekosten und deshalb für eine schnelle Umsetzung wenig nützlich. Werden Vorhaltekosten anhand der Leistungsgruppen definiert, entstehen nahezu zwingend neue Anreize zur Patientenselektion innerhalb der Leistungsgruppen. In der aktuellen Ausgestaltung der Leistungsgruppen in NRW kann nicht von einer homogen Patientenklientel innerhalb einer Leistungsgruppe ausgegangen werden. Auf diese Weise bleibt der Wettbewerb um die gut planbaren und gesünderen Patientinnen und Patienten einer Leistungsgruppe bestehen. Dies geht zu Lasten der besonders schwer Kranken und der großen Maximalversorger in den Ballungsgebieten.
An dieser Stelle geht es nicht um eine Vermeidung von Wettbewerb, sondern um eine angemessene Berücksichtigung der tatsächlichen Versorgungsrolle. Eine qualitativ hochwertige Versorgung ergibt sich nicht alleine aus dem jeweiligen Eingriff, sondern auch aus der Möglichkeit einer gleichwertigen Alternativtherapie und gut funktionierenden Notfallstrukturen. Eine zeitnahe Definition der verschiedenen Versorgungsrollen würde die aktuelle Reformdebatte und die aufgeheizte Stimmung in der Krankenhauslandschaft in sach- und ergebnisorientierte Bahnen lenken. Krankenhaus ist eben nicht gleich Krankenhaus. Hierüber braucht es schnell Klarheit!
Nils Dehne ist Geschäftsführer der Allianz Kommunaler Großkrankenhäuser e.V. (AKG).