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Standpunkte Künstliche Intelligenz in der Verhinderungspflege

Lena Armbruster ist Expertin für Digitale Transformation
Lena Armbruster ist Expertin für Digitale Transformation

Der demografische Wandel und der steigende Anteil älterer Menschen stellen sowohl Kranken- als auch Pflegekassen vor große Herausforderungen. Die Verhinderungspflege, die Unterstützung bietet, wenn die reguläre Pflegeperson vorübergehend ausfällt, wird zunehmend bedeutender, schreibt Lena Armbruster von IBM iX. Künstliche Intelligenz (KI) eröffnet hier vielversprechende Möglichkeiten, sowohl die Qualität der Pflege zu verbessern als auch finanzielle Entlastung zu schaffen.

von Lena Armbruster

veröffentlicht am 08.10.2024

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Im Jahr 2021 zählten bereits etwa 4,96 Millionen Menschen in Deutschland zu den Pflegebedürftigen im Sinne des Pflege­versicherungs­gesetzes (SGB XI) – Tendenz steigend. Die Verhinderungspflege spielt dabei eine wichtige Rolle, denn sie übernimmt bei Bedarf die temporäre Betreuung pflegebedürftiger Personen. Sie umfasst nicht nur die Grundpflege, sondern auch Unterstützung im Haushalt und Beschäftigungsangebote wie gemeinsame Spaziergänge oder Gespräche – wichtige soziale Interaktionen, die nachweislich einen positiven Einfluss auf die physische und psychische Gesundheit von älteren Menschen haben.

Künstliche Intelligenz bietet enormes Potenzial, um die Ressourcen von Pflegediensten sinnvoller zu nutzen und älteren Menschen zu mehr Eigenständigkeit zu verhelfen. Eine Kernfunktion ist die Sprachassistenz. Moderne Sprachassistenzsysteme ermöglichen es Pflegebedürftigen, alltägliche Aufgaben wie das Online-Shopping, zum Beispiel von Lebensmitteln, selbstständig ohne Hilfe von Dritten per App zu erledigen, indem sie eine Kommunikation in natürlicher, einfacher Sprache bieten.

Basierend auf den Einkaufsgewohnheiten und Diätplänen der Nutzer*innen können sie passgenaue Produktvorschläge abgeben. Um Anfangshürden zu überwinden, kann die erste Einrichtung und Schulung der Nutzer*innen durch das Pflegepersonal erfolgen. Ist der zeitaufwendige Einkauf durch das Pflegepersonal nicht mehr nötig, werden Ressourcen frei, die anderweitig eingesetzt werden können.

Optimierung von Verhinderungspflege-Budgets

Die Verhinderungspflege wird mit bis zu 1.612 Euro jährlich bezuschusst und hat damit ein Marktvolumen von über 6,9 Milliarden Euro pro Jahr. Das entspricht in etwa dem Marktvolumen der deutschen Online-Werbebranche.

Ein einfaches Beispiel verdeutlicht die finanziellen Vorteile der Einbindung von KI: Der wöchentliche Einkauf durch einen Pflegedienst kostet etwa 25 bis 60 Euro pro Woche, was jährlich zwischen 1.300 und 3.120 Euro entspricht. Diese Ausgaben können durch KI-gesteuerte Einkaufs-Apps, die einfache Sprachsteuerung bieten, deutlich reduziert werden. Wenn etwa 50 Prozent der Pflegebedürftigen ihre Einkäufe bei 1.300 € jährlichen Kosten für die Einkäufe selbstständig erledigten, ließen sich jährlich rund 2,7 Milliarden Euro an Verhinderungspflege-Budgets einsparen oder stattdessen für gemeinsame soziale Aktivitäten mit dem Pflegepersonal einsetzen. Ein Teil der Ersparnisse könnte zudem in die Entwicklung und Implementierung weiterer entlastender KI-Tools fließen.

Automatisierung für mehr Effizienz in der Pflege

Die Automatisierung von Pflegeprozessen mithilfe von KI bietet ebenso enormes Potenzial, den Arbeitsaufwand für Pflegekräfte deutlich zu verringern und gleichzeitig die Qualität der Pflege zu verbessern. So kann die Dokumentation von Pflegeleistungen durch Sprachsteuerung automatisiert werden, was den Zeitaufwand für manuelle Texteingaben erheblich reduziert.

Zusätzlich können Zeitstempel und Geo-Daten automatisch erfasst werden, um Kosten zu senken und die Fehlerquote zu minimieren. Auch die Routenplanung für mobile Pflegekräfte lässt sich durch den Einsatz von KI optimieren, indem aktuelle Verkehrsinformationen berücksichtigt werden. Weiterhin können Ernährungspläne auf Basis von Krankheitsbildern, Medikation und individuellen Vorlieben der Pflegebedürftigen automatisch erstellt werden.­­­­

Telematikinfrastruktur und KI für verbesserte Kommunikation
Die Einbindung von Künstlicher Intelligenz in die Telematikinfrastruktur (TI), an die bis 2025 alle Beteiligten im Gesundheitswesen angeschlossen sein sollen, bietet zusätzliche Entlastungspotenziale für die Verhinderungspflege.

KI-basierte Sprachassistenzsysteme können dabei helfen, Wartezeiten zu verkürzen und Routineanfragen zu automatisieren, was die Kommunikation zwischen Pflegebedürftigen, Angehörigen, Pflegediensten und Krankenkassen erheblich vereinfacht. Personalisierte Pflegepläne, die von KI-gestützten Anwendungen entwickelt werden, tragen zur Effizienzsteigerung bei und ermöglichen eine bessere Nutzung der verfügbaren Ressourcen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Künstliche Intelligenz großes Potenzial bietet, um die Verhinderungspflege zu transformieren. Sie kann nicht nur die Lebensqualität von älteren Menschen verbessern, indem sie mehr Selbstbestimmung und soziale Interaktion ermöglicht, sondern auch die Kosten und den Aufwand für Pflegekassen und -dienste senken. KI ist somit ein wertvolles Werkzeug zur Steigerung der Effizienz und zur Verbesserung der Pflegequalität.

Lena Armbruster ist Expertin für Digitale Transformation mit speziellem Schwerpunkt auf generative KI und Age friendly Assistants bei der Digitalagentur IBM iX, die große Digitalprojekte u.a. für BARMER, PKV und BMG umsetzt.

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