Noch ist es Zukunftsmusik, aber es wird greifbarer: Röntgenbilder, Verordnungen für Physiotherapie, Arztbriefe, Rezepte für die Apotheke – alles digital gespeichert und für alle Berechtigten abrufbar. Dank des Digitale-Versorgung-Gesetzes (DVG) könnte das bald Realität werden. Entscheidend ist, wie die Chancen des DVG nun genutzt werden. Nach Jahren des Stillstands ist mit dem DVG ein erster gesetzlicher Schritt zur Umsetzung digitaler Komponenten in der Gesundheitsversorgung getan. Ab Juli 2021 können sich Physiotherapeuten freiwillig an die Telematik-Infrastruktur anschließen, also an das digitale Datennetzwerk der Gesundheitsbranche. Das ist zumindest ein guter Anfang, auch wenn wir eigentlich die Anbindung aller Heilmittelerbringer gefordert haben und weiterhin fordern.
Der Erfolg der Digitalreform steht und fällt nun mit den Anwendungen, die dafür geschaffen werden. Ideen gibt es viele. Geplant ist zum Beispiel, dass mit der Telematik-Infrastruktur neben einem aktuellen Abgleich der Patientenstammdaten auch Notfallinformationen gespeichert werden. Die elektronische Patientenakte könnte zudem Dokumentationen wie Arztbriefe, Röntgen- und MRT-Aufnahmen, Therapiehistorien und/oder Medikationspläne enthalten.
Das Digitale-Versorgung-Gesetz birgt einige Chancen, und das nicht nur für einen verbesserten Austausch von Stammdaten und Dokumentationen. Zusätzlich ist über die Telematik-Infrastruktur eine geschützte Kommunikation möglich. Arzt und Therapeut können sich sicherer Patienteninformationen zukommen lassen als es beispielsweise mit einer E-Mail möglich ist. Das ist ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer besseren, interprofessionellen Zusammenarbeit auf Augenhöhe.
Den Physiotherapeuten fehlen die Ausweise
Aber – und das ist der Wermutstropfen – bis all das Realität wird, ist es noch ein langer Weg. Die Möglichkeit der freiwilligen Anbindung an die Telematik-Infrastruktur ist für uns Physiotherapeuten zwar ein Fundament, aber eben auch noch nicht mehr. In den kommenden Jahren muss noch einiges passieren, damit das Projekt sowohl für uns in der Praxis als auch direkt für den Patienten spürbare Auswirkungen hat. Eine der kleineren Hürden ist die Anschaffung der Hardware. Physiotherapiepraxen brauchen einen Konnektor, der den Datenaustausch zwischen ihrer Praxis-EDV und den Anwendungen der Gesundheitskarte ermöglicht, und ein Kartenlesegerät. Dafür bekommen sie bis zu 2.600 Euro vom Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherungen (GKV).
Wesentlich schwieriger gestaltet sich die Situation bei den benötigten Karten. Gesetzlich Versicherte besitzen bereits eine elektronische Gesundheitskarte. Die Heilmittelerbringer können sich aber aktuell noch nicht ausweisen. Praxisinhaber benötigen einerseits einen SMC-B-Ausweis. Mit diesem Institutionenausweis belegen sie, dass sie berechtigt sind, auf die Daten der elektronischen Gesundheitskarte zuzugreifen. Alle Physiotherapeuten benötigen andererseits zusätzlich einen elektronischen Heilberufeausweis. Damit weist jeder einzelne Therapeut nach, dass er Physiotherapeut ist. Zugleich besitzt dieser Ausweis eine qualifizierte elektronische Signatur, mit der auch digital rechtsverbindlich unterschrieben werden kann.
Aktuell gibt es diese Ausweise noch nicht. Und bevor sie tatsächlich ausgegeben werden können, muss erst einmal ein elektronisches Gesundheitsberuferegister geschaffen werden. Das existiert noch nicht, sodass auch nicht damit zu rechnen ist, dass die Heilmittelberufeausweise bis 2021 fertig sein werden.
Telematik-Anbindung ohne Folgen
Die Kritik an diesem Umstand trifft weniger die derzeitige Gesundheitspolitik, sondern ist vielmehr ein Versäumnis der letzten Jahre. Denn den Auftrag zur Umsetzung des Gesundheitsberuferegisters hat die Politik bereits seit 2003. Für uns Physiotherapeuten bedeutet das nun, dass wir zwar an die Telematik-Infrastruktur angebunden werden können – was wir wie gesagt sehr begrüßen. Ohne die Möglichkeit, uns einfach und sicher zu authentifizieren, können wir in der Praxis aber derzeit noch nichts damit anfangen.
Physiotherapeuten ist es daher wichtig, dass mehr Tempo in den Prozess kommt und es mit der Digitalisierung des Gesundheitswesens zügig weitergeht. Das DVG bietet große Chancen: für den Patienten, für Therapeuten, für die Kommunikation untereinander. Es gilt nun, Prozesse neu zu denken, Vorschläge einzureichen und darauf zu achten, dass die digitalen Neuerungen das Gesundheitssystem effektiv voranbringen. Dann spüren bald auch die Patienten, dass die Digitalisierung ihnen konkrete Vorteile bringt.