Die Corona-Pandemie zeigt überdeutlich, wie sehr die Arzneimittelversorgung in Europa von den weltweiten, krisenanfälligen Produktions- und Lieferketten der global aufgestellten Pharmaindustrie abhängig ist. Wir begrüßen daher das Ziel der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, die Liefersicherheit wichtiger Medikamente in der EU zu stärken. Um das zu erreichen, braucht es Anreize, an denen die Arzneimittelhersteller nicht vorbei können.
Ab sofort werden wir die Arzneimittelhersteller mit unseren Rabattverträgen verpflichten, als Absicherung gegen Produktions- oder Lieferausfälle dauerhaft Arzneimittelreserven für drei Monate anzulegen. Erst im letzten Vertragsquartal darf dieser Lagerbestand aufgebraucht werden. Zudem werden wir unseren Beitrag leisten, die auf Kosten der Menschen und der Umwelt etablierten Angebotsvorteile durch klare Haftungsregelungen abzubauen. Will ein Unternehmen einen Rabattvertrag mit der AOK schließen, muss es zukünftig sicherstellen, dass weder seine eigene Produktion noch die seiner Zulieferer die Gesundheit der Beschäftigten oder die Umwelt gefährden. Kurz gesagt: Wer nicht liefert oder die vor Ort geltenden Arbeitsschutz- oder Umweltstandards nicht einhält, riskiert, den laufenden Vertrag unmittelbar zu verlieren und seine Chancen mit Blick auf künftige Ausschreibungen aufs Spiel zu setzen.
Arzneimittelrabattverträge sind ein starkes und in dieser Form derzeit einzigartiges Steuerungsinstrument. Mit den veränderten Vorrats-, Produktions- und Umweltauflagen im Rahmen der aktuellen AOK-Ausschreibung entwickeln wir die Verträge gezielt in Richtung Versorgungssicherheit weite. Eine Ausschreibung zu fünf antibiotischen Wirkstoffen ist für diesen sehr spezifischen Markt bereits in Vorbereitung. In dieser Ausschreibung sollen die Versorgungssicherheit sowie die Einhaltung von Umwelt- und Sozialstandards zusätzlich gestärkt werden. Wir setzen zudem auf eine EU-weite Initiative während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft, mit der die Pharmaunternehmen in die Pflicht genommen werden. Es muss dort im Interesse der Versicherten darum gehen, die marktnahe Produktion durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen umweltgerecht zu fördern.
Johannes Bauernfeind, Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg und bundesweiter Verhandlungsführer für die AOK-Arzneimittelrabattverträge.