Was machen wir Medizinisch-Technischen Assistenten während der Coronakrise? Wir röntgen. Und zwar nicht nur diejenigen, die nichts haben. Nicht nur diejenigen, die einen Verdacht auf Covid-19 haben, sondern auch alle anderen. Nach wie vor gibt es Herzinfarkte, Schlaganfälle, Knochenbrüche, Stürze, Verkehrsunfälle und vieles mehr.
Und es gibt Corona. Die bestätigten Covid-19-Fälle werden auf Station geröntgt. Wir dürfen den Raum beim Röntgen nicht verlassen, die Infektionsgefahr ist zu hoch. Wir können also den notwendigen Abstand nicht mehr einhalten, den wir bräuchten, um keine zusätzliche Strahlung abzubekommen. Wir dürfen nur bei bestätigten Infektionen komplette Schutzausrüstung tragen, diese wird bis auf Kittel und Handschuhe wiederverwendet. Wir desinfizieren unsere Geräte selbst, ständig und immer gründlich. Wir schieben Dienste. Und das nicht, wie in der Pflege, im Dreischichtsystem. In den meisten Kliniken, vor allem im ländlichen Raum, arbeiten wir im 24-Stunden-Rhythmus.
Zu wenig Personal für Kurzarbeit
Am Wochenende versorgt man das ganze Haus alleine. Pflegekräfte kann man in Kurzarbeit schicken, wenn gerade in dieser Situation Stationen zusammengelegt oder geschlossen werden, man kann sich Mitarbeiter von anderen Abteilungen ausleihen, wenn Not am Mann ist und Kapazitäten vorhanden sind. So was geht bei uns nicht. Wir sind nicht genug. Niemand sonst hat die Berechtigung, zu röntgen. Wir sind zu wenige für “Geh’ mal nach Hause”.
Unsere Geräte sind alt und marode, für moderne Röntgenanlagen ist kein Geld da. Bei Neuanschaffungen müssen wir auf arbeitserleichternde Maßnahmen verzichten. Seit Jahren wird im Gesundheitssystem gespart wo es nur geht. Die Leitlinien werden ständig aktualisiert. Wir bekommen Auflagen zur Dosisreduzierung bei Kontrastmitteln, werden ermahnt und verantwortlich gemacht für Nichteinhaltung bestimmter Grenzwerte und können eigentlich gar nichts dafür, denn unsere Anlagen lassen diese Anpassungen nicht zu.
Wir sind nicht nur Diagnostiker. Gleichzeitig sind wir Psychiater und Betreuer, indem wir den Patienten beistehen, wenn sie einen Schlaganfall haben, einen Herzinfarkt oder gerade vom Radiologen oder einem anderen Arzt erfahren, dass sie einen Tumor haben oder wegen eben dieses Verdachts bei uns sind. Wir behandeln von Neugeborenen bis zu alten Menschen alle, sind konfrontiert mit Geburt und Tod und wenn man Pech hat, mit allem am gleichen Tag. Wir müssen Kinder mit Schmerzen und Angst davon überzeugen, dass es wichtig ist still zu halten obwohl sie nichts anderes wollen, als zu der Mama auf den Arm. Wir therapieren schwerstkranke Menschen und zerren sie immer wieder in unsere Untersuchungseinheiten obwohl sie am liebsten sterben wollen.
Wir arbeiten am Patienten. Am Menschen. Wir sind Infektionskrankheiten ausgesetzt, weitaus schlimmeren als Covid-19. Wir haben ein erhöhtes Risiko selbst an Krebs zu erkranken durch zusätzlichen Umgang mit ionisierender Strahlung. Wir gehören weder zur Pflege noch zum ärztlichen Dienst. Wir sind keine Schwestern. Ebenso wie etliche Laborassistenten oder Mitarbeiter des Funktionsdienstes. Ich bin MTRA aus Leidenschaft. Ich liebe meine Arbeit. Ich habe mich, als ich mich dazu entschlossen habe so einen Beruf auszuüben, festgelegt, im Krankenhaus zu arbeiten. Und ich habe mich auch mit der Möglichkeit befasst, in eine Situation zu kommen wie jetzt bei Covid-19. Das ist mein Job.
Technische Assistenten haben nichts von der Zulage
Die versprochenen Sonderzahlungen und Gefahrenzulagen für Pflegekräfte sind in meinen Augen ein Witz. Jeder, der sich bereit erklärt in der Medizin zu arbeiten, muss mit einer derartigen Situation rechnen wie momentan. Wir, die technischen Assistenten, haben von Sonderzahlungen wieder einmal nichts. Es gibt für uns keinen einheitlichen Tarifvertrag. Für uns geht niemand auf die Straße. Herr Spahn: Behalten sie die Sonderzahlungen und arbeiten sie am Grundproblem.
Fachkräfte müssen gut bezahlt werden und zwar immer. Krank werden die Leute auch ohne Covid-19. Niemand verlässt diese Welt gesund und lebend. Fachkräfte brauchen moderne Geräte, die einen auch bis ins hohe Alter arbeiten lassen. Wir benötigen neue Anlagen. Das Gesundheitssystem benötigt Werbung und Attraktivität und keine Sonderzahlungen, wenn es brennt.
Was kommt nach Covid-19? Die Leute werden uns überrennen. Die Patienten gibt es trotzdem, es gehen gerade nur nicht alle zum Arzt. Wenn der Laden „Deutschland“ wieder läuft, können wir uns nicht mehr vor Patienten retten. Wer sich jetzt beschwert hat, dass er beim Röntgen eine Stunde warten musste oder auf einen MRT-Termin einen Monat, der wird sich in ein paar Wochen umschauen. Und wir stehen dann noch immer mit der gleichen Anzahl an Mitarbeitern, und mit den gleichen alten Geräten da und müssen uns beschimpfen lassen. Eine Station ist irgendwann voll. Wir sind kurz vor dem Kollaps, das waren wir schon vor Corona, sind es jetzt, und werden es nach Covid-19 ganz sicher sein.
Dorina Petersen ist Radiologieassistentin (MTRA) in einem Krankenhaus in Niedersachsen