Die Pflegekommission hat sich zum fünften Mal auf neue Lohnuntergrenzen für die Altenpflege geeinigt. Im Ergebnis führen die ab Mai 2022 bis Ende Januar 2024 geltenden Lohnuntergrenzen zu deutlichen Gehaltssteigerungen für Pflegepersonal in der Altenpflege. Die größten Lohnsprünge wird es noch in diesem Jahr geben und die Preise für pflegerische Leistungen nach oben treiben.
In der Altenpflege gibt es seit Jahren nur einen Weg für die Löhne – den nach oben. Vor allem die Hilfskräfte in der Altenpflege profitierten von der im Vergleich zu anderen Branchen beispiellosen Entwicklung. Beeinflusst wird die Lohnentwicklung einerseits durch die knappe Verfügbarkeit von ausgebildeten Pflegefachkräften. Seit Jahren herrscht Vollbeschäftigung bei examinierten Pflegefachkräften. Aufgrund des weiter zunehmenden Bedarfs an Fachkräften steigen die Löhne auch ohne politische Einflussnahme. Andererseits werden die Löhne auch durch die politisch initiierten Eingriffe in die Sozialpartnerschaft beeinflusst. Einer davon war die Errichtung der Pflegekommission zur Festlegung von verbindlichen Arbeitsbedingungen...
Eigenanteile werden explodieren
Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern hat die Einführung der Lohnuntergrenzen in der Altenpflege zu deutlichen Gehaltssteigerungen von nunmehr 60 Prozent, vor allem für ungelernte Hilfskräfte, geführt. Mit der Koppelung der Versorgungsverträge an eine tarifliche Bezahlung über das Gesundheitsversorgungsweiterentwicklungsgesetz (GVWG) erfolgte ein weiterer Staatseingriff in das Unternehmertun in der Altenpflege. Dies wird nicht nur die Löhne für Beschäftigte in der Altenpflege weiter nach oben treiben, sondern sich massiv auf die finanziellen Belastungen der Pflegebedürftigen auswirken. Die Preise für pflegerische Leistungen und damit die von den Pflegebedürftigen zu schulternden Eigenanteile werden weiter steigen.
Die im GVWG beschlossene Begrenzung der pflegebedingten Eigenanteile, die übrigens nur für die vollstationären Pflege gilt, ist kaum geeignet, die Preissteigerungen dauerhaft aufzufangen. Den Pflegebedürftigen wird vorgegaukelt, dass deren finanzielle Belastungen sinken, doch die Deckelung wird nicht zu einer spürbaren Entlastung führen. Sind doch die Investitionskosten und auch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung weiterhin allein von den Pflegebedürftigen zu finanzieren. Der Großteil der Pflegeplatzkosten wird deshalb vor allem in den ersten zwölf Monaten auf den Schultern der Pflegebedürftigen, Angehörigen und den Kommunen lasten.
Betroffen ist vor allem Ostdeutschland
Vor allem in den ostdeutschen Bundesländern müssen Pflegebedürftige aufgrund stetig steigender Löhne mehr für einen stationären Pflegeplatz zahlen, ohne dass sich die Leistungen ändern. Wie einer Analyse vom Portal pflegemarkt.com aus dem Jahr 2020 zu entnehmen ist, wiesen Thüringen mit fast 30 Prozent, Sachsen mit rund 26 Prozent, Mecklenburg-Vorpommern mit 26 Prozent und Sachsen-Anhalt mit 24 Prozent die größten Preisanstiege auf, und darin sind noch nicht die jetzigen Ergebnisse der Pflegekommission und auch noch nicht die Lohnsteigerungen aufgrund der GVWG-Verpflichtungen eingepreist. Vor allem für die neuen Bundesländer ist zu befürchten, dass die stationäre pflegerische Versorgung zum Luxusgut wird. Die Kommunen müssen sich bei klammen Kassen auf eine Antragsflut zur „Hilfe zur Pflege“ einstellen. Werden die Betreiber stationärer Pflegeeinrichtungen künftig noch bestehen können, wenn die Eigenanteile weiter steigen und Pflegebedürftige sich keinen Heimplatz mehr leisten können?
Der Gesetzgeber steht nunmehr vor der dringend zu lösenden Herausforderung, die Pflegeversicherung auf zukunftsfeste Füße zu stellen. Wie kann die Pflegeversicherung zukunftsfähig gestaltet werden? Was können Leistungsempfänger und deren Angehörige für Pflegedienstleistungen zukünftig zahlen? Wie stark wird künftig der Geldbeutel darüber entscheiden, wo Pflegebedürftige versorgt werden? Vor allem die Pflegeunternehmen werden mit den Pflegekassen um die Preise für pflegerische Leistungen und deren Erstattung noch intensiver streiten müssen. So wichtig die Refinanzierung von zusätzlichem Personal, steigenden Löhnen und neuen Versorgungsformen in der Altenpflege ist, so wichtig ist auch zu klären, wie der ausufernden Abgabenlast mit Blick auf die demografische Entwicklung und die stetigen Leistungsausweitungen der Pflegeleistungen Einhalt geboten werden muss. Bereits jetzt steht Deutschland im Vergleich aller OECD-Staaten an der Spitze mit der höchsten Steuer- und Sozialabgabenlast. Wenn sich die Wirtschaft nach der Corona-Krise erholen soll, dann nicht, indem die Abgabenlast weiter steigt.
Isabell Halletz ist Geschäftsführerin des Arbeitgeberverbandes Pflege e.V.