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Standpunkte Plattformökonomie braucht Mindeststandards

Foto: Oxford Internet Institute

Die globale Plattformökonomie zeige die begrenzte Macht nationaler Regulierung auf, erklärt Mark Graham, Professor am Oxford Internet Institute. Ohne Mindeststandards werden Plattformarbeiter weiterhin ausgebeutet.

von Mark Graham

veröffentlicht am 15.04.2019

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Mittlerweile gibt es siebzig Millionen Menschen auf der ganzen Welt, die Arbeit durch digitale Plattformen finden. Der Taxi-Konkurrent Uber gab etwa bekannt, dass allein im letzten Quartal 2018 3,9 Millionen Fahrer auf der Plattform aktiv waren. In der Vergangenheit hatten wir von Arbeit die Vorstellung, dass sie an einen bestimmten Ort gebunden ist und zu einem klar festgelegten Zeitplan stattfindet. Der Aufstieg digitaler Plattformen trägt jedoch dazu bei, dass die Gefahr einer sehr viel unsicheren und prekären Zukunft der Arbeit erwächst.

Was ist Plattformarbeit?  

Allgemein ist Plattformarbeit in zwei Kategorien unterteilt. Die erste Kategorie schließt Arbeit ein, die an einen spezifischen Ort gebunden ist. Dies könnte bedeuten, Lebensmittel zu liefern, Fahrgäste zu transportieren oder ein Haus zu reinigen. In all diesen Fällen müssen die Arbeiter an bestimmten Orten sein, um heiße Pizza, pünktliche Taxis und saubere Häuser zu gewährleisten. Eine Plattform vermittelt die Beziehung zwischen Kunden und Arbeitern über eine Website oder eine App und behandelt Arbeitnehmer im rechtlichen Sinne oftmals als Selbstständige und nicht als Angestellte. Somit beeinflussen Plattformen bestehende Strukturen. Erst letzte Woche richteten sich Proteste von Taxifahrern gegen Liberalisierungsvorhaben des Verkehrsministeriums sowie die Einführung von Uber in Köln.

Die zweite Kategorie bezieht sich auf Arbeit, die aus der Ferne erledigt werden kann. Das bedeutet, dass Freiberufler auf ihrem Computer Aufgaben erledigen, die auf der ganzen Welt verteilt werden. Dabei kann es sich um sogenannte Mikroarbeit handeln, bei denen Arbeiter kurze digitale Aufgaben erledigen. Ein Beispiel ist das Markieren von Bildern für Systeme maschinellen Lernens, die letztendlich in Produkten wie autonomen Fahrzeugen verwendet werden. Arbeiter schulen daher gewissermaßen jene Maschinen, die ihnen vielleicht die Arbeit abnehmen werden. Da diese Aufgaben von überall aus erledigt werden können, gibt es einen harten weltweiten Wettbewerb. Anders ausgedrückt konkurrieren drei Milliarden Internetnutzer auf einem weltumspannenden Arbeitsmarkt um sie.

Niedrige Löhne und schlechte Bedingungen

In Ländern mit hohem Einkommen wird Plattformarbeit tendenziell mit relativ sicheren Arbeitsplätzen verglichen, die häufig durch Regulierungen und Gewerkschaften geschützt werden. Daher erlebten viele Plattformarbeit als Verschlechterung der bestehenden Normen und Bedingungen, die sie in anderen Berufen gewohnt waren. Im Gegensatz dazu kommen in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen viele Arbeitnehmer aus dem informellen Sektor – vielleicht ohne jemals in ihrem Leben sichere Arbeit gehabt zu haben. Für beide Gruppen sind die Ergebnisse unterm Strich jedoch ähnlich: Plattformarbeit ist niedrig bezahlt, prekär, und bietet wenig Gelegenheiten für Mitbestimmung und Tarifverhandlungen.

In der Tat bestehen große Herausforderungen für Arbeiter, sich gemeinsam für bessere Bedingungen zu organisieren und einzusetzen. Faktoren wie die verstreute Natur der Arbeit – ob über die Stadt oder sogar über den Planeten verteilt – und das weitgehende Fehlen von physischen Treffpunkten erschweren Möglichkeiten kollektiver Gegenmachtbildung erheblich. Zudem sind die Arbeitsplätze meist nicht von bereits existierenden Regulationen gedeckt. Viele bestehende Gewerkschaften sind entweder nicht interessiert oder wissen nicht, wie sie diese Arbeiter unterstützen können. In einigen Ländern fanden Streiks statt, doch es gab nur wenige greifbare Siege für Arbeiter. Die meisten Plattformarbeiter haben daher immer noch keine andere Wahl, als die niedrigen Löhne und schlechten Bedingungen schlicht und ergreifend in Kauf zu nehmen.

Mindeststandards gegen „ausbeuterische Geschäftsmodelle“

Als Antwort auf den Regulierungsbedarf, der durch die begrenzte Macht von nationalen und traditionellen Formen der Gesetzgebung entsteht, haben wir die Fairwork Foundation entwickelt: ein an der University of Oxford angesiedeltes Projekt, das Plattformen hinsichtlich fünf Kriterien für gerechte Arbeit bewertet, die gemeinsam mit Arbeitern und Plattformen entwickelt wurden: faire Löhne, faire Bedingungen, faire Verträge, faires Management und faire Repräsentation. Indem wir als unparteiischer Akteur agieren und rigorose empirische Forschung in Bezug auf Plattformarbeit durchführen, hoffen wir, evidenzbasierte Befunde für faire Arbeit in der Plattformökonomie erzielen zu können. Damit wollen wir einen Beitrag liefern, die Bedingungen im Sinne der Arbeiter zu verbessern.

Ab diesem Jahr werden wir in Indien, Südafrika, Deutschland und Großbritannien jährlich Ranglisten von Plattformen produzieren. Ende März haben wir bereits erste Ergebnisse für südafrikanische und indische Plattformen veröffentlicht. Auf Grundlage eines transparentes Ratingsystems heben wir die besten und schlechtesten Praktiken in der Plattformökonomie hervor und möchten so Anreize schaffen, die Plattformen zu weniger ausbeuterischen Geschäftsmodellen bewegen sollen. Da das Plattformmodell immer mehr Berufe umfasst und in immer mehr Wirtschaftsbereiche eindringt, müssen wir Mindeststandards setzen, unter die diese Arbeit niemals fallen sollte. Nur so können wir eine gerechtere Zukunft der Arbeit ins Leben rufen.

Mark Graham ist  Professor für Internet Geography am Oxford Internet Institute, Gastforscher am Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und Direktor der Fairwork Foundation. Fairwork wird vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) finanziert, umgesetzt durch die Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ).

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