Standpunkte Innovation im urbanen Raum? Kollaborieren, statt lamentieren

Vor dem Hintergrund des Regierungswechsels in Deutschland und einer angespannten Lage auf den Kapitalmärkten fragen sich viele, wie sich dies auf das Entwickeln, Vermarkten und Skalieren klimafreundlicher Technologien im urbanen Raum auswirkt. Doch ganz gleich, wer regiert, sollte die Stadt eher früher als später klimaneutral werden. Dafür müssen sich fragmentierte Initiativen strategisch bündeln.
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Jetzt kostenfrei testen70 Prozent der globalen CO₂-Emissionen entstehen in unseren Städten. Auffällig ist: Im Index vom „Economist“ der lebenswertesten Städte liegen Wien, Kopenhagen, Zürich, Melbourne, Calgary und Genf auf den ersten sechs Plätzen. Alle diese Städte haben in den letzten Jahren Maßnahmen ergriffen, um ihre CO₂-Emissionen zu reduzieren und klimafreundlicher zu werden.
Der Stellenwert klimaneutraler Städte auf dem Weg zu Net-Zero und für mehr Lebensqualität im urbanen Raum, kann daher kaum hoch genug bewertet werden. Gleichzeitig werden die Fragezeichen größer, wie der Weg dorthin gelingen kann. Aktuell scheinen Politiker:innen andere Herausforderungen als das Erreichen der Klimaziele zu priorisieren. Auch im Problembewusstsein der Bevölkerung ist der Stellenwert des Klimawandels in den vergangenen Jahren gesunken.
Gerade in Deutschland blicken hinsichtlich der Klimapolitik zudem viele auf die USA, auf die Vereinten Nationen oder auch auf die eigene, bald neue Regierung. Zugleich ist die Lage auf den Kapitalmärkten weiter angespannt. Angesichts dieser politischen Volatilität und deutlich niedrigerer Finanzierungsrunden als noch zu Zeiten der Pandemie, ist es Zeit, pragmatische Lösungen zu suchen und sich vor allem auf die eigenen Stärken als „Community“ zu besinnen, die ein übergeordnetes Ziel verfolgt.
Stärkere Vernetzung ist notwendig
Denn der Tenor ist, ganz gleich mit wem man spricht, überall gleich: Die Akteure, die sich der Mission der klimafreundlichen Innovation im urbanen Raum widmen, agieren noch immer zu fragmentiert. Diese parallele Co-Existenz kostet ihren Preis. Gründer:innen fällt der Zugang zu städtischen Entscheider:innen und Regulatoren zu schwer, das gegenseitige Lernen von Erfolgen in anderen Städten dauert zu lange und synergetische Partnerschaften, um nach einem erfolgreichen Markteintritt rasch zu expandieren, ziehen sich in die Länge.
Um klimafreundliche Innovation krisenresistenter aufzustellen und die Abhängigkeit von hohen VC-Finanzierungsrunden zu reduzieren, ist daher eine stärkere Vernetzung untereinander unentbehrlich. Es braucht Online- und Offline-Formate, die den Dialog derjenigen Entscheider:innen ermöglichen, die die Innovation maßgeblich vorantreiben. Es brauchte eine Allianz der Willigen und Mutigen.
Denn gerade im urbanen Raum haben wir es mit komplexen Herausforderungen zu tun. Digitale Lösungen zielen auf das Optimieren von Wasser, Heizung, Verkehr, Wohnen ab. Alles sensible und kritische Themen. Innovation gelingt in solchen Fällen nicht in Silos, sondern im Dialog mit denjenigen, die diese Infrastruktur regulieren. Und mit denjenigen, die bereits über wichtige Erfahrung darüber verfügen, was sich tatsächlich implementieren lässt und was die Ursachen für ein Scheitern von Innovation in der Praxis sind.
Bessere Erfolgsaussichten mit frühzeitiger Kollaboration
So erhalten Gründer:innen mit eigenen Formaten Zugang zu möglichst vielen relevanten Expert:innen, Investor:innen und städtischen Entscheider:innen. Denn die besten Ideen sind für eine Stadt nichts wert, wenn sie sich nicht konform mit den dort geltenden Gesetzen und Regel implementieren lassen. Das geht von Regelungen für das Parken und Gehwege bis hin zum Betrieb der öffentlichen Verkehrswege, Strom- oder Wassernetze. Gründer:innen scheitern teilweise Monate nach der Produktentwicklung beim Markteintritt an regulatorischen Details. Je früher Innovator:innen dies erkennen, desto rascher können sie reagieren. Entweder sie passen ihr Produkt an oder sie suchen nach anderen Orten, in denen ihre Idee rechtskonform in die Praxis umgesetzt wird.
Zudem kristallisiert sich heraus, dass Städte, die an der Speerspitze der klimafreundlichen Transformation stehen, Gründer:innen die Chance geben, innovative Technologie möglichst frühzeitig in einer echten Umgebung zu testen. Dies gilt auch für Technologien, die bereits anderweitig erfolgreich implementiert wurden. Aber auch der Aufbau einer solchen Testumgebung setzt den Dialog voraus, damit sie den Vorhaben und Überlegungen der innovativen Gründer:innen überhaupt gerecht werden kann.
Vor diesem Hintergrund sollte das Bündeln der vielzähligen Aktivitäten im Urbanen zweigleisig erfolgen: Einmal regional, um die Perspektiven der relevanten Akteure einer Stadt zu vereinen; zweitens global, um das gegenseitige Lernen von anderweitigen Erfolgsgeschichten zu maximieren.
Nicole Hiltl ist Managing Director des Climate Tech Hub e.V. Das Ziel ist das Vernetzen der Climate-Tech-Branche in der Metropolregion Berlin-Brandenburg und darüber hinaus mit Regionen rundum London, Singapur und New York sowie von Gründer:innen mit politischen Entscheider:innen und Regulierern in aller Welt. Jährlich bringt der Climate Tech Hub im Rahmen des Urban Innovation Forum (UIF) Gründer:innen, Investor:innen, Industrievertreter:innen und Vordenker:innen zusammen.
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